Das Kudlich-Denkmal in Teplitz war das erste, das an die Abschaffung der „Robot-Pflicht“ erinnerte. Es hat eine wechselvolle Geschichte.
Vor über 130 Jahren am 8. September 1888 wurde auf dem damals zu Kradrob (Kladruby) gehörenden Wacholderberg bei Teplitz (Teplice) das Kudlich-Denkmal errichtet und unter Anwesenheit von Hans Kudlich (1823-1917) höchstpersönlich eingeweiht. Anlass für das Denkmal war der 40. Jahrestag der Abschaffung der „Robot-Pflicht“, der Abhängigkeit des Bauernstandes, durch den ersten österreichischen Reichstag im Jahr 1848.
Hans Kudlich war damals der jüngste Abgeordnete der revolutionären Volksvertretung und selbst Sohn eines abhängigen Bauern. Die Freiheitsidee ließ er in den Gesetzesantrag einfließen, der 1848 angenommen wurde und als einziges Gesetz der Revolution auch die Restauration danach überlebte. Dieser Freiheitsidee wurde dann jener schlichte Obelisk – entworfen von dem Teplitzer Bauunternehmer und Reichsratsabgeordneten Adolf Siegmund – gewidmet. 16 Lasttiere mussten das fünf Tonnen schwere Sandsteindenkmal auf den Wacholderberg ziehen. Vier Tafeln in deutscher Sprache erinnerten: „Am 8. September 1848 fielen die Fesseln des Frondienstes – am 8. September 1888 erstand dieses Denkmal; In Treue und Dankbarkeit die Bewohner der Bezirke Bilin, Dux und Teplitz; Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern; Was die Väter kämpfend errungen, sollen wachsam wahren die Jungen.“
Das besondere des Denkmals war aber sein Unterbau: 163 Gemeinden der genannten Bezirke sollten sich an dem Bau mit einem Stein aus ihrer Gemeinde beteiligen. Etwa 150 Steine kamen wohl zusammen, geologisch unterschiedliche Natursteine, die sich eben in der Gemeinde finden ließen. Alle versehen mit dem Namen der Absender-Gemeinde.
Diese Widmungssteine wurden als Wall unter dem Denkmal aufgestellt. Man würde diese Herangehensweise heute wohl als „interaktiv“ bezeichnen, denn hier wurde einer Idee – die der Bauernbefreiung – mit einem gut einsehbaren Sichtpunkt in der Landschaft gewürdigt. Und (fast) alle Gemeinden beteiligte sich daran.
Dass in jenen Tagen ganz Böhmen, Mähren und Schlesien in Aufregung um dieses Denkmal waren, belegen Zahlen: Zur Einweihung des Kudlich-Denkmals im damals etwa 18.000 Einwohner zählenden Teplitz kamen zwischen 20.000 bis 25.000 Zuschauer auf den Wacholderberg, um Kudlich zu feiern, der aus Amerika – wohin er sich in den 1850er Jahren ins Exil gerettet hatte – gerade zur Kur in Karlsbad weilte.
Kudlich konnte so bei etlichen Jubiläumsfeiern zur Bauernbefreiung anwesend sein. Bis zum 13. Oktober 1888 reiste er durchs Land und sprach abschließend in Saaz bei einer weiteren Feier: wenn auch nur zur Denkmal-Grundsteinlegung, so doch immerhin noch einmal vor 20.000 Festteilnehmern, bevor er wieder nach Amerika zurückreiste.
Später entstanden noch viele Kudlich-Denkmäler, in der Ersten Tschechoslowakischen Republik ab 1918 dann vermehrt auch als Ersatz-Denkmäler für abgeschliffene Kaiser-Denkmäler. Das erste Kudlich-Denkmal in Teplitz aber blieb das innovativste.
Hans Kudlich selbst würdigte in seiner Ansprache die Besonderheit, dass es einer Freiheitsidee gewidmet war, die damals ein Novum in der Habsburger Monarchie war. Dabei wird Kudlich an dem Obelisken gar nicht gezeigt, er nicht einmal in der Inschrift genannt.
Dennoch erwartete das Teplitzer Denkmal eine wechselvolle Geschichte: In der direkten Umgebung entstand in den 1970er und 1980er Jahre eine große Plattenbausiedlung. An der Stelle des Denkmals wurde ein noch heute weit sichtbarer Wasserturm errichtet. Der Sandstein-Obelisk wurde zunächst eingelagert. Die Widmungssteine erhielten eine noch stiefmütterlichere Behandlung. Von den 150 blieben nur etwa 80 erhalten. Die übrigen wurden wohl gestohlen und zieren bestimmt noch den ein oder anderen Garten im Umland.
Erst auf Initiative engagierter Denkmalschützer wurde das Denkmal 1991 wieder aufgestellt. Allerdings um etwa 100 Meter versetzt. Die Inschriften-Tafeln wurden zweisprachig, also auch auf Tschechisch, ausgeführt und neu angebracht. Im Laufe der Jahre aber bleichen sie schon wieder aus. Die Gemeindenamen an den übriggebliebenen Widmungssteinen wurden erst kürzlich mit roter Farbe nachgezogen, damit ist die Gravur wieder kenntlich geworden. So bekommt man heute noch eine Ahnung, wie die Gemeindestruktur um Teplitz 1888 ausgesehen haben könnte: der Stein des Kurbad Teplitz ist da, der der Badestadt Schönau aber verlustig gegangen; später eingemeindete Orte wie Neuhof, das zu Wisterschan kam, überleben hier am Kudlich-Denkmal, ebenso Orte, die mittlerweile der Braunkohle geopfert wurden wie das bei Bilin gelegene Hettau.
Dass der Name Kudlich die ursprüngliche Bezeichnung des Aussichtspunktes, den man 1888 noch Wacholderberg nannte, verdrängte, gilt nicht nur für die Jahre bis zur Vertreibung der meisten Deutschen nach 1945. Auch in der kommunistischen Zeit sagte man „Wir gehen zum Kudlich hoch“. Dabei wussten viele Menschen nicht, wer der Kudlich eigentlich gewesen war und was das mit dem Ort da oben über Teplitz-Schönau zu tun hatte. Mit der temporären Entfernung des Obelisken bestand die Gefahr des Vergessens, aber wie der Wegweiser des tschechischen Wandervereins heute deutlich macht: der Aussichtspunkt ist das „Kudlich-Denkmal“ und nicht der höher gelegene und weit in die Landschaft schauende Wasserturm. Und damit haben die heutigen Tschechen ja zweifach auch recht: Denn Kudlich befreite 1848 ja alle Bauern – die deutschen wie die tschechischen. Und gerade im Teplitzer Bezirk gab es davon, trotz starker deutscher Dominanz, ja so einige. Und die historische Existenz der Deutschen in dieser Gegend kann man ja gar nicht leugnen. Zumal eine so wichtige Persönlichkeit wie den Bauernbefreier Hans Kudlich, der ins Exil erst in die Schweiz, dann in die Vereinigten Staaten getrieben, in Österreich 1854 zum Tode verurteilt, 1867 rehabilitiert, aus Hoboken und New Jersey angereist, doch wirklich am Wacholderberg, über Teplitz schauend, stand und das Denkmal für die Bauernbefreiung vor 130 Jahren höchstselbst einweihte.
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