Früher, an langen Winterabenden, erzählten die Großmütter ihren lauschenden Enkeln Märchen und Sagen von verborgenen Schätzen, verschwundenen Prinzessinnen, Raubrittern, Gespenstern und feurigen Drachen und überlieferten so diese Volksschätze der Nachwelt. Zum Abschluss der Sagen-Serie aus dem Kuhländchen bringen wir Ihnen noch einige Sagen aus der Weihnachtszeit näher.
Der versunkene Fuhrmann
Der Heilige Abend galt bei unseren Großvätern als ein Feiertag. Wenn die Abendglocke zur Andacht rief, musste im Hause die Arbeit ruhen. Es galt als eine schwere Sünde, nach dem Abendläuten noch eine grobe Arbeit zu verrichten.
Da lebte einmal in Sedlnitz (Sedlnice) ein Bauer, der dem ganzen Dorfe wegen seiner Gottlosigkeit ein Ärgernis war. Der frommen Sitte zu Trotz fuhr er einst am Heiligen Abende, als eben die Glocken feierlich die Festtage einläuteten und überall die „Christkindelschüsse“ krachten, in einen nahen Wald. Auf dem Rückweg geriet er in einen Sumpf und versank darin mit Ross und Wagen. Seither hört man ihn an jedem Heiligen Abend, in Ungers Busch „Hü“ und „Hott“ schreien. Die Stelle, wo er mit seinem Gefährten versank, ist noch heute in Erinnerung.
Nach den Erzählungen der alten Sedlnitzer war es früher in „Ungers Busch“ nachts überhaupt unheimlich. Irrlichter lockten dort den späten Wanderer auf Abwege und führten ihn in den Sumpf. Am Heiligen Abend hörte man den versunkenen Fuhrmann rufen und in den „zwölf Nächten“ zog auf dem Grenzwege entlang des Busches der wilde Jäger dahin.
Der wilde Jäger
In Ungers Busch hauste einst ein wilder Jäger, ein gespenstiges Wesen, von dem aber jetzt nichts mehr zu hören ist. Wenn die zehnte Abendstunde vorüber war, vernahm man Hundegebell und ein lautes „HOLLOHO“, mitunter vernahm man auch das Knallen von Flinten. Das dauerte bis um zwölf, oft auch bis ein Uhr nachts. Dann war alles wieder ruhig. Vor dem wilden Jäger musste man sich besonders in Acht nehmen, denn was ihm in die Nähe kam, schoss er nieder. Trug man nicht Doste und Weißdorn bei sich oder konnte man sich nicht schnell auf einen Kreuzweg retten, so war man verloren.
Das Wunder am Heiligen Abend
Am Heiligen Abend, so erzählt man in Odrau (Odry), wird in der Mitternachtsstunde alles Wasser zu Wein. Einst ging ein Mädchen in der Christnacht nach zwölf Uhr zum Brunnen, um Wasser für ihren kranken Vater zu holen. Nachdem dieser getrunken hatte, fragte er, woher sie den guten Wein geholt habe. Sie antwortete, dass es Wasser aus dem Brunnen sei. Der Vater tat sodann noch einen tüchtigen Schluck und war von dieser Stunde an gesund.
Ein Knecht, der davon gehört hatte, begab sich nächstes Jahr zu demselben Brunnen. Er kostete wiederholt das Wasser, ob es bald in Wein verwandelt sei. Endlich schmeckte es wie Wein. Er füllte ein großes Gefäß damit, neigte sich aber dann nochmals zum Brunnen hinab und trank nach Herzenslust. Freudig rief er: „Das ist ein guter Wein!“ „Und du bist jetzt mein!“, tönte es von unten herauf und plumps lag er im Wasser und konnte sich nur mit großer Mühe aus dem Brunnen emporarbeiten.
Der Weinbrunnen bei Werdenberg
Am Heiligen Abend soll in jeder christlichen Familie nach sechs Uhr aller Handel, ebenso alle schwere Arbeit ruhen. Trotzdem rollte einst am Weihnachtsabend nach jener Stunde ein mit Wein beladener Wagen durch Werdenberg (Vítovka). Plötzlich erscholl ein donnerartiger Knall und im nächsten Augenblicke war das Gespann samt dem Lenker in der Erde verschwunden. Alsbald sprudelte dort eine Quelle des besten Weines hervor. Das ist die Geschichte des Weinbrunnens, der sich heute noch bei Werdenberg befindet und der den Dürstenden ein gar köstliches Wasser spendet.
Hexen in der Christmette
Stellt euch vor, im Kuhländchen konnte man in der Christmette auch Hexen erkennen. Dafür waren folgende Vorbereitungen zu treffen: Man nimmt am Sankt Barbara Tag, dem 4. Dezember, Pflaumen oder Kirschzweige, gibt sie ins Wasser und begießt sie mit dem Munde, das heißt mit dem im Munde erwärmten Wasser. Am Heiligen Abend erblühen die Zweige. Nimmt man nun einen solchen blühenden Zweig mit in die Christmette und biegt ihn zum Kranz, so erkennt man, welche Frauen Hexen sind. Man muss aber trachten, vor allen anderen Leuten als erster aus der Kirche und unter ein Dach zu kommen, sonst wird man von den wütenden Hexen zerrissen.