Es gibt immer mehr binationale Paare in Europa. Immerhin 1,5 Millionen sind es laut Statistischem Bundesamt in Deutschland. Viele von ihnen stellen sich irgendwann die Frage: In welcher Sprache erziehen wir unsere Kinder? Mehrsprachigkeit ist dabei eine Möglichkeit und Chance.

Hier in Zentraleuropa wird es als etwas Besonderes angesehen, mit zwei (bilingual) oder vielleicht sogar mehr Sprachen (multilingual) erzogen worden zu sein. In vielen Teilen der Welt ist es aber normal, mit verschiedenen Sprachen parallel aufzuwachsen. Zum Beispiel wird in Afrika oft im privaten Umfeld die indigene afrikanische Sprache gesprochen. Als Folge der Kolonialisierungen ist die Amtssprache aber oft Französisch oder Englisch, der Unterricht in der Schule findet also in dieser Sprache statt. Eltern in der westlichen Welt, die sich dazu entschieden haben ihr Kind oder ihre Kinder nicht nur in einer Sprache zu erziehen, stoßen dagegen noch oft auf Unverständnis.

Bilingualität als Entscheidung

In Internetforen, in denen sich Eltern bilingual erzogener Kinder austauschen, kommen sie oft auf die ihnen entgegengebrachten Vorwürfe zu sprechen. So werden sie beispielsweise bezichtigt, das Kind zu überlasten. Andere aus dem Umfeld der Eltern befürchten, das Kind könne weder die eine noch die andere Sprache richtig sprechen lernen. Als Indiz dafür wird gewertet, dass einige bilinguale Kleinkinder anfangs die Sprachen miteinander vermischen. Diese Befürchtungen können sich noch erhärten, wenn das Kind nicht nur bilingual aufwächst, sondern auch noch eine weitere Sprache dazu kommt. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Familie in einem Land lebt, dessen Umgangssprache nicht den Muttersprachen der Eltern entspricht.

Wissenschaftler aber verteidigen die multilinguale Erziehung. Viele Langzeitstudien gibt es zugegebenermaßen noch nicht, dafür ist das Forschungsfeld zu jung. Aber insbesondere Kinder, die mit sehr unterschiedlichen Sprachen, wie etwas Deutsch und Chinesisch aufwachsen, haben es später leichter, weitere Sprachen zu lernen. So fand es eine Neuropsychologische Studie der York-University in Kanada heraus. Die Sprachentwicklung selbst verläuft auch nur bis zu einem gewissen Punkt etwas langsamer, als bei einsprachig (monolingual) erzogenen Kindern. Auch der Vorwurf, die Kinder hätten einen zu geringen Wortschatz, ist nicht gerechtfertigt. Die Kinder haben sogar einen größeren Wortschatz als ihre monolingualen Altersgenossen, nur verteilt er sich auf zwei oder mehr Sprachen.

Im Vergleich zu gleichaltrigen, einsprachig aufgewachsenen Kindern, können bi- und multilinguale Kinder ihr Denken und Handeln zielgerichteter steuern. Das haben Forscher der Universität Hamburg herausgefunden. Gerade in neuen Situationen kommen sie damit schneller an ihr Ziel. Häufig wird auch angebracht, man würde Sprachstörungen bei Kindern, die von klein an mehrere Sprachen lernen, nicht rechtzeitig erkennen oder sogar erzeugen. Aber auch hier gibt es schon Studien, die keine signifikanten Unterschiede zwischen den Erziehungsmethoden aufzeigen, so zum Beispiel vom Deutschen Bundesverband der akademischen Sprachtherapeuten.

Erziehung nach Plan

Die handelsüblichen Eltern-Ratgeber sind sich bei mehrsprachiger Erziehung in einem Punkt einig: Einige wenige Stunden in der Woche sind zum Erlernen einer Sprache nicht ausreichend. Gibt es also im Kindergarten einen Sprachkurs, der nur ein- oder zweimal wöchentlich angeboten wird, ist eine langfristige Wirkung auf die Kinder fragwürdig.

Am besten solle man Sprachen möglichst gleichwertig behandeln. Selbst dann kommt es jedoch oft vor, dass das Kind eine dominante Sprache entwickelt. Bei bilingualen Kindern ist das die Sprache des Landes, in dem es aufwächst. Außerdem sollten die Elternteile darauf achten, ihre eigene Muttersprache zu sprechen. So lassen sich Wortschatz, Grammatik und Aussprache am besten übermitteln.

Möchte man sein Kind bilingual erziehen, sollte man damit möglichst früh anfangen. Denn in jungen Jahren ist unser Gehirn noch plastischer, also leichter veränderbar. Von ‚simultanem‘ Lernen spricht man dabei dann, wenn das Kind bereits innerhalb der ersten drei Lebensjahre an die Zweitsprache herangeführt wird. Erfolgt dies ab dem dritten Lebensjahr, nennt man das ‚sukzessiv‘.

Lehr- und Lernkonzepte

Eine Möglichkeit des Spracherwerbs kann über das Immersionskonzept ablaufen. Hierbei spricht immer jeweils eine Person eine festgelegte Sprache mit dem Kind. Eine weitere Variante kann es sein, den Tag in Phasen zu unterteilen, in denen man dann mal die eine oder andere Sprache spricht. Ähnlich kann man es auf Räume oder Tätigkeiten anwenden. So gibt es beispielsweise in Dänemark einen Kindergarten, in dem das komplette Programm auf Deutsch abläuft. Nur außerhalb des Kindergartens sprechen die Kinder dann Dänisch.

Außerhalb der Familie gibt es inzwischen einige multilinguale Kindergärten, in denen die Kinder die verschiedenen Sprachen – oder zumindest eine weitere Sprache – lernen können. Forscher betonen, dass es für die Kinder wichtig ist zu sehen, dass nicht nur eine Person diese Sprache spricht. Sonst kann es zur Sprachverweigerung kommen.


Diese Artikelserie widmet sich der bilingualen deutsch-tschechischen Erziehung. In weiteren Folgen werden Erfahrungen des bilingualen Kindergartens Kids-Company in Prag vorgestellt, es kommen Leiter und Schüler der Deutschen Schule Prag zu Wort und ebenso ein Erwachsener, der bilingual aufgewachsen ist.

Mehr Informationen zu deutsch-tschechischen Kindergärten und Schulen in Tschechien finden sich auf der Website des Goethe-Instituts Prag. Dort finden sich auch Lernmaterialien für das kindergerechte Deutschlernen.

Auf der Website „Frühe Mehrsprachigkeit an Kitas und Schulen“ kann man sich über multilinguale Angebote in Deutschland erkundigen.

Auf der Plattform isuu.com hat man kostenlosen Zugang zu der Zeitschrift „Krajánek“, die extra für tschechisch erzogene Kinder im Ausland erstellt wird.

Die Zeitschriften „vitamin de“ und „Freundschaft“ beschäftigen sich mit der Vermittlung der deutschen Sprache und auch das LandesEcho hat nun in seiner Druckausgabe eine Deutschlernseite.


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Besser können die deutsch-tschechischen Beziehungen kaum werden, betonen Politiker und Diplomaten immer wieder. Auf der zwischenmenschlichen Ebene sind die Beziehungen zur Nachbarschaft aber längst nicht nur besser, sondern bestens. Bilingual aufwachsende Kinder gehören dazu.

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