Markus Söder erreicht in Deutschland gerade ungeahnte Beliebtheitswerte für einen bayerischen Ministerpräsidenten, der noch zudem Franke ist. Und das ausgerechnet in einer Zeit, da die Schwesterpartei CDU einen neuen Parteivorsitzenden und mithin Kanzlerkandidat sucht. Da gerät sogar unsere Kolumnistin ins Schwärmen, aber nur unter einer Bedingung.
Wenn es um IHN geht, outen sich im Bayerischen Rundfunk Anrufer von außerhalb des Freistaats neuerdings freiwillig als „Preißn“. Und das mit offenkundigem Bedauern. „Schade, dass ich ihn nicht wählen kann“, heißt es dann aus Thüringen, Hessen oder sogar dem hohen Norden. „So einen wie IHN hätten wir auch gerne als Ministerpräsidenten.“
So einen wie Markus Söder, 53, seit Mitte März oberster Krisenmanager in Sachen Corona. Obwohl in der politischen Diskussion sowohl als „Vorprescher“ (z.B. Ausgangsbeschränkungen, Mundschutz) als auch „Bremser“ (Lockerungen) eingeordnet, sind seine Beliebtheitswerte in ungeahnte Höhen geschnellt. Laut repräsentativen Umfragen von Meinungsforschungsinstituten hat Söder sämtliche Spitzenpolitiker einschließlich der Bundeskanzlerin an Beliebtheit überholt. Er erreiche mehr Zustimmungspunkte als bislang jemals für einen deutschen Politiker gemessen wurden, so das Ergebnis der Umfragen. In Bayern hat er sowieso ein Heimspiel: Wäre jetzt Landtagswahl, käme die CSU dank des Söder-Bonus auf sagenhafte 94 Prozent!
Ein Franke in München
„Sauguat!“, möchte man da ausrufen, oder passender: „Allmächt!“ Denn der Höhenflug ist umso bemerkenswerter, weil der Shooting-Star ein gebürtiger Nürnberger, also ein Franke ist. Zu den unumstößlichen Wahrheiten in Bayern nämlich zählt, dass ein Franke als Ministerpräsident nicht geeignet ist. Wir Franken – ich gehöre auch dazu – gelten den bayerischen Altvorderen seit ewigen Zeiten als aufmüpfig, rückständig, kulturell auf Bratwurst fixiert und weit weg von München, dem Nabel der Welt. Vor Söder gelang es nur einem Franken namens Günther Beckstein den obersten Regenten-Thron zu ersteigen. Bezeichnenderweise musste er bereits nach einem Jahr abdanken.
Ganz anders der Markus. Schon vor Corona zeigte er Kompetenz als Krisenmanager. Damals war’s noch die Klima-Krise, die Söder zum persönlichen Retter aller bayerischen Bienen werden ließ. Damit hat er sich vermutlich warmgelaufen, um bei einem Begriff aus dem Sport zu bleiben, wie ihn der Markus selbst gerne zitiert. Wenn er nun vors Volks tritt mit einer 30 Seiten starken Regierungserklärung, strahlt er vor allem eines aus: Glaubwürdigkeit. „Corona bleibt, Corona schläft nicht. Wir aber auch nicht!“, sagt er zu dem Teil des Volkes vor dem Fernseher, das die Angst vor Ansteckung umtreibt. „Mit Corona leben, heißt vorsichtig leben. In der Ruhe liegt die Kraft“, spricht er zu dem Teil des Volkes vor dem Fernseher, das vom Frust der Einschränkungen geplagt wird. „Beim Kampf gegen Corona ist es aktuell wie in der 80. Minute eines Fußballspiels. Wir dürfen das Spielfeld nicht vorzeitig verlassen“, erklärt er den von Absagen genervten Fans und Feierwütigen. Und legt noch einen Urlaubstipp drauf: „Wer Österreich genießen will, kann das auch in Bayern tun.“
Länger nicht beim Friseur
Das vereinte Volk blickt dabei auf einen Mann, der seit längerer Zeit nicht beim Friseur war. Weiße Haare schimmern durchs unverschnittene Grau. Auf einen Mann, der etwas ungeschickt demonstriert, wie man eine weiß-blaue Alltagsmaske aufsetzt. Der bittet: „Gott schütze unser Land weiter so gut, wie er es bisher getan hat!“ Da steht er, ein Staatsmann, ein Landesvater und doch einer von uns. Und das Volk hat weniger Panik vor Corona, fügt sich in eine weitere Verlängerung der Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen und bastelt sich Mundschutz, wenn auch nicht in weiß-blau. Der Söder wird’s schon richten, so viel ist in diesen ungewissen Zeiten zumindest ein Trost.
Kein Wunder, dass der Markus inzwischen als Kanzlerkandidat der CDU/CSU mit den besten Chancen gehandelt wird. Vorgeschlagen von seinem eigenen Vize, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, Freie Wähler. Der hat das nicht ganz uneigennützig ins Spiel gebracht. Aiwanger verknüpft damit angeblich eigene Ambitionen als potentieller Nachfolger Söders in Bayern. Quasi als neues Traum-Duo: „Der Markus in Berlin, der Hubert in München!“ Im Sinne der unumstößlichen Wahrheiten wäre die politische Ordnung dann auch wieder hergestellt, denn der Hubert ist Niederbayer.
Gottseidank hat der Markus aber abgelehnt. Sein Platz sei in Bayern, versichert er. Wir glauben ihm. Wir möchten ihn nicht hergeben, unseren Markus. Schon gleich gar nicht wir in Franken, denn dank ihm ist München auf einmal gar nicht mehr so weit weg. Dank ihm können wir endlich mal zeigen: Die Franken sind die besseren Bayern! Dafür würden wir uns sogar im Bayerischen Rundfunk outen – als potentielle CSU-Wähler. 94 Prozent – das sollte uns der Markus doch wert sein. Oder sogar 100?