Drei Außenminister, ein Balkon, 25 Jahre - Foto: tra

Zwei Balkone spielten in der deutschen Geschichte eine besonders tragende Rolle. Am 9. November 1918 verkündete Philipp Scheidemann von einem Balkon des Berliner Reichstages die Abdankung des Kaisers und damit das Ende der Monarchie. Darauf folgten die turbulenten Jahre der Weimarer Republik, die Machtergreifung der Nationalsozialisten, der Zweite Weltkrieg und die Teilung Deutschlands durch die Siegermächte. Es dauerte über 40 Jahre, bis der Druck der DDR-Bevölkerung die Wiedervereinigung möglich machte. Vor 25 Jahren, am 30. September 1989, trat Hans-Dietrich Genscher, damals Bundesaußenminister, auf den Balkon der Deutschen Botschaft in Prag und verkündete den fast 4 000 DDR-Flüchtlingen im Garten: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise möglich geworden ist“.

 

 

 

Zum Jubiläum besuchte Genscher die Botschaft nun erneut und traf sich mit ehemaligen Flüchtlingen, damaligen Kollegen und heutigen Politikern. Der 87-Jährige, der selbst bereits 1952 die DDR verlassen hatte, dankte den Ostdeutschen für ihren Einsatz für eine friedliche Wiedervereinigung und mahnte, man dürfe auch heute die Errungenschaften des freien und demokratischen Europa nicht für selbstverständlich halten. Die Revolutionen, die den Eisernen Vorhang zu Fall brachten, seien auch Verpflichtung zum Schutz Europas vor spaltenden Tendenzen und Populismus.

Rudolf Seiters, der 1989 als frischgebackener Kanzleramtschef Helmut Kohls die Geschehnisse nicht nur in Prag, sondern auch in Warschau und in Ungarn miterlebt hatte, fügte hinzu, man müsse die Erinnerung an diese Zeit auch in den Schulen lebendig halten. Da seien aber auch die Eltern gefordert.

Die Emotionen des Augenblicks, als Genschers Rede im Jubel derer unterzugehen drohte, die wochenlang in der Botschaft ausgeharrt hatten, waren greifbar, als ein zuvor noch nie gezeigter Film aus dem Herbst 1989 vorgeführt wurde. Den anwesenden Flüchtlingen von damals standen auch ein Vierteljahrhundert danach wieder Tränen in den Augen, als die Ereignisse des 30. September 1989 noch einmal rekapituliert wurden. Noch lange nach der Podiumsdiskussion, die von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich eröffnet worden war, konnte Hans-Dietrich Genscher den Saal nicht verlassen. Er war umringt von Menschen, die ihm persönlich für seine Rolle bei den Verhandlungen mit der DDR-Führung und mit dem Politbüro in Moskau danken und natürlich auch noch ein Selfie mit ihm ergattern wollten.

Auch der jetzige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier besuchte zu diesem Jubiläum die tschechische Hauptstadt. Zusammen mit seinem Amtsvorgänger Genscher, seinem tschechischen Amtskollegen Lubomír Zaorálek und Ministerpräsident Tillich erinnerte auch er an den langen Weg, den Deutschland seit 1989 gegangen ist. Im Garten der Botschaft traf er dann auf Jugendliche und Zeitzeugen.

Vor dem berühmten Balkon, den heute eine Tafel mit Genschers wohl bekanntestem Satz ziert, standen vor 25 Jahren Zelte des Roten Kreuzes, in denen die Flüchtlinge mit dem Nötigsten versorgt wurden. Vertreter des Roten Kreuzes waren auch 2014 eingeladen und feierten das Jubiläum mit den Anwesenden. Die Zelte im Garten der Botschaft am Fuße der Prager Burg waren diesmal der Präsentation des Bundeslandes Sachsen gewidmet, boten Wein, Sekt und Dresdner Stollen und zeigten damit eindrucksvoll, wie weit Deutschland seit 1989 gekommen ist.

Hans-Dietrich Genscher bedankte sich für die Einladung zum 25. Jubiläum übrigens mit der Ankündigung, auch beim 30. wieder in Prag dabei sein zu wollen. Die Einladung dazu ist sicherlich schon unterwegs.

 

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