Der Heilige Stein in der Wallfahrtskiche Maria Schnee (Svatý Kámen nad Malší). Foto: Wikimedia Commons/ Stefan Lehner (CC BY-SA 3.0 DE)

Ob in Andreasberg, Rehberg oder Bergreichenstein: Der Böhmerwald ist eine wahre Fundgrube für Sagen und Legenden. Und wer weiß schon, wo so mancher Schatz begraben liegt…

Maria Schnee

Wie die traute Gottesfrau mit ihrem Kind auf der Flucht war, kam sie auch in den Böhmerwald. Da rastete sie auf einem Granitfelsen, und der harte Stein wollte ihr ein Liebes tun und schmiegte sich an ihren heiligen Leib an, und heute noch sieht man den steinernen Sessel mit der hohen Lehne und dem Fußschemel stehen auf dem Großen Zwickelberg bei Unterhaid (Dolní Dvořiště). Aber ein Bauer ackerte dort, und wie sein einfältiges Vieh die himmlische Mutter erkannte, wollte es nicht vorüber. Der Bauer fluchte und schlug die Ochsen, das tat der scheuen Frau leid, und sie ging davon und blieb auf einem andern Hügel, dem Kleinen Zwickelberg. Dort wusch sie an einem Brunn dem Gottesbüblein die Windeln und bleichte sie auf der Au, und heute noch bleibt darum auch im härtesten Winter der Fleck um den Brunnen ohne Schnee. Den ganzen Sommer weilte unsere liebe Frau dort und brockte Blumen und Haselnüsse, aber wie es herbstelte, schnalzten die Hirten mit den Peitschen und störten ihrem zärtlichen Kind den Traum. Drum reiste die heilige Maria weiter in eine einsame Gegend bei Reichenau, und dort fanden sie fromme Leute mitten im Schnee auf einem Stein sitzen und bauten ihr die Kirche Heiligenstein.

Der Pater Michael

In Andreasberg (Ondřejov u Kaplice) war einmal ein Pfarrer, und der musste wohl in einer schweren Sünde gestorben sein, weil er im Tod keine Ruhe fand. Im Fürstenzimmer des Pfarrhofes meldete sich nachts sein Geist und ging auf und ab, als ob er eine Predigt auswendig lerne, und seine Schuhe krachten. Der Pater Michael hatte den Verstorbenen gut gekannt, und drum schrieb er ihm zwei Briefe. In dem einen stand, der Geist solle kundtun, was er begehre und wie er erlöst werden könne. Im andern Brief schaffte der Pater ihn von der Welt ab, wenn seiner Seele nimmer zu helfen wäre. Die zwei Briefe legte der Pater abends in das unheimliche Zimmer und sperrte es ab, und nahm den Schlüssel zu sich. In der Frühe war der zweite Brief verschwunden, und es weihte seitdem in dem Fürstenzimmer nimmer an. Das nahm sich der Pater Michael zu Herzen, er wurde ein stiller Mann und schied sich von den Freuden, die die Welt gibt. Als er starb, hielten ihn die Leute für einen Heiligen, und sein Leib verwest nicht, trotzdem, dass er schon hundert Jahre begraben ist.

Todsünden

Bei Rehberg (Srní) neben der Hauswaldkapelle hockte einmal auf einem Baumstumpf ein Bettelweib und hielt Erdbeeren im Schoß. Da kam eine reiche Frau mit ihren Kindern den Steig daher. Die Arme bat sie um ein Bröcklein Brot, es hungere sie sehr. Aber die Reiche tat, als höre sie nichts, und als die Kinder dem Bettelweib ihr Brot schenkten, schalt sie deswegen die Kinder und riss sie im Zorn hinein in die Kapelle. Wie die Frau in ihren feinen Kleidern jetzt vor dem Muttergottesbild stand, da stieg ihr die Hochfahrt und sie prahlte, sie sei viel schöner als die liebe Frau am Altar. Kaum hatte sie so geredet, so wuchs ihr ein Stierkopf auf den Achseln, und sie brüllte und schaute gräulich darein. Ihre Kinder rannten zu Tode erschrocken zur Kapelle hinaus. Draußen sahen sie noch, wie das arme Weib die Beeren aus dem Schoß schüttete und sich in einen Glanz auflöste. Es war die Muttergottes selber gewesen.

Halbscheid!

Bei der Nikolaikirche in Bergreichenstein (Kašperské Hory) ist eine Kammer, drin liegen hundert und noch mehr Totenschädel auf einen Haufen geschüttet. Da kam einmal in stockrabenfinsterer Nacht einer aus böser Ursache zu dem Beinhaus und hörte es drin gar wunderlich rollen und scheppern. Die Neugier trieb ihn, und er hielt das Ohr hin und loste heimlich zu. In der Kammer drin knotzten zwei Jenseitige, sie verteilten die Schädel unter sich, wollten damit Kegel treiben. Der Klügere teilte, er erklenkte einen Schädel und raunte: „Da hab´ ich eine Kugel, und da hast du eine, und weil du eine hast, so nehme ich mir auch eine.“ So hatte er zwei Schädel zwischen den Knien, der andere aber, der Einfältige, hatte nur einen und war betrogen. Und jetzt zahnte der erste mit seinen gelben Zähnen und hub wieder das nämliche Spiel an. „Das Mal fang ich wieder bei mir an. Da hab ich eine Kugel, und da hast du eine, und weil du eine hast, nehme ich mir auch eine.“ Jetzt grauste dem, der da verstohlen lauerte, vor dem Betrüger und vor dem Betrogenen, und er sprang über die Friedhofsmauer davon und traute sich in selbiger Nacht nimmer, das goldene Monstränzel aus der Kirche zu rauben.

Schweigen ist Gold

Wie die Kelchbrüder und Morgensternleute das Kloster Heiligenblut verheerten, schafften drei Mönche die frommen Schätze heimlich weg und vergruben sie am Berge Schwarzkopf (Tscherchow) unter einem breiten Baum in drei Gräbern. Die Mönche wollten sie wieder heben, wenn die Zeiten wieder stiller würden, sie kamen aber nimmer und sind wohl in einem fremden Land gestorben. Also taten sich ein paar verwegene Manneskerle zusammen und wollten das goldene Klostergut gewinnen; einer davon hatte eine rote Kappe auf. Sie gruben fein mäusleinstill und hoben schon eine schwere Truhe aus der Erde, da auf einmal huschte etwas den breiten Baum hinauf und rief: „Der mit der roten Kappe ist mein!“ Der Bursch, den das traf, erschrak und fragte: „Warum denn gerade ich?“ Und hexendi pexendi war die Truhe verschwunden, und die Schatzgräber lagen dort, als ob sie die Gewalt Gottes niedergeschlagen hätte.

Quelle: Die Böhmerwäldler Sagen (Hans Watzlik, 1952)

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