Ab 2022 müssen mindestens 55 Prozent der angebotenen Lebensmittel in großen Supermärkten aus Tschechien kommen. Bis 2028 soll dieser Anteil auf mindestens 73 Prozent ansteigen. Darauf einigte sich das tschechische Abgeordnetenhaus. Aus der Europäischen Union hagelt es Kritik.
„Ich möchte Sie alle darum bitten, dass sie böhmische, mährische und schlesische Lebensmittel kaufen. Damit helfen wir am allermeisten. Seien wir ein bisschen nationalistisch, wenn es um Lebensmittel aus tschechischer Landwirtschaft und aus unserem Land geht. Darum möchte ich Sie bitten. Um es Ihnen etwas leichter zu machen: Schauen Sie, wenn Sie Kaffee trinken, welche Milch Sie hineingeben. Sie alle gießen deutsche Milch in den Kaffee. Das Gesetz ist also notwendig“, verteidigte der tschechische Landwirtschaftsminister Miroslav Toman (ČSSD) das Gesetzesvorhaben im tschechischen Abgeordnetenhaus, der unteren Parlamentskammer. Mit der Quote sollen heimische Lebensmittelproduzenten unterstützt werden.
Am Ende stimmte eine Mehrheit der Regierungskoalition aus ANO und Sozialdemokraten gemeinsam mit den Kommunisten und der rechtsextremen SPD, deren Abgeordneter Radim Fiala den Entwurf vorgelegt hatte, für das protektionistische Gesetz. Demnach müssen ab 2022 in Supermärkten mit einer Verkaufsfläche ab 400 Quadratmetern mindestens 55 Prozent der angebotenen Lebensmittel aus der heimischen Produktion stammen. Der Anteil soll über die Jahre noch weiter steigen und ab 2028 mind. 73 Prozent betragen. Die Regelung betrifft alle Lebensmittel, die sich auch in Tschechien herstellen lassen. Laut der SPD-Abgeordneten Monika Jarošová handelt es sich um 120 von über 15.000 angebotenen Produkten.
Politik im Sinne von Agrofert?
Die konservativen Oppositionsparteien ODS und TOP09 sowie die Piraten kritisierten das Gesetzesvorhaben. „In der Praxis bedeutet das eine Begrenzung des Imports und natürlich auch eine Verteuerung von Lebensmitteln“, kommentierte Petr Bendl (ODS), ehemaliger Landwirtschaftsminister in der Regierung unter Petr Nečas. Radek Holomčík von den Piraten sagte: „Wir reden hier darüber, dass wir den Händlern diktieren, wie viel sie wovon verkaufen sollen. Das ist einfach absurd. Das kann doch niemand ernsthaft denken.“ Doch nicht nur aus der Opposition kommen ablehnende Worte. Auch der tschechische Handels- und Tourismusverband kritisierte das Gesetz: „Der Vorschlag steht im Widerspruch zu den Interessen der Verbraucher und faktisch auch der ehrlichen tschechischen Hersteller von Qualitätslebensmitteln, die ein natürliches Interesse daran haben, dass ihre Produktionen nicht sinnlos bürokratisch vorgegeben werden“, sagte Verbandspräsident Tomáš Prouza. Laut Prouza habe die Regierungspartei ANO auf die Annahme des Gesetzes gedrängt, weil es im Interesse des größten tschechischen Agrarkonzerns Agrofert sei, der schließlich im Besitz des tschechischen Premiers Andrej Babiš ist. Die großen Lebensmittelkonzerne begrüßten das Gesetz, die Assoziation der privaten Landwirtschaft, in der vor allem kleinere Agrarunternehmen vertreten sind, hatten sich dagegen positioniert.
Kritik aus Europa
Gegenwind bekommt das Gesetzesvorhaben aber vor allem auch aus dem europäischen Ausland. Die Europäische Kommission hat bereits als Reaktion auf die Genehmigung des Gesetzes erklärt, dass es äußerst wichtig sei, dass Maßnahmen auf nationaler Ebene nicht zu Lasten der in den EU-Verträgen zum Ausdruck gebrachten Grundprinzipien und Werte gehen. Ob die Unionskommission rechtlich gegen das Gesetz vorgehen werde, wenn es in Kraft treten sollte, ist bislang nicht klar. Sie wolle das Vorhaben zunächst weiterverfolgen. Eine der EU-Kommission nahestehende, nicht näher genannte Quelle der Wirtschaftszeitung Hospodářské Noviny äußerte sich aber, dass das Gesetz andere Produzenten aus der EU eindeutig diskriminiert und gegen geltende Regeln auf dem gemeinsamen Binnenmarkt verstößt.
Bemerkenswert ist aber auch ein Brief, den acht EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Italien oder Polen, an Jaroslav Faltýnek (ANO), den Vorsitzenden des Landwirtschaftsausschusses des tschechischen Abgeordnetenhauses, schickten. In dem Brief, den die jeweiligen Botschafter der Länder unterzeichneten, bezeichneten sie das geplante Gesetz als diskriminierend für ausländische Erzeuger. „Jegliche Lebensmittelquoten stehen wahrscheinlich im Widerspruch mit den in den EU geltenden Rechtsvorschriften, die die Freizügigkeit von Waren betreffen“, kritisieren die Staaten. Gleichzeitig zeigen sie sich überrascht, dass gerade Tschechien eine solche Diskriminierung plant, weil es ein Land sei, das sich seit seinem Beitritt zur Europäischen Union lautstark für einen freien Handel ohne Hindernisse eingesetzt habe.
Ob es bald zu einem offenen Konflikt kommt, hängt aber vor allem davon ab, ob die Senatskammer dem Gesetzesvorhaben zustimmt. Die liberalen und konservativen Oppositionsparteien, die sich im Abgeordnetenhaus gegen das Gesetz gestellt haben, verfügen im Senat jedoch über eine satte Mehrheit.