Am Sonntagnachmittag demonstrierten auf dem Prager Altstädter Ring einige hundert Menschen gegen die Corona-Maßnahmen der tschechischen Regierung. Nach dem vorzeitigen Ende der Veranstaltung kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten, darunter vor allem Hooligans, und der Polizei. Es gab mehrere Verletzte und einige Dutzend Festnahmen.
Zu den Protesten in Prag hatten Fußball- und Eishockey-Fanvereine aufgerufen. Als offizielle Veranstalterin trat die „Bewegung der bürgerlichen Unzufriedenheit“ („Hnutí občanské nespokojenosti“) auf, die bereits Ende September eine Protestaktion gegen die Corona-Maßnahmen auf dem Palackého náměstí in Prag organisiert hatte. Die Veranstalter halten die Maßnahmen für „sinnlos“ und kritisieren, dass die Regierung diese ohne triftige Gründe einführen würde.
Die meisten Teilnehmer an der Protestaktion am Sonntag trugen weder Masken noch hielten sie Sicherheitsabstände ein. Etwa 20 Minuten nach Beginn der Veranstaltung riefen die Organisatoren zum Tragen einer Mund-Nasen-Maske auf, woraufhin lautes Pfeifen aus der Menge zu hören war. Viele der Demonstranten, darunter vor allem Hooligans und auch Rechtsextreme, hatten tschechische Fahnen dabei, auch der rechtsextreme Slogan „Tschechien den Tschechen“ war zu hören. Daneben fielen vulgäre Äußerungen in Richtung des tschechischen Gesundheitsministers Roman Prymula, etwa, dass man ihn vergasen solle.
Nachdem auch die für Demonstrationen zulässige Zahl von 500 Teilnehmern überschritten wurde (Beobachter sprechen von bis zu 2.000 Teilnehmern), kamen die Organisatoren der Prager Stadtverwaltung zuvor und erklärten die Veranstaltung vorzeitig für beendet. Als die Polizei die Protestierenden dazu aufrief, den Altstädter Ring zu verlassen, kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Hooligans versuchten, Barrikaden zu durchbrechen und griffen die Polizei mit Feuerwerkskörpern an, die ihrerseits mit Tränengas reagierte und Wasserwerfer einsetzte.
„Nach den ersten Informationen befinden sich vor Ort etwa 20 Verletzte, darunter auch Polizisten. Die Verletzungen sind eher leicht und wurden durch die Handgreiflichkeiten oder auch durch Tränengas verursacht“, so Jana Poštová, die Sprecherin der Prager Rettungskräfte. Laut Angaben der tschechischen Polizei wurden dutzende Personen festgenommen, etwa 50 Personen wurden bereits vor der Demonstration in Gewahrsam genommen, weil sie Pyrotechnik oder Waffen mit sich führten.
Politiker zeigten sich entsetzt über die Geschehnisse in Prag. Innenminister Jan Hamáček lobte das Vorgehen der Polizei. Auch Premierminister Andrej Babiš äußerte sich. „Ich bin schockiert darüber, wie rücksichtslos und egoistisch einige unserer Bürger sind, die sich nicht an staatliche Vorschriften halten und sich selbst und andere gefährden. Ich bin für ihre harte Bestrafung“, teilte der tschechische Regierungschef auf Twitter mit und erinnerte daran, dass die Einsatzkräfte eigentlich dringend für ganz andere Aufgaben, nämlich die Bewältigung der Pandemie, benötigt werden.
Tschechien im Teil-Lockdown
Seit Mittwoch gelten landesweit verschärfte Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Pandemie: Schulen aber auch Restaurants und Bars mussten für knapp drei Wochen komplett schließen, Freizeit- und Profisport müssen pausieren.
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen sowie auch die Zahl der wegen COVID-19 in Krankenhäuern behandelten Menschen in Tschechien ist in den vergangenen Wochen exponentiell angestiegen. Am Freitag wurden über 11.000 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet, am Samstag kamen etwa 8.700 neue Fälle hinzu. Tschechien hat in relativen Zahlen europaweit inzwischen den stärksten Anstieg von Neuinfektionen in den vergangenen 14 Tagen, pro 100.000 Einwohner infizierten sich 828 Menschen. Insgesamt gelten aktuell über 100.000 Menschen als infiziert, das entspricht etwa einem Prozent der gesamten tschechischen Bevölkerung. 1402 Menschen sind in Tschechien seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstorben.
Tschechien bittet EU um humanitäre Hilfe
Aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus befinden sich aktuell 3.519 Menschen im Krankenhaus. Davon nimmt die Erkrankung bei 587 Menschen einen schweren Verlauf und macht etwa eine künstliche Beatmung notwendig. Da die Kapazitäten in den Krankenhäusern voraussichtlich in etwa zwei bis drei Wochen erschöpft sein könnten, errichtet Tschechien aktuell Reserve-Betten und Feldkrankenhäuser, zum Beispiel auf einem Messegelände im Prager Außenbezirk Letňany, wo 500 Reserve-Betten entstehen. Laut Gesundheitsminister Prymula sollen landesweit bis zu 10.000 solcher Reserve-Betten bereitgestellt werden. Daneben hat Tschechien die EU bereits offiziell um humanitäre Hilfe gebeten. Vor allem benötige das Land Beatmungsgeräte, so der Verband der tschechischen Feuerwehren auf Twitter. Die an Tschechien grenzenden Bundesländer Sachsen und Bayern hatten sich schon bereiterklärt, auch Intensivpatienten aus dem Nachbarland aufzunehmen, wenn das nötig werden sollte.