Aus Anlass des Inkrafttretens des deutschen Grundgesetzes am 24. Mai vor 70 Jahren wurde am 12. Mai im Prager Kino Ponrepo über die Berührungspunkte zwischen Fußball und Gründung der Bundesrepublik diskutiert. Als Grundlage diente dafür der Film „Das Wunder von Bern“, der zuvor gezeigt wurde.
Der 2003 produzierte Film von Sönke Wortmann ist nicht nur etwas für Fußballfans. Er erzählt mehr als die Geschichte der west-deutschen Mannschaft, die in der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz 1954 die Volksrepublik Ungarn im Finale besiegte. Er thematisiert auch gesellschaftlich relevante Themen der 1950er Jahre in West-Deutschland. Insbesondere die Kriegsheimkehrer, die sich auf einmal in einer komplett fremden Welt wiederfanden werden thematisiert. Im Mittelpunkt steht hierfür im Film der fußballbegeisterte Junge Matthis und sein aus der Kriegsgefangenschaft in Russland zurückgekehrter Vater.
Aber wo ist nun aber der Zusammenhang zwischen dem sportlichen Sieg und der Gründung der BRD? Auf der Bühne diskutierten darüber die Fußballfans Guido Müntel, Leiter des Pressereferats der Deutschen Botschaft in Tschechien und Thomas Oellermann von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Prag. Ins Tschechische übersetzt wurde die deutsche Diskussion von Zuzana Schwarzová und moderiert von dem Journalisten Tomáš Lindner.
Flüchtiges Selbstbewusstsein
Oellermann hob vor allem hervor, was für ein „präsentes Ereignis“ der 4. Juli damals war. „Die Generation der Menschen, die den überraschenden Sieg miterlebte, kann sich genau erinnern, wo sie gewesen war, wo sie das Spiel geguckt oder gehört hat. Damals war das Land zerstört, die Bevölkerung in Bewegung. Man fühlte sich schwach und nicht richtig wahrgenommen. Der Gedanke damals war ’Wir sind wieder wer’. Die Leute haben an Selbstbewusstsein gewonnen.“
Müntel verwies jedoch auf die Flüchtigkeit des Moments: „So schnell und überraschend, wie die Freude kam, so schnell war sie auch wieder verschwunden. Der Alltag des Wiederaufbaus, der Ernährung der Familie, die Suche nach Vermissten hat die Bevölkerung schnell wieder eingeholt.“ Nichtsdestotrotz betonte er, dass der Sieg der Fußballmannschaft zu einem glücklichen Zeitpunkt stattfand. Nämlich zur Zeit des Wirtschaftswunders und während der Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen. Dadurch wurde eine positive Grundstimmung und das Gefühl eines Neuanfangs geschaffen.
Der Blick von „drüben“
In der Tschechoslowakei fand das deutsche Fußballwunder hingegen wenig Beachtung. Oellermann hat sich dazu die Tageszeitungen vom Juli 1954 angesehen. Die Sportberichterstattung, so fand er heraus, ist mit der heutigen kaum vergleichbar. Auf der letzten Seite findet sich nur ein kleiner, sachlich gehaltener Artikel. Weil die Republik auf den sozialistischen Bruderstaat gesetzt hatte, zeigt das Bild zum Artikel aber nicht die Gewinner, sondern den Vizeweltmeister.
Im damaligen Ost-Deutschland, war das Finale für die Bevölkerung, so Müntel, ähnlich prägend, wie in West-Deutschland. Anders war die offizielle Sichtweise. Nach dem Abpfiff fand der TV-Moderator erstmal für 40 Sekunden keine Worte. Und in der Presse wurde insbesondere der körperliche Einsatz und die rabiate Taktik der Sieger kritisiert.
Problematischer Stolz
So kurz nach dem Nationalsozialismus wieder Stolz für sein Land zu empfinden, war aber auch in West-Deutschland heikel. So kritisierten ausländische Zeitungen den damaligen DFB-Präsidenten Peco Bauwens. Zwei Tage nach dem Finale sagte er in einer Rede: „Und da haben die Jungens es wirklich gezeigt, was ein gesunder Deutscher, der treu zu seinem Land steht, zu leisten vermag.“
Und auch die Siegerehrung verlief nicht glatt, denn einige Zuschauer sangen die erste Strophe der deutschen Hymne („Deutschland, Deutschland über alles“). Allerdings ist das wohl auch darauf zurückzuführen, dass viele Leute tatsächlich nur diese Strophe kannten.
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In einer Zeit der Veränderungen erinnert man sich daran, dass vor einem Vierteljahrhundert eine mindestens ebensogroße Veränderung die Verschmelzung des damals geteilten Berlins und den Beitritt der fünf neuen Bundesländer zur Bundesrepublik begleitete.