Unsere neue Landesbloggerin Kseniia hat vergangene Woche die Elbe gegen die Moldau getauscht und ist für ein Praktikum in unserer Redaktion von Hamburg nach Prag gezogen. Zwar ist es nicht ihr erster Aufenthalt in der tschechischen Hauptstadt, trotzdem wurde sie nach ihrer Ankunft von einigen Dingen überrascht.
Mehrsprachigkeit bringt Farbe
Bei meinem zweiten Besuch in Prag wollte ich als erstes den Altstädter Ring (Staroměstské náměstí) besuchen, um den wunderschönen Anblick und böhmische Obstknödel mit Erdbeeren zu genießen. Als ich dort ankam, merkte ich gar nicht, dass ich mich in einem tschechischsprachigen Land befinde. Die Menge von Russisch-, Ukrainisch-, Englisch- und Anderssprachigen überwog die tschechischsprachigen Menschen. Natürlich kenne ich die Gründe dafür, zu denen vor allem die Ankunft von Flüchtlingen wegen des Krieges in der Ukraine sowie der Aufenthalt an einem historischen und touristischen Ort gehört, aber der erste Eindruck war dennoch überwältigend. Für mich war es eine Überraschung, da Russisch meine Muttersprache ist, und so konnte ich alles verstehen. Aber da ich in Tschechien war und bereits ein Jahr lang die Sprache gelernt hatte, wollte ich versuchen, Tschechisch zu sprechen. Natürlich beherrsche ich das Tschechische noch nicht perfekt, was die Einheimischen schnell bemerkten. Einige sprachen munter weiter Tschechisch, obwohl sie merkten, dass ich nicht alles verstehe. Andere wechselten sofort zu Englisch oder sogar Russisch, um beispielsweise bei der Orientierung in der Stadt zu helfen oder um sich kennenzulernen. Doch wirkt die Stadt durch dieses bunte Sprachgemisch international und man findet auf jeden Fall eine Sprache, in der man miteinander reden kann.
Die schnellsten Rolltreppen
Noch nie in meinem Leben habe ich so schnelle Rolltreppen gesehen wie hier in Prag. An meinem ersten Arbeitsmorgen gegen 9 Uhr erlebte ich diesen Trubel, der mich sehr beeindruckte und mir für den ganzen Tag Energie gab. Ich stieg aus der Metro, näherte mich der Rolltreppe und versuchte, einen langen Schritt zu machen, um auf die Rolltreppe zu springen. Das hat sogar Spaß gemacht! In der schnellen Rolltreppe spiegelt sich das hohe Tempo des Prager Lebens. Im Vergleich zu meiner derzeitigen Heimatstadt Hamburg, das ebenfalls aktiv und schnell ist, ist die Prager Rolltreppe viel schneller. Aber die Geschwindigkeit der Rolltreppe ist nicht zufällig. Das Prager Metrosystem wurde nach sowjetischem Vorbild errichtet und in der Sowjetunion hatte man sich damals eben noch keine Gedanken über sichere Geschwindigkeiten gemacht. Allerdings ändert sich die Situation heute allmählich. Bis 2030 werden alle schnellen Rolltreppen sowjetischen Typs im Prager Metro-System durch langsamere ersetzt, da sie nicht den EU-Sicherheitsstandards entsprechen. Heute gibt es in Prag zwei Typen bei der Geschwindigkeit der Rolltreppen: die sich schnell bewegende „sowjetische“ Rolltreppe mit 0,90 Meter pro Sekunde und die neuere mit „nur“ 0,5 bis 0,75 Meter pro Sekunde. Aber interessanterweise bewegt sich der Handlauf mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Wenn der Fahrgast nach unten fährt, bewegt sich der Handlauf langsamer als die Stufen, so dass sich der Fahrgast automatisch zurücklehnt. Bei der Fahrt nach oben bewegt sich der Handlauf etwas schneller, sodass sich der Fahrgast nach vorne lehnt. Dies wird zu der Sicherheit der Fahrgäste gemacht, um Stürze zu vermeiden.
Eine Standseilbahn als öffentliches Verkehrsmittel
Als Drittes überraschten mich die Prager öffentlichen Verkehrsmittel. Am zweiten Tag meines Aufenthaltes in Prag wollte ich den berühmten Aussichtsturm Petřín (Petřínská rozhledna), besuchen, der oft mit dem Eiffelturm verglichen wird. Ich fand heraus, dass es zwei Wege gibt, wie man dorthin kommt. Der erste besteht darin, mit dem Bus zu der Haltestelle „Stadion Strahov“ zu fahren und zu Fuß weiter auf den Berg zu gehen. Der zweite besteht darin, mit der Standseilbahn direkt zum Ort zu gelangen. Ich wählte den zweiten Weg, da ich neugierig bin und er mir touristischer und einfacher erschien. Als ich zur Kasse kam, erwartete ich, dass ich ein extra Ticket kaufen müsste. Mir fiel allerdings auf, dass die Fahrt mit der Standseilbahn bereits in meinem Ticket für den öffentlichen Nahverkehr enthalten war. Es stellte sich heraus, dass die Standseilbahn ein echtes öffentliches Verkehrsmittel und nicht nur Unterhaltung für Touristen ist. Ich stellte mir vor, wie ungewohnt und großartig es wäre, auf diese Weise zur Arbeit zu kommen, und das noch dazu ohne Staus und streng im Zeitplan.
Die Route hat drei Stationen und die Fahrt dauert nur vier Minuten. An der Endstation Petřín konnte ich mich über die Geschichte der Standseilbahn informieren. Interessanterweise wurde die Standseilbahn bereits 1891 in Betrieb genommen, aber damals war die Endstation Nebozizek, die heute eine Zwischenstation ist.
Die Standseilbahn: der Ausblick aus dem Wagen. Foto: Kseniia Pulargina
In den ersten drei Tagen erkannte ich, wie gastfreundlich, schnell und herzlich die tschechische Hauptstadt ist. Prag ist wie eine ferne, aber geliebte Großmutter, die ich selten sehe, aber jedes Mal freue ich mich, sie zu treffen.
Hallo, liebe Leserinnen und Leser,
ich heiße Kseniia Pulargina und genieße meinen zweiten Aufenthalt in der Tschechischen Republik. Ich finde dieses Land so spannend und attraktiv und ich wollte schon immer hier wohnen, um mich in die tschechische Atmosphäre einzufühlen. Nun habe ich diese Möglichkeit erhalten, da ich im Rahmen meines Studiums der Osteuropastudien an der Universität Hamburg ein Pflichtpraktikum beim LandesEcho in Prag absolviere. Ursprünglich stamme ich aus der russischen Stadt Samara an der Wolga.
Ich bin sehr aufgeregt wegen dieser Praktikumsstelle und ich freue mich, neue Erfahrungen zu sammeln, Informationen zu recherchieren und meine Ideen mit Ihnen zu teilen. Das ist eine gute Chance, die tschechische Kultur und die deutsche Minderheit kennenzulernen.