Horní Jiřetín (Obergeorgenthal) hat etwa 2 200 Einwohner, gehört zum Bezirk Most (Brüx), war früher Pfarrort für Dolní Jiřetín (Niedergeorgenthal) und liegt unweit der böhmisch-sächsischen Grenze. Schon im Stadtwappen künden gekreuzte Hämmer von der langen Bergbautradition in dieser Gegend und ein Reiter mit Echsenspieß von der Drachenjagdtradition des Heiligen Georg etwas weiter südlich. Derzeit fühlen sich die Obergeorgenthaler von einem ganz modernen Drachen bedroht, den selbst der Heilige Georg nicht hat kommen sehen.
Dieser Drache hat einen unendlichen Appetit auf Kohle. Das Städtchen liegt nämlich nicht nur im malerischen Erzgebirge, sondern auch im Weg. Unter den knapp 40 Quadratkilometern des Gemeindelandes lagern nicht nur Reste von jahrhundertelangem Erzabbau, sondern auch Braunkohlevorkommen. Im Süden der Stadt haben sich die riesigen Bagger des Tagebaus bereits an die Häuser herangefressen, auch im Osten klafft eine Lücke in der Landschaft. Nur im Norden ist Ruh.
Da liegt nämlich die Grenze und hinter ihr der Kurort Seiffen. Statt nach Braunkohle gräbt man dort lieber nach Geld in den Brieftaschen der Touristen. Eine verlockende Alternative, die man auch in Obergeorgenthal gerne in Anspruch nehmen würde. Als nun die Lockerung oder gar Abschaffung der Förderlimits in Tschechien zur Gefahr werden drohte, schien dieser Traum vorerst begraben.
Mittlerweile heißt es aus dem zuständigen Ministerium beschwichtigend, man wolle die Stadt erhalten und um sie herum Kohle fördern. Hat ein Alarm schlagendes Städtchen also den Staat besiegt? Nun, der Bürgermeister von Obergeorgenthal heißt Vladimír Buřt und nicht Majestix, einen hauptamtlichen Druiden hat die Stadt nicht und auch die Hinkelsteinfabrikation lässt seit Jahrhunderten zu wünschen übrig – kurz: ein zweites gallisches Dorf à la Asterix ist hier nicht entstanden. Vielmehr ist die Abtragung einer ganzen Stadt ein solch absurdes fiskalisches, logistisches und politisches Unterfangen, dass man davon vorerst lieber Abstand genommen hat.
Mehr zu Obergeorgenthal und dem Problem der Förderlimits für Braunkohle in Tschechien lesen Sie im nächsten LandesEcho 2/2015, das bereits morgen erscheint.
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