Die Hilfsorganisation „Člověk v tísni“ (Menschen in Not) kritisiert die tschechische Regierung für ihre Haltung im Gaza-Krieg. Gemeinsam mit anderen NGOs fordert sie die tschechische Regierung auf, mehr Druck auf Israel auszuüben, den Krieg zu beenden.

Die Hilfsorganisation Člověk v tísni“ (dt. Menschen in Not) wirft der tschechischen Regierung vor, mit ihrer Unterstützung Israels Verstöße gegen das Völkerrecht im Gazastreifen indirekt zu legitimieren. Ohne einen Waffenstillstand könne die humanitäre Katastrophe nicht beendet werden, betont Programmleiter Marek Štys gegenüber tschechischen Medien. Štys sieht in der Außenpolitik Tschechiens eine deutliche Diskrepanz: Während die Regierung die Ukraine im Krieg gegen Russland aktiv unterstütze, werde das Vorgehen Israels in Gaza eher gerechtfertigt. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums und der Vereinten Nationen (UN) starben in Gaza seit Kriegsbeginn im Oktober 2023 über 65.000 Palästinenser durch israelische Vergeltungsschläge, bei den meisten der Opfer handelte es sich um Zivilisten. Ende August riefen die Vereinten Nationen offiziell eine Hungersnot in Gaza-Stadt aus. Laut Štys sei die Situation besonders für Kinder, Schwangere und ältere Menschen dramatisch. Unterernährung gefährde nicht nur das körperliche Wachstum, sondern auch die psychische Entwicklung. Da das Gesundheitswesen in Gaza durch die Angriffe zusammengebrochen sei, könne eine Hungersnot selbst bei ungehindertem Zugang zu Hilfsgütern nur schwer gestoppt werden. „Ohne Waffenstillstand wird keine Form der Hilfe wirksam sein“, so Štys.

NGOs fordern mehr Druck auf Israel

Ende August traf der tschechische Präsident Petr Pavel Vertreter mehrerer Hilfsorganisationen, darunter auch „Člověk v tísni“, um über die humanitäre Notlage in Gaza zu sprechen. Štys zufolge hatten die Gespräche bislang jedoch keinen sichtbaren Einfluss auf die Haltung der tschechischen Regierung. Er fordert, dass Tschechien Israels Vorgehen klarer kritisiert und pauschale Schuldzuweisung an die palästinensische Seite zurückweist. Während Australien, Großbritannien, Frankreich und Kanada den Staat Palästina mittlerweile offiziell anerkennen, hält die tschechische Regierung an einer Zwei-Staaten-Lösung fest. Pavel forderte am Montag am Rande der UN-Generalversammlung in New York, dass Israel seine Pläne zur Eroberung der Stadt Gaza überdenken solle. Der andauernde Krieg könne nach Ansicht des tschechischen Präsidenten nicht länger allein mit dem Ziel der Geiselbefreiung gerechtfertigt werden. Pavel kündigte an, mit der Regierung Fiala über mögliche Wege zu sprechen, Druck auf Israel auszuüben. Das berichtete die tschechische Nachrichtenagentur ČTK.

Nur geringe Spendenbereitschaft in Tschechien

„Člověk v tísni“ arbeitet mit Partnern wie War Child und der Welthungerhilfe zusammen, unterstützt Ernährungszentren und Trinkwassertransporte und bietet psychosoziale Hilfe für Kinder. Wegen der israelischen Blockade übernehmen UNICEF und weitere UN-Akteure die Lieferung der Hilfsgüter. Die Spendenkampagne SOS Gaza brachte bislang 5,5 Millionen Kronen (ca. 200.000 Euro) ein. Das ist deutlich weniger als vergleichbare Hilfsaktionen für die Ukraine. Štys führt dies auf die öffentliche Wahrnehmung des Kriegs und die geringe mediale Aufmerksamkeit in Tschechien zurück. Die Gesellschaft sehe den Gaza-Krieg weiterhin vor allem im Kontext des Hamas-Angriffs, obwohl es sich dabei längst nicht mehr bloß um einen Verteidigungskrieg handle.

Der Gaza-Krieg begann im Oktober 2023 nach einem Angriff der radikalislamischen Terror-Organisation Hamas, worauf Israel eine großangelegte Militäroffensive startete. Inzwischen erklärte Israel, die Stadt Gaza vollständig einnehmen zu wollen. Die Regierung forderte die palästinensischen Einwohner auf, in sogenannte humanitäre Zonen auszuweichen, die jedoch nicht als sicher gelten. Hunderttausende Palästinenser wurden bereits evakuiert. Laut einer UN-Kommission erfüllt Israels Vorgehen vier der fünf Kriterien, die in der Völkermordkonvention festgelegt sind.

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