Seit über 20 Jahren schafft das Deutsch-Tschechische Jugendforum Begegnungen zwischen jungen Menschen aus Tschechien und Deutschland.
Ende August letzten Jahres machte sich ein Eurocity von Berlin aus auf den Weg nach Prag. Das ist nichts Besonderes, mehrmals am Tag verbinden die blauen Züge die tschechische und deutsche Hauptstadt. Besonders sind diesmal aber die Passagiere. An Bord befindet sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seiner Gattin Elke Büdenbender. Per Zug treten sie einen dreitägigen Staatsbesuch in der Tschechischen Republik an und reisen zusammen mit einer deutsch-tschechischen Delegation. Eingeladen waren Vertreter der deutsch-tschechischen Zivilgesellschaft, u.a. Vertreter von Berufspendlern. Ernste Themen und auch Probleme, wie etwa die Grenzschließungen während der Corona-Pandemie, werden im Speisewagen des Zuges besprochen.
Inmitten der deutsch-tschechischen Reisegruppe sitzen zwei Studierende: Marie Bělohoubková und Felix Häring. Sie vertreten das Deutsch-Tschechische Jugendforum und begleiten das Bundespräsidentenpaar auf ihrem Staatsbesuch. Bei allen Terminen sind sie ganz vorne dabei und können ihre Perspektive einbringen. Sie sprechen mit Steinmeier über die für die deutsch-tschechische Jugend wichtigen Themen: grenzüberschreitende Bildung oder auch die Verbesserung der Verkehrsverbindungen im deutsch-tschechischen Grenzraum. „Es ist ein positives Zeichen, dass man sich auch auf der obersten politischen Ebene für Tschechien und die deutsch-tschechische Zusammenarbeit interessiert und da vor allem für die Jugend“, resümiert Häring später in einem Gespräch mit LandesEcho. Bělohoubková berichtet, dass ihr die Begegnung mit dem Bundespräsidenten und seiner Frau viel Motivation gab, sich weiter in den deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren. Persönlich freute sie sich sehr über eine Einladung nach Bellevue im Herbst letzten Jahres seitens Frau Büdenbenders.
Felix Häring und Marie Bělohoubková im Gespräch mit dem Bundespräsidenten. Foto: Jugendforum
Die junge Perspektive
Das Deutsch-Tschechische Jugendforum ist längst ein anerkannter „Player“, wenn es um die deutsch-tschechischen Beziehungen geht. Die Jugend ist aktiv, sie hat Ideen, bringt sich ein und hat keine Scheu, ihre Positionen und Perspektiven auch gegenüber erfahrenen Politikern zu vertreten. „Unsere Perspektive“ ist schließlich auch das selbstbewusst gewählte Motto der aktuellen Amtszeit, die im Herbst 2021 begann und noch bis Mitte 2023 laufen wird.
Seit seiner Gründung im Jahr 2001 hat sich in der Arbeitsweise des Jugendforums einiges gewandelt. Das ursprüngliche Ziel des Jugendforums war es, einen Raum zu schaffen, in dem sich die jungen Leute über deutsch-tschechische Themen austauschen können. Seit einigen Jahren überwiegt aber der Charakter der Projektarbeit. In mehreren Arbeitsgruppen finden sich die Jugendlichen zusammen und setzen deutsch-tschechische Projekte um. Dazu gehört in der aktuellen Amtszeit u. a. die Gruppe „Na kole, ne fárem – Geschichte erfahren“. Die fünfköpfige Gruppe plant im kommenden Sommer eine Radtour durch das deutsch-tschechische Grenzgebiet, auf der Geschichte „erfahrbar“ werden soll. Dafür hat die Gruppe eine deutsche und eine tschechische historische Persönlichkeit ausgewählt, deren Lebensstationen per Rad abgefahren werden sollen, erklärt Projektmitglied Hung Luong. An den jeweiligen Stationen gibt die Gruppe den Teilnehmenden kurze Inputs. Am Ende will die Gruppe noch ein Reisetagebuch veröffentlichen.
Die Arbeitsgruppe „Na kole, ne fárem – Geschichte erfahren“ plant eine Radtour durch das deutsch-tschechische Grenzgebiet. Foto: Jugendforum
Brücken in schwierigen Zeiten
Solche Initiativen sind es, die wie in diesem Fall nicht nur die gemeinsame deutsch-tschechische Geschichte erfahrbar, sondern auch die deutsch-tschechischen Beziehungen erlebbar machen. Hier werden wichtige Brücken gebaut, die über schwierige Zeiten hinweghelfen können. Eine dieser schwierigen Zeiten war und ist noch immer die Corona-Pandemie. Vor allem die letzte Amtszeit des Jugendforums wurde von der Pandemie auf den Kopf gestellt: Die Jugendlichen konnten sich aufgrund der Grenzschließungen nicht treffen, mühevoll geplante Projekte konnten nicht umgesetzt werden, zumindest nicht in Präsenz. Trotzdem hat es das Jugendforum in den vergangenen beiden Pandemie-Jahren gut geschafft, die Aktivitäten aufrecht zu erhalten. „Wir mussten alle ganz schön kämpfen, um das irgendwie zusammen zu halten. In meiner Arbeitsgruppe hat uns auf jeden Fall geholfen, dass wir unser Projekt ein bisschen beiseitegeschoben und gesagt haben ‚okay, das Projekt läuft jetzt zweitrangig.‘ Dann haben wir uns einfach so online getroffen, um Spiele zu spielen oder um gemeinsam ein Bier zu trinken“, erinnert sich Lena Pierskalla, aktuell eine deutsche Sprecherin des Jugendforums, die auch in der vergangenen Amtszeit dabei war. Mit digitalen Hilfsmitteln zu arbeiten, war für das Jugendforum aber nichts Neues. „Wir sind daran gewöhnt, online zu arbeiten, zu skypen und gemeinsam über Google Drive Dokumente zu teilen“, weiß Eva Brychtová aus dem tschechischen Vorstand des Jugendforums. Daher bedeutete die Pandemie keinen so krassen Einschnitt in die Arbeitsweise des Jugendforums wie in anderen Bereichen.
In die Pandemie-Zeit fiel schließlich auch das 20. Gründungsjubiläum des Jugendforums. Eine „echte“ Feier konnte aufgrund der Pandemie nicht stattfinden. Im letzten Frühjahr veranstaltete das Jugendforum aber vier Online-Diskussionsabende. Ein geplantes, größeres Alumni-Treffen wurde ebenfalls durch die Pandemie verhindert. Ob die Feierlichkeiten in diesem Jahr nachgeholt werden, ist noch unklar.
Klar ist aber, dass das Jugendforum auch in diesem Jahr viele spannende Projekte realisieren und die deutsch-tschechischen Beziehungen mitgestalten wird.
Das Deutsch-Tschechische Jugendforum geht auf eine Initiative zurück, die im Zuge der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 eine aktive Einbindung der Jugend in den deutsch-tschechischen Dialog forderte. 2001 wurde das Deutsch-Tschechische Jugendforum als ein Projekt des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums ins Leben gerufen.
In zweijährigen Amtszeiten gehören dem Jugendforum jeweils 15 deutsche und tschechische Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren an, die sich in Arbeitsgruppen zusammenfinden und gemeinsam Projekte umsetzen. Jeweils zwei deutsche und tschechische Sprecherinnen und Sprecher vertreten das Jugendforum nach außen. Administrative und organisatorische Unterstützung leisten jeweils ein deutscher und tschechischer Koordinator.