Unbeachtetes kann sich als wertvoll erweisen und manches hat mehr wert als Geld – davon erzählen die Sagen aus dem Erzgebirge.
Die sonderbaren Sägespäne
Vor vielen Jahren ging ein Weib aus Abertham (Abertamy) in den in der Nähe liegenden Wald, der damals den Mühlberg bedeckte, um Klaubholz zu holen. Im Walde angekommen, stellte sie ihren Korb bei einem Kreuzwege nieder und lief kreuz und quer herum, um die Reiser zusammenzutragen. Als sie zu dem Korb zurückkam, fand sie denselben mit Sägespänen angefüllt. Da sie jedoch ihrer nicht bedurfte, schüttete sie in ihrer Einfalt die Späne aus und legte in den Korb das Klaubholz. Wie war aber das Weib erstaunt, als sie, nach Hause gelangt, den Korb leerte und darin viele Goldstücke fand! Diese waren auf wunderbare Weise aus den Sägespänen, welche an dem Korbrande hängen geblieben waren, entstanden. Mit freudestrahlendem Gesicht eilte das Weib sogleich in den Wald zurück, um die verschmähten Sägespäne aufzuraffen, allein ihr Suchen war vergeblich, denn dieselben waren spurlos verschwunden.
Der versteinerte Kammerwagen
In einem friedlichen Tal bei Neudek (Nejdek) lebte ein Bauersmann still und zufrieden mit seiner Familie; nur seine älteste Tochter, bereits zur blühenden Jungfrau herangewachsen, machte ihm manche Sorge. Sie unterhielt nämlich ein Liebesverhältnis mit einem armen Burschen aus der Umgebung des Dorfes, der als Bergknappe im Schoße der Erde sein Brot verdiente. Schon lange wurde von den Liebenden eine Verbindung angestrebt, allein der Vater versagte die Einwilligung, so sehr auch das Mädchen darum bat. Da beschloss der Knappe, sich noch auf einige Jahre in eine andere Gegend zu wenden, dort fleißig zu arbeiten und nach seiner Rückkehr wieder um die Hand der Geliebten anzuhalten. Diese gelobte ihm beim Abschiede ewige Treue, und dadurch getröstet zog er von dannen.
Anfangs schien der Schmerz des Mädchens über die Entfernung des Geliebten sehr groß; doch nach und nach mäßigte sich die Sehnsucht, und Zeit und Arbeit brachten es dahin, dass sie den Geliebten allmählich vergaß. Da gelang es denn einem andern Dorfburschen ohne Mühe, sich ihre Gegenliebe zu erwerben, und da er reich war, erhielt er auch die Einwilligung des Vaters. Es wurden Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen, und der Tag der Trauung war nicht mehr fern. Da kehrte plötzlich der Bergknappe zurück. Er hatte sich in der Fremde manches erspart und hoffte nun, bald im Besitze des geliebten Mädchens zu sein. Abends, als es schon im Tal zu dämmern begann, ging er an das Haus seiner Geliebten und hoffte sie zu sehen; er sah sie auch – aber in den Armen eines andern. Wie ein Blitzstrahl durchfuhr es seine Glieder, er wollte vorwärts, doch sein Fuß war wie angewurzelt. Einen Fluch zwischen den Zähnen murmelnd, stürzte er hinweg.
Von diesem Tage an war er fahrlässiger in seinen Arbeiten und siechte vor Gram immer mehr dahin. Oft sah man ihn spät abends seine Hütte verlassen und einem Platze zuwandern, welchen selten ein Mensch betrat, da, wie es hieß, die bösen Geister dort ihr Wesen trieben. Hier schloss er nun ein Bündnis mit dem Bösen, um die treulose Geliebte und ihren Bräutigam zu verderben. Acht Tage vor der Hochzeit begab er sich in die Wohnung der Braut. Obschon von seiner Ankunft unterrichtet, erschrak sie doch sehr über sein verstörtes Aussehen. Er dagegen gab sich den Anschein, als wüsste er nichts von ihrer Treulosigkeit. Vor Schreck war sie keines Wortes mächtig; da er hieraus nur zu deutlich sah, dass sie wirklich treulos an ihm gehandelt, kündigte er ihr mit kurzen Worten seine Rache an; er werde mit Hilfe des Teufels alles das, was sie vom Hause aus mit bekäme, verderben, weil es ihr Reichtum war, der ihren Vater von der Einwilligung zur Verbindung mit einem armen Burschen abgehalten hatte. Und auch sie selbst werde den Folgen seiner Rache erliegen, zur Strafe für ihre Treulosigkeit. Und so geschah es.
Die Hochzeit wurde gehalten und das Ehepaar begab sich in die neue Heimat; der hoch bepackte Kammerwagen folgte. Eben passierten sie eine Höhe, von welcher sie die Hütte des Bergknappen erblicken konnten. Da erbebte von einem dumpfen Donner der Boden, der Kammerwagen ward umgestürzt, die Betten und alle sonstigen Geräte lagen am Boden und wurden in demselben Momente zu Stein. Die vor den Wagen gespannten Tiere wurden scheu und stürzten wie wütend den Berg hinab, den Kammerwagen gänzlich zertrümmernd. Die Braut aber warf der Schreck aufs Krankenlager, und dies, sowie die Reue über die begangene Treulosigkeit, brachten ihr einen schnellen Tod. Dieses war nach der Sage die Rache des Bergknappen; er selbst war nach diesem Vorfalle aus der Gegend verschwunden und nie hat man ihn wieder gesehen. Aufgehäufte Steinmassen bezeichnen noch heute die Stelle seiner Rache.
Zusammengetragen von Irene Kunc