Posted inUnterwegs

Wenn du denkst, es geht nicht mehr… kommt von irgendwo ein Bus daher

Aussicht auf den Großen Arber - Foto: Jana Heenen

Unsere WanderBloggerin weiß, was man tun muss, wenn man vor etwas Angst hat: sich den Ängsten stellen! Die Konfrontationstherapie, die unsere WanderBloggerin im Böhmerwald in Eigenregie durchführte, barg jedoch ungeahnte Komplikationen. Dafür winkte am Ende eine phänomenale Aussicht bis zu den Alpen als Belohnung.

Es gibt etwas, vor dem ich ziemlich Angst habe: Busfahren in Tschechien. Denn die Busfahrten außerhalb der Städte sind eine wahre Herausforderung: Die Busse sind alt und die Busfahrer donnern mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit durch die Landschaft. Die Haltestellen rauschen draußen vorbei und im Bus gibt es weder Durchsagen noch Anzeigen, wo man sich befindet. Schon einige Male bin ich am falschen Ort ausgestiegen. Deshalb sitze ich immer schwitzend im Bus und kann mich kaum an dem Ausblick auf die Natur erfreuen. Und erst das Kurvenfahren… Deshalb vermeide ich das Busfahren, so gut es geht.

Doch momentan gibt es Bus-Ersatzschienenverkehr im Böhmerwald und meine Sehnsucht nach diesen wunderschönen Berggipfeln musste wieder mal gestillt werden. Ich nahm all meinen Mut zusammen und machte mich auf in ein unbekanntes Abenteuer. Zunächst lief es noch einigermaßen gut, ich konnte mit dem Zug aus Pilsen fahren. In Neuern (Nýrsko) war dann Ende: Wir mussten alle in die Ersatzbusse. Panisch lief ich die Busse ab und kam beim letzten an, in dem noch Platz war. Ein altes Monstrum mit engen Sitzen. Ich atmete tief durch und nahm Platz. Dieser Bus wurde unfassbar voll. Wir fuhren knatternd und schwankend los.Der Böhmerwald mit seinen höchsten Gipfeln - Foto: Jana Heenen

Die böhmischen Hügel zogen an uns vorbei und ich schaute schon ängstlich aus dem Fenster, wann denn mein Ziel endlich kommen würde. Es kam nicht. Denn der Bus schaffte die Höhenmeter nicht, er gluckerte laut und im hinteren Bus riefen die Leute, dass es draußen brennen würde. Der Motor verstummte, es stank und wir flohen entsetzt nach draußen auf die Straße. Es war klar, dass dieser Bus nicht mehr fahrtüchtig war. Ich schaute auf mein Handy und beschloss, die Route zu ändern. Alles hat einen Grund. Wenn ich nicht dort ankommen sollte, was ich geplant hatte, dann musste ich umorganisieren.

Ich nahm den kürzesten Weg durch den Wald, bis ich im nächsten Ort, Eisenstraß (Hojsova Stráž), ankam. Dort bewunderte ich die erste Astronomische Uhr des Böhmerwaldes (Šumavský orloj), die der in Prag in keiner Weise nachstehen muss. Weiter ging es durch Wald und Wiesen hinauf zum Brückel (Můstek, 1 235 m), dem höchsten Gipfel des Panzerrückens. Von dort oben bietet sich eine geniale Aussicht: auf alle bekannten Größen des Böhmerwaldes und sogar bis zu den Alpen. Erst entgegenkommende Wanderer, die mit mir dort oben Mittagspause machten, erinnerten mich an die dramatischen Ereignisse von der Hinreise. Sie fragten mich nach meiner Route und ich erzählte ihnen von der Busfahrt. Und sie riefen mitleidig: „Ach, Sie waren in diesem letzten Bus! Wir sind in einem der vorderen gefahren.“Astronomische Uhr - Foto: Jana Heenen

Und mir wurde bewusst, dass noch die Rückfahrt bevorstand. Schweren Herzens verließ ich den Panzerrücken und lief zur nächsten Bushaltestelle an einer Landstraße. Ich war die einzige Wartende und mit jeder Minute wuchs meine Angst. Dann brauste der Ersatzbus heran. Vorsichtig lächelte ich den Busfahrer an, doch der fuhr ignorant an mir vorbei! Für einige Minuten stand ich dort, erstarrt. War das ein Film? Fast kamen mir die Tränen und ich fragte mich verzweifelt, ob ich je aus diesem Wald herauskommen würde. Ich musste ins nächste Dorf. Wie in Trance lief ich los und da hörte ich hinter mir einen lauten Motor. Ein zweiter Ersatzbus! Ohne weiter zu überlegen rannte ich ihm entgegen – und er hielt! Erschöpft stieg ich ein und überbrachte dem Busfahrer keuchend mein Danke. Als ich erklärte, dass der erste Bus nicht angehalten hatte, schüttelte der Busfahrer ungläubig den Kopf. Er meinte beruhigend, dass ich mich doch einfach setzen sollte und schenkte mir ein väterliches Lächeln. Und ich sage es Ihnen: Ab diesem Moment war meine Angst geheilt!

Streckendaten:

Startpunkt: Landstraße irgendwo bei Hojsova Stráž

Distanz: 12 km

Höhenmeter: 415 m

Laufzeit: 4 h

Wegpunkte: Hojsova Stráž, Nad Silnicí, Můstek, Habr, Pod Můstkem

Anreise: mit dem Zug und Ersatzbus 🙂


WanderBloggerin Jana Heenen - Foto: Jana HeenenWanderBloggerin JANA HEENEN:

Das Leben ist eine Reise, auch für mich. Mein Name ist Jana, ich komme aus der Nähe von Krefeld in Westdeutschland und arbeite seit einiger Zeit in Pilsen (Plzeň) für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch. Um Tschechien und seine Landschaft(en) kennenzulernen, begebe ich mich so oft wie möglich auf Wandertouren, beobachte die Natur, fotografiere, notiere und bewerte die Ausflugsziele. Gern ziehe ich mit anderen Naturfreunden los, um von ihnen zu lernen und mich mit ihnen über das Leben zu unterhalten. Wenn man geht, dann kann man besser nachdenken und kommt zu neuen Ideen! Ich möchte Sie nun gern daran teilhaben lassen und stelle dafür regelmäßig meine Wanderungen vor.

Sie sind herzlich eingeladen, Vorschläge zu machen, was es in Tschechien noch zu entdecken gibt! Diese können Sie gern an redaktion@landesecho.cz senden. Ich freue mich!


EINLADUNG

Liebe Leserinnen und Leser,
wir möchten Sie herzlich zu unserer allerersten LandesEcho-Wandertour einladen! Unser Redakteur Manuel Rommel und unsere WanderBloggerin Jana Heenen nehmen Sie mit auf einen Ausflug nach Český kras bei Beraun (Beroun) am 23.11.2019. Es erwarten Sie Schlösser, Ruinen, Steinbrüche und natürlich schöne Natur. Wollten Sie schon immer wissen, welcher Kaffee in der LandesEcho-Redaktion getrunken wird und welche Ausrüstung Jana stets bei sich hat? Dann melden Sie sich bis zum 15.11.2019 an unter redaktion@landesecho.cz mit einer kurzen Begründung, warum wir ausgerechnet Sie mitnehmen sollen! Die Plätze sind begrenzt. Weitere Informationen, wie zum genauen Treffpunkt, erhalten Sie nach der Anmeldung.

Es freuen sich auf Sie Manuel und Jana!

Details zur Strecke:
Startpunkt: Králův Dvůr
Distanz: 16 km
Höhenmeter: 332 m
Laufzeit: 4,5 h
 

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.

Weitere Artikel in dieser Kategorie


Schloss Schönhof - Foto: Jana Heenen

Wann ist eine Wanderung eine Wanderung?

Unsere WanderBloggerin stellt sich schon lange eine Frage: Ab wann spricht man von einer Wanderung und nicht mehr von einem Spaziergang? Mögliche Hypothesen für die Beantwortung dieser philosophischen Frage testete sie am Schlösschen Schönhof zwischen Pilsen und Saaz. Schon lange quäle ich mich mit einer elementaren Frage, die ich bislang nicht zufriedenstellend beantworten konnte: Wann […]
Die dreitägige Schienenkreuzfahrt im August 2013 führte die Teilnehmer durch den Karlsbader Bezirk und u.a. nach Petschau - Foto: Frank Barteld

Hallo Nachbarn, Greiz ruft Euch!

Der Verein „Dialog mit Böhmen“ wurde 2005 in der ehemaligen thüringischen Residenzstadt Greiz gegründet und setzt sich für einen grenzüberschreitenden Dialog zwischen Thüringen, Sachsen und Böhmen ein. Der Verein „Dialog mit Böhmen“ – ein über die Jahre gewachsener Partner „Alle fuhren nach Bayern, niemanden interessierten die benachbarten tschechischen Regionen der ehemaligen DDR wie hier bei […]
Aussicht von Starý Herštejn - Foto: Jana Heenen

Ein Stück Nordsee in Tschechien

Diesmal folgte unsere WanderBloggerin nicht dem eigenen Wanderinstinkt, sondern der Empfehlung eines LandesEcho-Lesers und erkundete den Oberpfälzer Wald. Durch diesen verläuft eine ganz besondere Grenze. Außerdem laden wir Sie zur ersten LandesEcho-Wandertour ein. Auf die hier beschriebene Wanderung begab ich mich auf Empfehlung einer meiner Leser, der mir aus Nordrhein-Westfalen schrieb und mich in die […]