"Die Rakete" - Zeitschrift für Raumfahrt, herausgegeben vom Verein für Raumschifffahrt in Breslau - Foto: Wikimedia Commons

Die moderne Raumfahrt nahm einst im schlesischen Breslau ihren Anfang. Dort wurde 1927 der weltweit erste Raumfahrtverein gegründet. Die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Breslau erinnert nun mit einer Veranstaltung an diese Geschichte.

10-9-8-7… Gebannt sitzt die Welt am 20. Juli 1969 vor den Bildschirmen und hält den Atem an. Schließlich erhebt sich die Saturn-V-Rakete gen Himmel und kurze Zeit später hinterlässt Neil Armstrong seinen berühmten Fußabdruck im staubigen Boden des Erdtrabanten. Doch der allererste Schritt auf dem Weg zum Mond wurde bereits 42 Jahre früher im Hinterzimmer einer schlesischen Gaststätte getan. Im damaligen Wirtshaus zum goldnen Zepter“ in der Schmiedebrücke 22 (heute: Kuźnicza 22) in Breslau (Wrocław) gründete eine Gruppe begeisterter Raketenpioniere um Johannes Winkler und Max Valier im Oktober 1927 den weltweit ersten „Verein zur Raumschiffahrt“.Der Verein für Raumschiffahrt wurde 1927 im Wirtshaus "Zum Goldenen Zepter" gegründet. An der Stelle befindet sich heute in einem Neubau die Anglistik der Breslauer Universität - Foto: Wratislaviae Amici

Erster Verein für Raumfahrt weltweit

Der Raumfahrtgedanke hatte zu Beginn der 1920er Jahre an Fahrt aufgenommen. Einen wesentlichen Anteil daran hatte Hermann Oberth. 1923 erschien sein Werk „Die Rakete zu den Planetenräumen“, das lange als Standardwerk der Raketentechnik galt. Max Valier, Astronom und Science-Fiction-Autor, war begeistert und gab inspiriert von Oberths Werk eine allgemeinverständliche Abhandlung zur Raumfahrt heraus. Um das Wissen und die Forschung zur Raumfahrt zu bündeln und den Raumfahrtgedanken zu verbreiten, gründete er in Breslau 1927 schließlich den ersten Raumfahrtverein weltweit. Dieser setzte sich zum Ziel, Geldmittel zu sammeln und die technischen Grundlagen der Raketenforschung voranzutreiben, um einen Raketenstart ins Weltall zu ermöglichen. Zur Verbreitung des Raumfahrtgedankens gab der Verein außerdem eine Fachzeitschrift heraus: „Die Rakete“. Damit wurde Breslau zu einem Anlauf- und Sammelpunkt für Raketenforscher, Raumfahrtpionieren und überzeugten Utopisten, die von einem Flug zum Mond träumten.

Unheilige Allianzen

Um die Forschungen vorantreiben zu können, war der Verein für Raumschiffahrt ständig auf der Suche nach Investoren. Valier wandte sich zunächst erfolglos an zahlreiche Unternehmen und Verbände, bevor er in Fritz von Opel einen finanzkräftigen Förderer gewann. Fritz von Opel war aber nicht wirklich an der Raketenforschung interessiert und sah die Zusammenarbeit eher als Marketingzweck für sein Unternehmen, deswegen kam es schnell zum Bruch. Auch die Herausgabe der „Rakete“ musste 1929 aufgrund von Geldmangel eingestellt werden. Hermann Oberth übernahm nun den Vorsitz des Vereins, der schon bald von Breslau nach Berlin umzog. Dort stand ab 1930 in Berlin-Tegel ein eigenes Gelände für Raketentests zur Verfügung.

Im Rahmen einer Luftfahrtwoche im Berliner Kaufhaus Wertheim stieß schließlich auch Wernher von Braun, der spätere „Vater“ des Apollo-Programms der NASA, als Student zum Verein für Raumschiffahrt. Weiterhin auf der Suche nach Geldgebern kam es schon bald zu ersten Kontakten zur Reichswehr, die ein Interesse an der Raketenforschung zeigte. Als eine der wenigen Bereiche fiel diese nicht unter die Restriktionen des Versailler Vertrages und so konnte Wernher von Braun die Militärs für die Sache des Vereins gewinnen. Die Nationalsozialisten hatten ab 1933 jedoch ganz eigene Pläne. 1934 wurde der Verein für Raumschiffahrt aufgelöst und viele der Wissenschaftler wechselten zu den von den Nazis betriebenen Entwicklungseinrichtungen in Kummersdorf und später in Peenemünde. Dort arbeitete von Braun ab 1937 als technischer Direktor in der Heeresversuchsanstalt an der Großrakete Aggregat 4, von den Nazis nach den Angriffen auf London Vergeltungswaffe 2 (V2) genannt. Bei der massenhaften Fertigung der V2 sollen bis zu 20 000 Zwangsarbeiter ums Leben gekommen sein, der Einsatz der Waffe forderte bis zu 8 000 Opfer. Nach dem Krieg arbeitete von Braun für die Amerikaner, ab 1959 offiziell für die NASA, an deren Apollo-Programm er maßgeblichen Anteil hatte.Wernher von Braun im Marshall Space Flight Center, 1964 - Foto: Wikimedia Commons

 „Aus Breslau zum Mond – Raumfahrt früher und heute“

Zurück in Breslau: Hier bemüht sich die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) darum, die Erinnerung an die Anfänge der Raumfahrt in Breslau aufrecht zu erhalten. Am 7. Februar befasst sich die von ifa-Kulturmanagerin Daria Leduck organisierte Veranstaltung „Aus Breslau zum Mond – Raumfahrt früher und heute“ mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Raumfahrt in Breslau und vermittelt nebenbei (deutsche) Lokalgeschichte. Eine Ausstellung zeigt die frühen Anfänge der Raumfahrt in Breslau und eine Breslauer Ingenieurin berichtet über die weltweiten Entwicklungen in der Raumfahrt und Breslaus derzeitige Errungenschaften auf diesem Gebiet. Schließlich stellt der Berliner Autor Wolf Kampmann sein neues literarisches Projekt „Rakete“ vor. Dieser geplante Roman soll von den frühen Anfängen der Raumfahrt handeln und die Geschichte des Breslauer Vereins für Raumschiffahrt erzählen.

Das Thema Raumfahrt ist hochaktuell: Bis 2024 möchte die NASA wieder Menschen zum Mond schicken, um von dort einen Flug zum Mars vorzubereiten. Ähnliche Pläne gibt es in China und Indien. Auch private Unternehmen wie SpaceX haben das ökonomische Potenzial des Weltalls erkannt und ringen um Einfluss. Der Wettlauf um den Mars hat schon längst begonnen.

Mehr Infos zu der Veranstaltung auf der Webseite des Instituts für Auslandsbeziehungen.

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