Dieses Jahr mussten die Organisatoren der Tschechisch-Deutschen Kulturtage in Dresden und Aussig (Ústí nad Labem) besonders einfallsreich sein. Dass das Festival trotz Corona überhaupt stattfinden kann, ist schon ein kleines Wunder. Das Programm hat erstaunlich viel zu bieten. Auch die deutsche Minderheit ist dabei.
Die Corona-Pandemie stellte in diesem Jahr die Veranstalter der traditionsreichen Tschechisch-Deutschen Kulturtage vor eine große Herausforderung. Dadurch, dass Tschechien aus deutscher Sicht als Corona-Risikogebiet gilt, mussten einige Programmpunkte abgesagt oder deren Veranstaltungsort geändert werden. Trotzdem wird in der Festival-Kernzeit vom 1. bis 18. Oktober sowie im Programmepilog auch darüber hinaus in der Euroregion Elbe/Labe zu zahlreichen Veranstaltungen auf deutscher und tschechischer Seite eingeladen – nicht nur in Dresden und Aussig, sondern in vielen weiteren Orten an der deutsch-tschechischen Grenze. Alle Veranstaltungen finden aufgrund der Corona-Pandemie jedoch unter Vorbehalt statt.
Am ersten Oktober geht es los
In den Kategorien Klassik, Jazz/Folk, Rock/Pop/Alternative, Film, Theater/Puppenspiel, Literatur, Kunst, Gesellschaft und Lebensart wird ein vielfältiges Programm geboten. Begegnung und Austausch sowie enge Zusammenarbeit und Vernetzung mit den Akteuren der kulturellen Bildung in der gesamten Euroregion stehen dabei besonders im Blickpunkt.
Den Auftakt macht das Eröffnungskonzert mit dem Westböhmischen Sinfonieorchester Marienbad am 1. Oktober im Kaisersaal des Museums in Aussig. Unter der musikalischen Leitung von Marek Štilec werden sinfonische Kompositionen von Hans Krása, Alexander Zemlinsky und Ludwig van Beethoven aufgeführt. Als Solistin tritt die Sopranistin Irena Troupová auf.
Die Sopranistin Irena Troupová. Foto: TDKT
„Unsere Nachbarn unter uns“
Unter diesem Motto wollen die Veranstalter im diesjährigen Programm besonders auf die auf beiden Seiten der Grenze lebenden nationalen Minderheiten, die eine große Rolle im kulturellen Leben spielen und auch historisch-kulturelle Einflüsse ausgeübt haben, aufmerksam machen.
Verschiedene Beispiele in unterschiedlichen Kunstformen zeigen, wie sich die Kulturen dieser Minderheiten – vor allem der jüdischen, deutschen sowie Roma-Minderheit – und die der Mehrheitsgesellschaften gegenseitig beeinflussen, aber auch bewahrt haben. So wird am 2. Oktober auf dem Dresdner Postplatz die Ausstellung „Wir sind hier nicht allein – Geschichte unserer Minderheiten“ eröffnet. Die mobile Ausstellung zeigt Fotografien, Berichte sowie einzigartige Geschichten von zwölf Vertreterinnen und Vertretern verschiedener nationaler und anderer Minderheiten, die in der Tschechischen Republik seit jeher wohnten oder ein neues Zuhause gefunden haben. Dadurch wird den Besuchern ein Einblick in die gelebte Realität dieser Bevölkerungsgruppen gewährt. In Dresden ist die Ausstellung bis zum 7. Oktober zu sehen. Danach kommt sie nach Dippoldiswalde sowie anschließend nach Sebnitz.
Das Festival widmet sich auch der deutschen Minderheit in Tschechien. Am 14. Oktober ist der Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine, Martin Dzingel, in den Parksälen Dippoldiswalde zu Gast.
Der in Deutschland lebenden sorbischen Minderheit ist das Konzert „Unsere sorbischen Nachbarn unter uns“ am 3. Oktober in der Stadtkirche in Frauenstein gewidmet. Das Trio in der Besetzung Clemens Lucke (Orgel), Lilly Koppatsch (Violine) und Stefan Leitner (Trompete) präsentiert Werke renommierter sorbischer Komponisten wie Jurij Winar, Jan Rawp, Jan Paul Nagel, Detlef Kobjela oder Korla Awgust Kocor.
Das Trio in der Besetzung Clemens Lucke (Orgel), Lilly Koppatsch (Violine) und Stefan Leitner (Trompete) präsentiert Werke renommierter sorbischer Komponisten. Foto: TDKT
Ein weiteres Highlight wird zweifelsohne auch die Lesung „Václav Havels Briefe aus dem Gefängnis“ am 16. Oktober im Dresdner Hygiene-Museum sein. Havels Briefe, die er 1980 als politischer Gefangener an seine Frau Olga schrieb, sowie bewegende Zeugnisse von Insassen des Stasi-Gefängnisses in der Bautzner Straße werden zu einer szenisch-musikalischen Lesung verwoben.
„Deutsche und Tschechen halten zusammen“
Ob die Tschechisch-Deutschen Kulturtage in diesem Jahr überhaupt stattfinden können, war in der ersten Jahreshälfte noch völlig unklar. Auch durch die aktuelle Situation steht das jetzige Programm auf wackligen Beinen. Die Veranstalter hielten jedoch bis zuletzt an der Durchführbarkeit des Festivals fest, auch wenn durch die jüngsten Entwicklungen viele Programmpunkte abgesagt werden mussten.
„Oft kann man auf einen alten Spruch stoßen, wonach es bekanntlich eine Zeit zum Lachen und eine Zeit zum Weinen gebe. Im Lichte dessen, was wir – jeder für sich und alle gemeinsam – unlängst durchmachten, aber auch in der Anlehnung an die Tschechisch-Deutschen Kulturtage erlaube ich mir, diesen Spruch etwas zeitgemäßer zu machen: Es gibt eine Zeit zum Pandemiebekämpfen und eine Zeit zum Kulturfestivalgenießen“, so der tschechische Botschafter in Deutschland, Tomáš Kafka, im Vorwort zum Festival-Programm, das Mitte August erschien. „Deutsche und tschechische Nachbarn haben in diesem Jahr wiederholt bewiesen, dass sie zusammenhalten können. Ich halte es für angebracht, dass sie auch miteinander feiern und neue kulturelle Erfahrungen machen können“, so Kafka weiterhin.
Abschlusskonzert am 31. Oktober
Am 31. Oktober werden die Tschechisch-Deutschen Kulturtage – insofern es die epidemiologische Lage bis dahin zulässt – mit einem Konzert der Nordböhmischen Philharmonie Teplitz (Teplice) unter der Leitung von Prof. Ekkehard Klemm in der Dresdner Musikhochschule feierlich zum Abschluss gebracht. Es erklingen Werke von Leoš Janáček, W. A. Mozart, Franz Benda und Antonín Dvořák. Traditionsgemäß präsentieren sich Stipendiaten der Brücke/Most-Stiftung und des DAAD im Rahmen der Kulturtage.
Die nordböhmische Philharmonie Teplitz. Foto: TDKT
Die Tschechisch-Deutschen Kulturtage werden von der Euroregion Elbe/Labe, dem Collegium Bohemicum, der Landeshauptstadt Dresden, dem Generalkonsulat der Tschechischen Republik in Dresden sowie der Brücke/Most-Stiftung veranstaltet.
Aktuelle Informationen zum Programm und eventuelle, kurzfristige Programmänderungen finden Sie auf der Webseite der Tschechisch-Deutschen Kulturtage.