Seit mehr als zwei Wochen ist die Grenze nach Tschechien zu. Doch abseits der Übergänge wechseln Deutsche und Tschechen munter die Seiten. Das kann allerdings sehr teuer werden.
Eigentlich ist die Grenze nach Tschechien schon über zwei Wochen geschlossen. Der öffentliche Verkehr mit Zügen und Bussen steht. Nur noch Ärzte, Krankenschwestern, Pflegepersonal und Mitarbeiter der Rettungsdienste und des Güterverkehrs sowie einige wenige Ausnahmen wie Diplomaten und EU-Parlamentarier werden an wenigen Straßenübergängen durchgelassen. Die meisten kleineren Übergänge wie Bärenstein/Weipert (Vejprty) oder Schöna/Herrnskretschen (Hřensko) im Elbtal sind zu.
Doch viele sind der Meinung, dass zu Fuß abseits der Übergänge etwas geht, wie nicht nur aus Beiträgen in sozialen Netzwerken hervorgeht. Wie Augenzeugen berichteten, tummelten sich vergangenen Samstag Tschechen und Deutsche auch jenseits der Grenze.
Zur Arbeit, zum Einkauf
Den Schritt eben mal kurz rüber wagen aber nicht nur Wanderer. Fast schon regelmäßiger Verkehr über die grüne Grenze ist bei Sebnitz zu beobachten, wie der Bürgermeister des tschechischen Nachbarorts Niedereinsiedel (Dolní Poustevna) Robert Holec berichtet. „Sie kommen über die grüne Grenze und decken sich bei einem der vietnamesischen Händler mit billigen Zigaretten und Alkohol ein.“ Er selbst habe noch keine Deutschen gesehen. „Ich bewege mich nur minimal draußen und arbeite wegen der Corona-Krise von früh bis abends. Aber ich habe schon mehrfach Hinweise aus der Bevölkerung bekommen“, erklärt Holec.
Aber auch umgekehrt herrscht reger Verkehr. Dabei handelt es sich vor allem um Arbeitspendler aus Niedereinsiedel und Umgebung, die im benachbarten Sebnitz arbeiten. Nach den neuen Regeln müssten sie drei Wochen im Nachbarland bleiben. Außerdem wäre der Arbeitsweg unverhältnismäßig lang. Die nächsten offenen Grenzübergänge befinden sich in Neugersdorf/Rumburg (Rumburk) und an der Autobahn Dresden-Prag.
„Auch die sogenannte grüne Grenze ist geschlossen und das kontrollieren wir“, bekräftigt der Sprecher des tschechischen Polizeipräsidiums Ondřej Moravčík. Inzwischen wurden die Einheiten an der Grenze um Mitglieder der Spezialeinheit verstärkt, die sonst große Veranstaltungen absichern. Begleitet werden sie von Zivilbeamten und Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, die das Gelände kennen.
Saftige Strafen
Prompt gingen den Grenzern Personen ins Netz. „Täglich geht es um Dutzende Fälle“, sagt Moravčík. Dabei wird ein Bußgeld fällig, das umgerechnet bis zu 8.000 Euro betragen kann. Bei einem illegalen Grenzübertritt handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Aufgrund des Ausnahmezustands gilt das Krisengesetz. Demnach sind die Bürger verpflichtet, Einschränkungen in Kauf zu nehmen. „Handelt es sich um organisierten illegalen Grenzverkehr, kann das sogar als Straftat gewertet werden mit einem möglichen Freiheitsentzug von bis zu zwei Jahren“, ergänzt Moravčík. Tschechen, die auf diese Weise nach Coronavirus ins Land einschleppen, droht bei weiterer Geltung des Krisengesetzes sogar eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.
Die Polizisten haben aber auch Verständnis für Härtefälle. „Wir stießen auf eine ältere Dame, die an der grünen Grenze der in Deutschland lebenden Tochter ihren Hund zurückgab. Sie half der Tochter beim Hüten. Da haben wir mit der Polizei vereinbart, dass sie das ganz legal am normalen Grenzübergang in der Stadt tun können“, erzählt Feuerwehrführer Martin Červený.
Deutsche zu lasch
Bürgermeister Robert Holec will das Thema eigentlich nicht hochkochen, die Deutschen sind in Niedereinsiedel beliebt. „Aber es ist mir unverständlich, wie man in dieser Zeit die Anordnung ignorieren kann. Die Deutschen, die sich hier bewegen, tragen außerdem keinen Mundschutz. Das ist grob fahrlässig.“ Nicht nur Holec bewertet die Maßnahmen in Deutschland gegen das Coronavirus als weicher und verspäteter als in Tschechien. Zwar herrscht in Deutschland inzwischen auch Ausgangssperre, aber eine Mundschutzpflicht im Gegensatz zu Tschechien nicht.
Da Mundschutz nicht im freien Verkauf erhältlich ist, organisiert der Staat die Verteilung. In Niedereinsiedel kümmert sich Bürgermeister Holec persönlich darum. Die Einzelhändler in seiner Gemeinde hat er aufgerufen, künftig nichts mehr an Deutsche zu verkaufen. „Je strenger wir das hier durchziehen, um so eher herrscht wieder Normalzustand“, meint Holec.