Das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg hat viele schockiert, obwohl das Erstarken der AfD absehbar war. Dagegen haben die amtierenden Parteien die Chance die Regierungen wenn auch mit einem dritten Partner fortzuführen. Dass diese Chance auch genutzt wird, ist noch lange nicht sicher und die eigentliche Herausforderung. Am Ende wird nur zählen, ob die AfD für Wähler weniger attraktiv wird.
Die beiden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg standen unter besonderer Beobachtung. Hier wie dort schien möglich, dass die AfD erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland wird. Zu den Bundestagswahlen vor zwei Jahren war ihr dies in Sachsen schon gelungen. Dass es diesmal anders gelaufen ist, hat mehrere Gründe. Erstens sind Landtagswahlen keine Bundestagswahlen, die Themen immer etwas anders. Zweitens setzte sich der Trend fort, der sich schon bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt zeigte. Im Zweifel vereinen sich die Wähler hinter populären Ministerpräsidentinnen, egal welcher Partei sie angehören. Diesmal waren dies Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg und Michael Kretzschmer (CDU) in Sachsen. Wobei letzterer nach seiner überraschenden Amtsübernahme vor fast zwei Jahren als frische Kraft sicherlich das Ruder herumgerissen hat. Das Wahlergebnis von über 32 Prozent war auch Kretzschmers ganz persönlicher Erfolg.
Doch dieses taktische Wahlverhalten hat auch schmerzliche Nebenwirkungen. Die anderen Parteien verloren teils dramatisch. Dabei werden sie ja für die Regierungsbildung gebraucht. Das hat zur Folge, dass nur noch Dreierbündnisse möglich sind. Für Brandenburg ist das nicht neu und es funktioniert auch schon in anderen Bundesländern. In Sachsen dagegen ist es vor allem für die erfolgsverwöhnte CDU gewöhnungsbedürftig.
Das etablierte Parteienspektrum und ihre Anhänger konnten sich in der Vergangenheit nach solchen Wahlen meist trösten, dass ja die übergroße Mehrheit „demokratisch“ gewählt habe. Diesmal waren solche Stimmen nur noch vereinzelt zu hören. Zu tief sitzt der Schock über das starke Abschneiden der AfD. Und inzwischen ist klar, dass diese Feststellung keinesfalls ein Trost ist, nicht einmal ein schwacher. Denn die AfD-Wählerschaft hält sich selbst auch für demokratisch. Und die nun entstehenden All-Parteien-Koalitionen, die eher der Not, denn inhaltlicher Übereinstimmung geschuldet sind, spielen den AfD-Strategen mit ihrer permanenten Opfer- und Verschwörungsrhetorik in die Hände.
Am Wahlabend hatten gleich mehrere Spitzenpolitiker festgestellt, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehe. Auch wenn jeder damit etwas anderes meinte, ist das im Kern richtig. Diese Wahlen waren womöglich ein allerletztes Warnsignal. Wie viele braucht es eigentlich noch? Denn die AfD ist keinesfalls mehr eine Protestpartei. In Sachsen hatten laut Sächsischer Zeitung nur 28 Prozent der AfD-Wähler erklärt, dies aus Protest getan zu haben. Nein, die AfD ist dabei, sich festzusetzen. Und die Wähler von der AfD zurückzugewinnen, ist inzwischen ungleich schwerer als noch vor fünf Jahren. Doch die Chancen, dies zu tun, wurden bisher sträflich vernachlässigt.
Dabei gibt es erste Anzeichen der Veränderung. Sowohl Dietmar Woidke in Brandenburg, als auch Michael Kretzschmer haben offenbar schon vor der Wahl beschlossen, dass es so nicht mehr weitergehe. Vor allem letzterer tourte unermüdlich durch sein Land. Zuhören, Erklären aber auch Gegenhalten waren seine wichtigsten Tätigkeiten. Wieder in Vorhand kommen, sich nicht die Themen diktieren lassen, sondern sie selbst bestimmen, Probleme erkennen und sie auch lösen. Das ist das, was die Menschen von einer Regierung erwarten.
Vor allem aber muss sich der Umgang mit der AfD und ihren Wählern ändern. So schmerzlich diese Erkenntnis für einige sein mag: Zwischen der Partei und ihren Wählern gilt es zu unterscheiden. Die AfD ist nicht nur eine rechtspopulistische, sondern in weiten Teilen auch rechtsextreme und damit antidemokratische Partei. Dass dies viele Wähler leichtfertig akzeptieren, ist schmerzlich. Doch nur die inhaltliche Auseinandersetzung wird zeigen, dass die AfD keine Lösungen für die Menschen zu bieten ist, sondern auf negative, populistische und sogar menschenverachtende Emotionen setzt. Zugleich können sich selbstbewusste demokratische Parteien auch darauf zu verlassen, dass die AfD zu ihrer Demontage auch selbst beitragen wird.
Um das zu erreichen, müssen Selbstverständlichkeiten wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte womöglich wieder öfter und lauter betont werden. Erst recht aber brauchen die Parteien einen klaren inneren Kompass. Am ehesten haben ihn die Grünen. Für die SPD heißt es, überhaupt wieder eine Führung zu finden, die den Menschen glaubhaft erklärt, wofür sie eigentlich steht. Auch für die CDU ist der Profilierungsprozess längst nicht abgeschlossen, hat die Nach-Merkel-Ära noch nicht begonnen. Das muss schnell geschehen. Denn die Menschen haben die Selbstbeschäftigung längst satt. Sie erwarten, dass CDU und SPD ihrem Verständnis als Volksparteien wieder gerecht werden. Dass das mittelfristig Auswirkungen auch auf den Bund haben wird, liegt auf der Hand.
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