Die deutsche Minderheit in Tschechien hat eine neue Führung. Bei der Herbsttagung der Landesversammlung der deutschen Vereine in Prag wurde der 64-jährige Betriebswirtschaftler Richard Neugebauer aus Jägerndorf zum neuen Präsidenten gewählt. Er tritt die Nachfolge von Martin Herbert Dzingel an, der das Amt 15 Jahre lang innehatte – und damit eine Ära prägte.

Nach 15 Jahren an der Spitze übergibt Martin Herbert Dzingel die Führung der deutschen Minderheit in Tschechien in neue Hände und leitet damit den größten Umbruch der Landesversammlung seit ihrer Gründung im Jahr 1992 ein. Turnusmäßig fanden nach drei Jahren im Rahmen der Herbsttagung der Landesversammlung (LV) am Samstag, dem 8. November 2025, in Prag erneut Wahlen zum Präsidium statt. Neben einigen neuen Gesichtern in dem siebenköpfigen Gremium steht mit Richard Neugebauer nun ein neuer Präsident an der Spitze des Dachverbands der deutschen Minderheit. Auffällig war, dass sich unter den diesjährigen Anwesenden im Prager Haus der nationalen Minderheiten (Dům národnostních menšin) viele neue und vor allem junge Gesichter befanden.

Am Samstag, den 8. November 2025, kam die Landesversammlung der deutschen Vereine zu ihrer Herbsttagung zusammen. Auf dem Programm stand diesmal auch wieder die Wahl eines neuen Präsidiums sowie eines Präsidenten.
Am Samstag, den 8. November 2025, kam die Landesversammlung der deutschen Vereine zu ihrer Herbsttagung zusammen. Auf dem Programm stand diesmal auch wieder die Wahl eines neuen Präsidiums sowie eines Präsidenten. Credit: LandesEcho/ Manuel Rommel

Eine Ära geht zu Ende

Der bisherige LV-Präsident Martin Herbert Dzingel war zwar für die Wahl ins Präsidium, jedoch nicht erneut für das Amt des Präsidenten angetreten. Damit geht eine Ära zu Ende: Seit 2010 stand Dzingel an der Spitze der Landesversammlung und repräsentierte die deutsche Minderheit in Tschechien auf nationaler wie internationaler Ebene. Er bleibt jedoch weiterhin Geschäftsführer der Landesversammlung und wird seinem Nachfolger im Präsidium beratend zur Seite stehen.

„Es ist gut für einen Verein, wenn auch mal jemand Neues das Ruder übernimmt“, erklärte Dzingel seine Nicht-Kandidatur. Damit stand die Landesversammlung an diesem Samstag vor einer der wohl spannendsten Tagungen ihrer 33-jährigen Verbandsgeschichte. Seine Entscheidung begründete Dzingel auch damit, dass er seinen Kritikern zeigen wolle, er herrsche nicht „wie ein Kaiser“ über die deutsche Minderheit. Bereits bei der letzten Herbsttagung mit Wahlen vor drei Jahren war intensiv darüber diskutiert worden, ob es sinnvoll sei, die Ämter des Geschäftsführers und des Präsidenten künftig auf zwei Personen zu verteilen.

In seiner Rede nutzte Dzingel die Gelegenheit, ein Fazit seiner 15-jährigen Amtszeit zu ziehen, und erinnerte an große Projekte und Erfolge der vergangenen Jahre. Dazu zählt zum einen die Einrichtung eines Förderprogramms zur Restaurierung deutscher Gräber, das noch bis Ende 2025 ausgeschrieben werden soll. Zum anderen erwähnte er die Anhebung der Schutzstufe für die deutsche Sprache in acht Kreisen im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die die Tschechische Republik im Februar 2024 beschlossen hatte. Künftig wolle sich Dzingel verstärkt der Umsetzung der Charta-Maßnahmen sowie den Themen Bildung und Sprache widmen. „Wir haben es geschafft, ein gutes Niveau zu erreichen – was unsere Stellung in der Gesellschaft und in der Politik angeht –, aber das ist auch Ihr Verdienst“, sagte Dzingel an die Vertreter der Vereine gerichtet.

Martin Herbert Dzingel war seit 2010 Präsident der Landesversammlung. Geschäftsführer des Dachverbands der deutschen Minderheit in Tschechien bleibt er weiterhin.
Martin Herbert Dzingel war seit 2010 Präsident der Landesversammlung. Geschäftsführer des Dachverbands der deutschen Minderheit in Tschechien bleibt er weiterhin. Credit: LandesEcho/ Manuel Rommel

Rückblick auf Projekte 2025

Den beiden Wahlgängen ging zunächst das übliche Programm der Herbsttagung voraus: Martin Herbert Dzingel berichtete für das Büro der Landesversammlung über die im Jahr 2025 durchgeführten Projekte. Als besonders gelungen hob er das internationale Sommercamp für Jugendliche der deutschen Minderheiten aus Mittel-, Ost- und Südeuropa sowie Zentralasien hervor, das in diesem Jahr im tschechischen Schatzlar (Žacléř) stattfand, ebenso wie die kulturelle Großveranstaltung in Reichenberg (Liberec) im vergangenen Oktober.

Seit dem Sommer 2025 erhält die Landesversammlung zudem personelle Unterstützung durch Projektkoordinatorin Anna Harris, die sich auf der Herbsttagung als neue Ansprechpartnerin für die Vereine vorstellte. Auch die regionalen Vereine der deutschen Minderheit nutzten die Gelegenheit, über vergangene und geplante Projekte zu berichten. Es folgten die einzelnen Berichte der bisherigen Präsidiumsmitglieder und schließlich deren Entlastung.

Präsidium mit neuen Gesichtern

Nach der Mittagspause wurde die Herbsttagung mit der Wahl des Präsidiums fortgesetzt. Insgesamt zehn Kandidatinnen und Kandidaten traten zur Wahl an, von denen am Ende sieben von den 34 Delegierten gewählt wurden. Über die meisten Stimmen – jeweils 31 – durften sich Martin Herbert Dzingel und Petra Laurin freuen. Letztere leitet den Verein der Deutschen in Nordböhmen in Reichenberg (Liberec) sowie das Haus der deutsch-tschechischen Verständigung in Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou). Es folgte Richard Neugebauer vom Schlesisch-Deutschen Verein in Troppau (Opava) mit 30 Stimmen. Neu im Präsidium vertreten ist Mojmír Jeřábek vom Deutschen Kulturverein Region Brünn (Brno), der 27 Stimmen erhielt. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2022 hatte der Germanist und Bohemist zuletzt das Tschechische Zentrum in Wien geleitet. Weiterhin im Präsidium vertreten ist Štěpánka Šichová vom Verein für deutsch-tschechische Verständigung Trautenau – Riesengebirge (26 Stimmen). Mit 20 Stimmen konnte Richard Šulko vom Bund der Deutschen in Böhmen seine Mitgliedschaft im Präsidium verteidigen. Ebenfalls 20 Stimmen erhielt der Oberschullehrer Roman Klinger vom Bund der Deutschen in Nordböhmen, der neu ins Präsidium gezogen ist. Günther Krumpak vom Verband der Deutschen in Prag und Mittelböhmen und Petr Stiborský vom Schlesisch-Deutschen Verein in Troppau verfehlten den Einzug ins Präsidium (jeweils 18 Stimmen), während das bisherige Präsidiumsmitglied Milan Neužil vom Deutschen Kulturverein Region Brünn nicht wiedergewählt wurde (16 Stimmen).

Das neue Präsidium der Landesversammlung: Richard Šulko, Richard Neugebauer. Petra Laurin, Štěpánka Šichová, Mojmír Jeřábek, Martin Herbert Dzingel und Roman Klinger (v.l.n.r.).
Das neue Präsidium der Landesversammlung: Richard Šulko, Richard Neugebauer, Petra Laurin, Štěpánka Šichová, Mojmír Jeřábek, Martin Herbert Dzingel und Roman Klinger (v.l.n.r.). Credit: LandesEcho/ Manuel Rommel

Richard Neugebauer zum neuen LV-Präsidenten gewählt

Als größere Herausforderung erwies sich die Wahl des neuen LV-Präsidenten. Von den sieben frisch gewählten Präsidiumsmitgliedern erklärte sich zunächst niemand bereit, zu kandidieren. Richard Neugebauer, der zuvor von mehreren Vereinen vorgeschlagen worden war und als Favorit für die Nachfolge galt, lehnte eine Kandidatur zunächst entschieden ab. Er habe in den vergangenen Monaten viel darüber nachgedacht, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass er für das Präsidentenamt nicht geeignet sei. Zudem müsste er im Falle einer Wahl die Vereinsführung in Troppau abgeben.

Daraufhin bat Neugebauer Martin Herbert Dzingel, erneut für das Amt zu kandidieren – dieser lehnte jedoch weiterhin ab. Auch Petra Laurin, Štěpánka Šichová, Mojmír Jeřábek und Roman Klinger erklärten, aufgrund anderer Verpflichtungen nicht zur Verfügung zu stehen. Richard Šulko lehnte eine Nominierung ebenfalls ab und verwies auf sein eher schwaches Wahlergebnis bei der Präsidiumswahl. Nach längerer, ergebnisloser Diskussion wurde die Versammlung schließlich für etwa zehn Minuten unterbrochen.

Nach der Pause erklärte Neugebauer, dass er die Nominierung annehme, kündigte jedoch zugleich an, das Amt nur für ein Jahr ausüben zu wollen. In dieser Zeit solle ein langfristiger Nachfolger gefunden werden. Bei der anschließenden Abstimmung erhielt er mit 29 Stimmen ein solides Ergebnis. „Ich betrachte meine Wahl als Übergangslösung“, so der 64-jährige Betriebswirtschaftler, der auch die gemeinnützige Wirtschaftsstiftung der deutschen Minderheit Bohemia Troppau leitet.

Glückwünsche und Wahl der LV-Vizepräsidenten

Schließlich nahm Richard Neugebauer als neugewählter Präsident zahlreiche Glückwünsche entgegen – unter anderem von den Gästen der Herbsttagung: Susanne Lindsay, Leiterin der Kulturabteilung der Deutschen Botschaft Prag, Hartmut Koschyk, Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, sowie Sebastian Machnitzke, Geschäftsführer der Stiftung Verbundenheit.

V.l.n.r.: Sebastian Machnitzke, Richard Neugebauer, Martin Herbert Dzingel, Hartmut Koschyk und Susanne Lindsay.
V.l.n.r.: Sebastian Machnitzke, Richard Neugebauer, Martin Herbert Dzingel, Hartmut Koschyk und Susanne Lindsay. Credit: LandesEcho/ Manuel Rommel

Unmittelbar nach der Wahl trat das neue Präsidium zu seiner ersten Amtshandlung zusammen: der Wahl der Vizepräsidentinnen und -präsidenten. Zur ersten Vizepräsidentin wurde Petra Laurin gewählt, das Amt des zweiten Vizepräsidenten übernimmt Richard Šulko.

Mit der Wahl von Richard Neugebauer und einem teils neu besetzten Präsidium schlägt die Landesversammlung der deutschen Vereine in Tschechien ein neues Kapitel auf – mit dem Ziel, Bewährtes fortzuführen und zugleich neue Impulse zu setzen.

Hartmut Koschyk, Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, würdigte Martin Herbert Dzingel für seine langjährige Funktion als LV-Präsident u.a. mit einer Urkunde.
Hartmut Koschyk, Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, würdigte Martin Herbert Dzingel für seine langjährige Funktion als LV-Präsident u.a. mit einer Urkunde. Credit: LandesEcho/ Manuel Rommel

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