Noch nicht erwähnt in unserer „Lückenschluss“-Serie wurde der frühere Eisenbahngrenzübergang am Erzgebirgskamm zwischen Krima-Neudorf (Křimov) und Reitzenhain der einstigen Bahnlinie von Komotau (Chomutov) nach Marienberg und Flöha. Nun gibt es einen aktuellen Anlass.
Im Juli startete die schnelle Linie Komotau – Marienberg
Im Mai 1875 ging die Strecke von Flöha bis Marienberg in Betrieb, der Abschnitt bis Reitzenhain folgte im Juli des Jahres. Von böhmischer Seite aus hatte die Buschtěhrader Eisenbahn den Bahnbau bewerkstelligt. Bis 1945 trennten sich in Krima-Neudorf (Křimov) die Linien-Äste nach Reitzenhain – Marienberg und Weipert – Cranzahl (LE 3/2020). Während letzterer heute noch betrieben wird, kam mit dem Kriegsende für die Passage via Reitzenhain das Aus: Der grenzüberschreitende Verkehr wurde eingestellt und auf beiden Seiten auch nicht mehr vorgesehen. Spätestens als in den 1970er Jahren eine Straßenbrücke an Stelle des Eisenbahnbauwerks über den Grenzbach errichtet wurde, war an einen Lückenschluss per Schiene nicht mehr zu denken. Im Oktober 1978 endete der Personenzugverkehr von Marienberg nach Reitzenhain und im Januar 1994 auch der Güterverkehr; der Streckenabschnitt wurde schließlich Ende 1998 stillgelegt. Mittlerweile hatte auch hier der Bau neuer Straßen völlig veränderte Verhältnisse geschaffen, nochmals befördert durch den EU-Beitritt Tschechiens und weggefallene Grenzkontrollen.
Bahn: Stilllegung – „Rückbau“ – Neuaufbau
Parallel zur vorzüglich ausgebauten Fahrbahn, die kürzeste Reisezeiten von bzw. nach Komotau ermöglicht, eroberte sich dann die Natur über die Jahre hinweg die Bahntrasse zurück, Bäume wuchsen zwischen den Schwellen mitten im Gleis. Endlich, 2012, beschloss die Stadt Marienberg, dieses Bahn-Biotop zu erwerben. Nach Ausbau allen alten Eisens sollte nun ein Rad- und Wanderweg die Ortsteile Gebirge, Gelobtland und Reitzenhain miteinander verbinden. Doch auch der von Flöha über Pockau-Lengefeld nach Marienberg führende Streckenteil hatte erheblich gelitten – zuerst durch mangelnde Instandhaltung und dann durch verheerende Hochwasser in den Jahren 1999 und 2002.
Nur vier Jahre neuer Zugverkehr
Nur für vier Jahre kam der Reisezug wieder bis nach Marienberg. Nach nun einem Jahrzehnt „Pause“ keimt neue Hoffnung (2007). Foto: Frank Barteld
Schließlich rollten ab September 2006 wieder erste Personenzüge, moderne Triebwagen, nach Marienberg. Der damalige Mittlere Erzgebirgskreis hatte für montags bis freitags je vier Zugpaare bestellt, für den Schülerverkehr. Ein Jahr später blieb nur noch ein morgendlicher Schülerzug, dafür kam am Wochenende bzw. feiertags die touristisch gedachte Verbindung mit täglich vier Zügen in jede Richtung. Dieses Angebot endete 2011. Mittlerweile gibt es nur noch sporadischen Güterzugbetrieb von/zum Bundeswehr-Standort Marienberg. Und erneut ist auch der Nahverkehr auf dieser Schiene in Blick geraten, will sich doch der Freistaat Sachsen gezielt an den deutschlandweit geforderten Streckenreaktivierungen beteiligen. Eine Studie aus dem Vorjahr plädiert für vier neue Haltepunkte zwischen Pockau-Lengefeld und Marienberg bei Wegfall zwei bisheriger. Die beiden Bürgermeister setzen sich für eine baldige Wiederinbetriebnahme ein, vor allem beim kommunalen Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS). Dieser legte gar schon mal vor, und zwar in die entgegengesetzte Richtung an der einst nach Böhmen führenden Bahnachse.
Marienberg: Statt Personenzug gelegentlich Militärtransporte (2008). Foto: Jürgen Barteld
Attraktives Angebot: bequem, flott, günstig
Seit dem 18. Juli 2020 verbindet die Buslinie 588 die Bergstadt Marienberg auf direktem Weg mit Komotau, betrieben wird sie vom Verkehrsunternehmen Autobusy Karlovy Vary im Auftrag des Bezirks Aussig (Ústí nad Labem). Den sächsischen Anteil finanziert der VMS mit maximal 92 000 Euro. Dessen Geschäftsführer Harald Neuhaus sagt: „Die neue Linie ist nicht nur ein Mehrwert für die sächsischen Anlieger, sondern zeigt auch die gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Kommunalverwaltungen sowie den beteiligten Verkehrsunternehmen.“ Erzgebirgskreis-Landrat Frank Vogel freut sich vor allem über das weitere Zusammenwachsen beider Regionen über die Grenze hinweg: „Nachdem der UNESCO-Welterbetitel als internationales Zeugnis für unsere gemeinsamen Wurzeln steht, verbindet nun auch diese Buslinie die Nachbarn dauerhaft.“ Das klingt tatsächlich nach Verpflichtung und nicht nur saisonaler Aktion. Denn die neue Buslinie schließt eine seit langer Zeit bestehende Lücke im grenzüberschreitenden Nahverkehr.
Vertreter von VMS, Verkehrsunternehmen, Landratsamt und Stadt Marienberg. 3. v.r.: Landrat Frank Vogel. Foto: VMS/Susann Brumm
Bis zu fünf Mal am Tag pendelt der markante tschechische Bus zwischen Komotau und Marienberg bei einer Fahrzeit von jeweils 48 Minuten. In den Monaten Juli und August fährt der Bus mit Fahrradanhänger (20 Plätze), während der Triebwagen des neuen Betreibers „Die Länderbahn“ der Zugverbindung Komotau – Cranzahl bestenfalls fünf Radstellplätze bietet. Die Bus-Fahrgäste erhalten Fahrscheine bequem beim Busfahrer, dabei kann sowohl mit Kronen als auch in Euro (Gesamtstrecke 50 Kč bzw. 5,30 €) bezahlt werden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen. Doch derselbe sich nun kundenfreundlich-praktisch gebende VMS vermochte es all die Jahre nicht, eine solch unkomplizierte Zahlweise bei entsprechender Tarifgestaltung auf seiner Bahnlinie Zwickau – Johanngeorgenstadt (- Karlsbad) für die Grenzübergangs-Reisenden einzuführen bzw. gegenüber dem Betreiber DB-Erzgebirgsbahn durchzusetzen. Aber die Hauptsache ist, dass das neue Angebot gut angenommen wird und es die Besucher aus dem Böhmischen es zu einer neuen Erfahrung im doppelten Sinne des Wortes führt. Womöglich auch bald ab Marienberg auf dem Schienenweg ins sächsische Erzgebirgsvorland.