Foto: Anti-Zeman-Schild am Nationalfeiertag 2014 - Bild: LE/tra

Ich bin, obwohl ich mittlerweile fast nur noch für Zeitungen  schreibe, eigentlich ein gelernter Radio-Mensch. Lange Zeiten in meinem Arbeitsleben habe ich hinter dem Mikrofon verbracht. Daher rührt meine besondere Zuneigung zu diesem Medium, die sich bis heute erhalten hat.

 

 

Glücklicherweise haben wir in diesem Land mit dem öffentlich-rechtlichen Český rozhlas eine wunderbare Hörfunkstation, deren Programme ich sehr viel höre, weil mir das Gewinn, sprich wirklich neue Erkenntnisse, bringt. Dort arbeiten Kollegen, die ich sehr schätze. Meine Radio-Ikone seit Jahr und Tag ist der Kommentator und Analyst Petr Nováček. Ich mag es, dass er gern auch mal ohne Manuskript ins Studio geht, weil ich weiß, dass er seine Analyse im klugen Kopf hat. Und es stört mich auch nicht, wenn er sich manchmal mit seinen vielen Gedanken etwas verheddert und den Moderatoren, die auf die Uhr schauen müssen, Schweißperlen auf die Stirn zaubert, weil er nicht zum Ende findet. Er kann nunmal zu jedem Thema drei Stunden ohne Manuskript reden.

Da ich am Mittag des 1. Januar wegen des alkoholischen Silvester-Angriffs auf meine gemeinhin standfeste Leber noch nicht wieder ansprechbar war, schaltete ich erst zwei Tage später in den „Arbeits-Modus“ und hörte mir auf Radio Plus die Archivausgabe des Radioforums vom Neujahrstag an. Das hatte gleich zwei Gründe: Erstens war der von mir so hoch geschätzte Petr Nováček dort Studiogast. Und eingeladen hatte ihn zweitens meine Lieblings-Moderatorin des Senders, Helena Šulcová. Das Thema hatte in gewisser Weise Präsident Miloš Zeman mit den Worten aus seiner Weihnachtsansprache vorgegeben, wonach die Zeit der „schlechten Laune“ in der Tschechischen Republik vorbei sei. Zeman hatte einen Begriff gewählt, den 1997 Präsident Václav Havel benutzt hatte, um in seiner bis heute unvergessenen Rede im Rudolfinum eine Art Abrechnung mit der Ära Klaus zu zelebrieren.

Mehrheit statt Mut

Aber wie das so ist beim amtierenden Präsidenten: Seine Bonmots – für die er sich gern der Zitate größerer Staatsmänner der Vergangenheit bedient – treffen häufig nur zur Hälfte. Wirtschaftlich – und damit auch sozial – mag es mit der „schlechten Laune“ vorbei sein. Politisch ist es das nicht. Das machten auch Hörer deutlich, die der Sendung am Neujahrstag live zugeschaltet waren. Die störte vor allem am Durchbruch zur „guten Laune“ der Präsident selbst. Eine Hörerin bekannte, dass sie Schwarzenberg gewählt und sich nicht getäuscht habe. Zeman sei nicht ihrer Kragenweite, er äußere sich nicht würdig genug, wie das einem Staatsmann zukomme. Ein Hörer kaprizierte sich vor allem auf das Flüchtlingsthema und nannte den Präsidenten „extrem xenophob“. Repräsentativ kann man diese beiden Hörer nicht nennen, wenn man den Umfragen glauben darf, in denen Zeman mehrheitlich Unterstützung genießt. Und vermutlich richtet sich der Präsident in all seinen Aussagen vor allem nach dem Stand der Umfragen. Das ist klug, wenn auch nicht sonderlich mutig. Mutig wäre er, wenn er den Tschechen sagen würde, dass dieses Land nicht nur für sie da sei. Wie Europa nicht nur für die Europäer da ist. Aber der Präsident wird hierzulande nicht für seinen Mut gewählt, zumal wenn das Volk mehrheitlich selbst vor Angst erstarrt, wenn es in der winterlichen Sonne seinen eigenen dunklen Schatten sieht und erschrocken meint, dass hinter ihm schon lauter „Neger“ stünden.

Ob Zeman wohl neuerlich antreten werde, fragte die Moderatorin im Verlauf der Sendung. Nováček sagte, er würde ihm das nicht empfehlen. Aber er fürchte, Zeman werde es tun. Schon allein deshalb, weil er von Leuten auf der Burg umgeben sei, die sich nichts sehnlicher wünschten, als genau das. Schließlich würden sie das Leben im Rampenlicht gern so lang wie es geht auskosten.

Kandidatensuche

Freilich muss man auch die Frage nach der Alternative stellen. Joachim Gauck ist Präsident in Deutschland. Andrej Kiska in der Slowakei, auch wenn ihn sich viele Tschechen namentlich auf Facebook als Präsidenten auch für Tschechien wünschen würden. Einer Kandidatur des einstigen Burgherren Václav Klaus mochten weder Nováček noch andere zugeschaltete Hörer nichts, aber auch gar nichts Positives abgewinnen. 

Wer also soll es richten, wenn Zeman womöglich doch nicht mehr will? Die Sendung musste die Frage ebenso nicht beantworten wie ich hier an dieser Stelle. Noch ist viel Zeit bis zur nächsten Präsidentenwahl. Vielleicht findet sich jemand, den heute noch kaum jemand kennt. Kiska war ein Jahr vor der slowakischen Präsidentenwahl auch ein völlig Unbekannter. Vielleicht heißt von den Slowaken lernen, siegen lernen?

 

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