Das letzte Jahr fiel für die tschechische Wirtschaft insgesamt positiv aus, darin sind sich die 175 befragten Firmenvertreter der aktuellen gemeinsamen Studie des Industrie- und Transportverbandes (Svaz průmyslu a dopravy) und der Tschechischen Nationalbank einig. Die vierteljährliche Umfrage zeigt aber auch, dass die Forderungen der Unternehmer in Tschechien an die Politik weitgehend unverändert blieben.
Wichtige Faktoren, die den Markt 2014 beeinflussten, waren vor allem die Devaluation der tschechischen Krone durch die Nationalbank und Einschränkungen im Russland-Geschäft. Obwohl die künstliche Schwächung des Kurses der Krone Exporteuren einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil und steigende Gewinne verschaffte, stiegen dadurch aber auch die Rohstoff- und Materialkosten im Import. Da die tschechische Industrie stark von diesen Importen abhängt, behinderte die schwache Krone das Wirtschaftswachstum für viele Industriezweige, zumal viele Einfuhrgeschäfte auf Euro-Basis abgewickelt werden.
Der Ausblick auf das Jahr 2015 lässt eine Stabilisierung der Situation erwarten und verspricht schwaches Wachstum. Die meisten Industriezweige zeigen sich vorsichtig optimistisch. Nur der Automobil-Industrie geht es derzeit glänzend. Rekordzahlen bei der Pkw-Produktion sind auch auf eine steigende Nachfrage im Hauptabsatzmarkt Deutschland zurückzuführen. Davon profitieren neben den großen Produzenten auch die Zulieferer. Trotzdem bleibt auch dieser Industriezweig zurückhaltend, was die Lohnentwicklung angeht. Steigerungen unter zwei Prozent sind geplant, da sind sich die Industriezweige einig. Auch die Zahl der Arbeitsplätze soll nur um 1,34 Prozent wachsen. Das ist aber immerhin ein spürbarer Zuwachs gegenüber den mageren 0,5 Prozent des Vorjahres.
Suche nach dem idealen Drittmarkt
Die EU wird auch weiterhin der wichtigste Markt für tschechische Unternehmen bleiben, mit Deutschland an der Spitze der Handelspartner. Die Situation im Euro-Raum betrachtet man aber mit Sorge. Sollte Griechenland tatsächlich aus der Gemeinschaftswährung ausscheiden, wird eine Destabilisierung der gesamten Währung als reale Gefahr betrachtet. Die Versuche der tschechischen Industrie, außerhalb der EU neue Märkte zu erschließen, haben mit den Russland-Sanktionen einen Dämpfer erlitten. Obwohl die tschechische Regierung laut Radek Špicar, Vizepräsident des Industrieverbandes, „positiv auf die EU eingewirkt und so die Auswirkungen der Sanktionen auf die hiesige Wirtschaft abgeschwächt hat“, werden die Effekte der Maßnahmen gegen Russland wohl 2015 erst richtig zu spüren sein. Dazu zählt neben direkten Exportbeschränkungen auch die Unsicherheit bei Finanzierungen von Investitionen vor Ort und Zahlungsschwierigkeiten russischer Partner. Špicar mahnte deshalb eine Fortsetzung der Exportfinanzierung mit staatlicher Unterstützung an. Man dürfe das Feld nicht der Konkurrenz aus Frankreich und Deutschland überlassen, die mit voller Unterstützung der Finanzierer rechnen können.
Außer der Konkurrenz aus der EU sehen die Firmen in ihrem Russland-Geschäft vor allem einen verschärften Wettbewerb mit koreanischen und chinesischen Unternehmen. Dabei spielt der Preisfaktor zwar eine Rolle, es wird aber auch eine politische Motivation zur Abkehr von Importen aus der EU vermutet. Auch deshalb werden langfristig neue Märkte außerhalb Europas gesucht. Für viele Unternehmen stecken diese kostspieligen Pläne aber noch in den Kinderschuhen und ein festes Standbein in diesen Drittmärkten haben nur wenige große Firmen.
Auf heimischem Terrain sehen sich Unternehmer weiterhin Problemen bei der Suche nach geeigneten Arbeitskräften gegenüber. Es fehlt sowohl an niedrig- als auch an hochqualifizierten Arbeitnehmern. Dabei gebe es genügend Lehrlinge, so Špicar, sie seien nur nicht mobil genug und lernten an der Nachfrage vorbei. Neben einer unausgegorenen Energiepolitik sei dies das Hauptproblem der Wirtschaft in Tschechien. Einige große Firmen seien bereits dazu übergegangen, eigene Ausbildungsstätten zu schaffen, das käme aber nur für wirklich große Unternehmen in Frage. Man habe nun aber ein Pilotprojekt zur dualen Ausbildung gestartet, das eine Praxisnähe herstellen soll, wie sie in Deutschland oder Österreich üblich ist. Auch die Einwanderung hochqualifizierten Personals sieht die Industrie als Möglichkeit, dem Trend entgegenzuwirken. Die Hürden dafür zu senken, sei Inhalt derzeitiger Verhandlungen des Verbandes mit dem Wirtschafts-, Innen- und Außenministerium.
Um für die heimische Industrie die Werbetrommel zu rühren und auch um ihre Nachwuchsprobleme zu thematisieren, hat der Industrieverband nun das Jahr 2015 zum Jahr der Industrie und der technischen Bildung erklärt. Politische Unterstützung dafür kommt direkt von Ministerpräsident Sobotka, der das Jahr am 15. Januar offiziell eröffnen wird. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass in der nächsten Umfrage der Zustand der Legislative und Bürokratie nicht wieder von fast einem Viertel der Befragten als verschlechtert gesehen werden wird.
Weitere Informationen zur Studie finden Sie auf den Seiten des Industrieverbandes (auf Tschechisch): hier.
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