Foto: Thijs ter Haar/Flickr/CC BY 2.0

Eigentlich sind die Tschechinnen und Tschechen nicht als große Anhänger der EU bekannt. Eine neue Studie malt nun aber ein anderes Bild.

Seit 15 Jahren ist Tschechien bereits Mitglied der Europäischen Union. Diesen Monat finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Ein Grund sich näher mit dem Verhältnis der Tschechen zur EU zu beschäftigen. Der tschechische öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine Studie beim Institut Median in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie die tschechischen Bürger zur Europäischen Union stehen.

Immerhin 64 Prozent der Befragten geben an, dass der Beitritt zur EU eine gute Idee war. Vor allem junge und gut ausgebildete Menschen sähen die EU-Mitgliedschaft als lohnenswert. Die beliebtesten Vorteile der EU sind der Studie zufolge der freie Arbeitsmarkt und die Reisefreiheiten.

Auch die Sympathie mit einer Partei liefert Erkenntnisse darüber, wer der EU gegenüber positiv gestimmt ist. Gerade in den Wählerkreisen von konservativen Parteien, wie der Christlich-Demokratischen Union (KDU-ČSL), der Partei Bürgermeister und Unabhängige (STAN) und TOP 09 wird die EU befürwortet. Immerhin 70 Prozent der Wähler der Partei ANO des Premierministers Andrej Babiš meinen, dass der EU-Beitritt Tschechien viel gebracht hat. Im Gegensatz dazu sind Anhänger linker Parteien sowie Nichtwähler der EU gegenüber negativ gestimmt.

Aber selbst die Befragten, die den EU-Beitritt von 2004 nicht guthießen, sehen Vorteile in der EU. Dazu zählen die bereitgestellten Fördergelder oder die kostengünstigen Telefonate ins EU-Ausland. Diesen Vorteil nannten 70 und 66 Prozent aller Interviewten.

Warum gibt es trotzdem immerhin noch mehr als 35 Prozent der tschechischen Bevölkerung, die die Mitgliedschaft in der EU kritisch sehen? Eine mögliche Antwort lieferte der ehemalige Ministerpräsident Vladimir Špidla, der das Amt 2004 beim Beitritt Tschechiens zur EU innehatte. In einem Interview mit dem IPG-Journal sagte er: „Viele sehen Deutschland und Frankreich als die beiden großen Staaten, die diktieren, wohin sich die EU entwickelt. Zudem gab es die Erwartung, die Einkommen würden auf ein deutsches Niveau steigen. Viele Menschen fühlen sich daher insgesamt wie Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse in der Europäischen Union.“


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