Am 13. Januar 1946 gründete sich die Ackermann-Gemeinde. Bereits unmittelbar nach der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei engagierte sie sich konsequent für eine Heilung der deutsch-tschechischen Beziehungen, und setzt das bis heute fort.

Siebeneinhalb Jahrzehnte Tätigkeit sind heute, in Zeiten von Verbandsmüdigkeit, Individualisierung und sozialer Medien, nicht selbstverständlich. Aber die Ackermann-Gemeinde hat sich, als eine von sudetendeutschen Katholiken gegründete Organisation, stets ihrer christlichen Wurzeln verbunden gefühlt und angesichts historischer Veränderungen, wie dem Fall des Eisernen Vorhangs, ihr Tätigkeitsprofil verändert, geschärft und erweitert. Mit der Quintessenz, dass Repräsentanten der Ackermann-Gemeinde heute gefragte Gesprächspartner kirchlicher, staatlicher und politischer Einrichtungen in deutsch-tschechischen Fragen sind.

Der Ackermann aus Böhmen

Das Gründungsdatum steht in Verbindung mit der besonders auch für Sudetendeutsche wichtigen und traditionsreichen Marienwallfahrt nach Philippsdorf (Filipov), die jährlich am 13. Januar stattfindet. An diesem Tag im Jahr 1946 kamen katholische Vertriebene aus Böhmen, Mähren und Schlesien – Priester und Laien – trotz der unmittelbar zuvor erlittenen Vertreibung aus der Heimat in München zusammen und gründeten die Ackermann-Gemeinde.

Das Ereignis der Marienerscheinung in Philippsdorf im Jahr 1866 war ein Motiv für die Verbandsgründung. Am 13. Januar 1866, morgens um vier Uhr, hatte die todkranke Magdalena Kade eine Vision. Die Muttergottes erschien ihr und sprach: „Kind, von jetzt an heilt’s.“ Kade wurde gesund und starb erst im Jahr 1905, nachdem sie, bescheiden und zurückgezogen lebend, Alten und Kranken gedient hatte. Exakt 80 Jahre später nahmen die Gründungsväter und -mütter der Ackermann-Gemeinde diesen Ausspruch quasi zur Losung ihrer Initiative.

Namensgeber war das literarische Werk „Der Ackermann und der Tod“ von Johannes von Tepl. Dabei handelt es sich um ein Streitgespräch zwischen einem Bauern und dem Tod, den er wegen des Todes seiner Frau verklagt. Am Ende schlichtet Gott selbst den Streit. Er erkennt das Recht des Ackermanns, sein Leid zu klagen, an, aber auch das Recht des Todes, die Erkenntnis auszusprechen, dass alles Leben sterben muss, ohne jedoch dafür eine moralische Begründung zu liefern. Dem anklagenden Ackermann gebühre die Ehre, dem Tode aber der Sieg. Das letzte Kapitel ist ein hymnisches Gebet des „Ackermanns“ für die Seele seiner verstorbenen Frau mit einem Lobpreis Gottes.

Brücken nach Tschechien

Vor diesem Hintergrund, fundiert im christlichen Glauben und der katholischen Soziallehre sind die Ackermänner und -frauen (bis heute) bestrebt, Wunden aus der Geschichte zu heilen bzw. Geschichte aufzuarbeiten, auf Missachtung von Menschenwürde und Menschenrechten in der Gegenwart aufmerksam zu machen, Brücken nach Tschechien zu schlagen und so einen Beitrag zum Frieden und zur Versöhnung mit dem östlichen Nachbarn sowie zur europäischen Einigung insgesamt zu leisten. In den 1950er bis 1980er Jahren geschah dies in erster Linie durch Bildungsarbeit, aber auch im kirchlich-religiösen Rahmen durch Wallfahrten und Einkehrtage. Soweit während des Kalten Krieges möglich, wurden auch Studienreisen in die Tschechoslowakei organisiert, wo auch – bisweilen unter schwierigen Bedingungen – Gespräche mit Vertretern der dortigen katholischen Kirche möglich waren. Auf geheimen Wegen, oftmals im Gepäck versteckt, wurde dabei religiöse Literatur geschmuggelt. Speziell für die Unterstützung der katholischen Kirche in Böhmen und Mähren ist bis zum heutigen Tag das Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde tätig.

Mit der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei im November 1989 und dem Fall der kommunistischen Regierung wie auch des Eisernen Vorhangs änderten sich auf einen Schlag die Rahmenbedingungen und damit auch die Verbandsarbeit. Seit 1991 gibt es für die kontinuierliche Gestaltung der Dialog- und Begegnungsarbeit eine eigene Arbeitsstelle in Prag, die Monsignore Anton Otte leitet. Seit 1992 findet in Iglau (Jihlava) bzw. seit 2007 in Brünn (Brno) ein multinationales Symposium mit Deutschen, Tschechen, Slowaken, Österreichern und Ungarn statt, bei dem Fragen der gemeinsamen Geschichte ebenso diskutiert werden wie Ansatzpunkte der Zukunftsgestaltung. Die Ackermann-Gemeinde beteiligt sich in Tschechien an zentralen Veranstaltungen wie dem jährlichen Versöhnungsmarsch in Brünn und organisiert länderübergreifende Wallfahrten wie etwa im Mai 2019 nach Mariazell in Österreich mit Pilgern aus Deutschland, Tschechien, Ungarn, Kroatien, Österreich und der Slowakei. Inzwischen gibt es in Tschechien seit 1999 auch eine Schwesterorganisation, die „Sdružení Ackermann-Gemeinde“. Verbandsmitglieder sind schon lange nicht mehr nur Menschen mit Wurzeln in den böhmischen Ländern.

Eine Feier bzw. ein Gedenken direkt am Tag des Jubiläums ist wegen der Corona-Pandemie nicht möglich, doch eine Jubiläumsvotivkerze wird am 13. Januar in Philippsdorf entzündet. Angedacht sind – soweit es die Rahmenbedingungen erlauben – am 6./7. August 2021 Veranstaltungen in Prag: ein Happening auf der Moldau sowie ein deutsch-tschechisches Picknick mit Dialog, Kultur und Begegnung auf dem Vyšehrad.

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