Foto: Danko Handrick im ARD Auslandsstudio Prag - Bild: mansprichtdeutsch.cz

Keine große Parabolantenne schwebt über dem ARD-Auslandsstudio in Prag, kein Portier, der einen nach der Einladung fragt, keine Sekretärin, die den Besuchern Kaffee serviert, bevor man zum Chefredakteur vorgelassen wird. Stattdessen finden wir das Studio, in dem die große Mehrzahl der deutschsprachigen Beiträge über Tschechien und die Slowakei produziert werden, in einer Wohngegend.

 

 

 

Eine viereinhalb Zimmer-Wohnung beherbergt ein ganzes Studio. Etliche Karten von Tschechien hängen an den Wänden: Detaillierte Karten, Pragkarten, 3D-Karten, dazwischen Notizzettel und Terminplaner – man merkt gleich, diese Jungs hier sind schwer auf Draht. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die aberhunderten Zeitungen, die sich auf den Sofas, den Tischen und in den Regalen stapeln. Man sieht – dies ist eine Männer-WG. Der angebotene Kaffee bleibt dann auch ohne Milch, der Redakteur, Danko Handrick, warnt uns eindringlich vor diesem „chemischen Experiment“.

Außer ein paar Laptops sieht man hier kaum Technik, hier scheint noch gute alte Handarbeit gemacht zu werden. Handarbeit? Moment mal, hatten wir nicht einen Termin beim Fernsehen? Handrick lacht und zeigt auf Nachfrage den Technikraum. Hier stehen tatsächlich noch ein paar Kabelsalatkisten und Flachbildschirme auf einem elektrisch höhenverstellbaren Tisch herum. Davor sitzt der Cutter mit Kopfhörern und lässt sich von der Szene, die er wahrscheinlich gerade zum 47. Mal anschaut, nicht ablenken. Drei Mann arbeiten insgesamt im Studio: Der Redakteur Handrick, der Cutter und derjenige, der die ganzen Zeitungen lesen muss: der Producer. Drei Mann nur! Wieder fragen wir erstaunt, wo denn der ganze Rest des Teams ist: Kameramänner, Tontechniker, Beleuchter und so weiter. Schließlich produziert dieses Studio nicht nur einmal alle vier Jahre einen Nachrichtenbeitrag zur tschechischen Präsidentenwahl, sondern Sendungen in Hülle und Fülle: kürzere Beiträge – Interessantes und Skurriles aus Böhmen, Reisereportagen, politische Beiträge und das alles nicht nur für die ARD, sondern auch für die Dritten, Phoenix, 3sat und so weiter. Auf weit über 600 Sendeminuten komme man. Natürlich sei das nicht alles mit einem Drei-Mann-Team zu bewältigen, so Handrick, aber auch die Öffentlich-Rechtlichen müssten sparen und es sei schlichtweg billiger, die ganze Filmcrew aus Deutschland anreisen zu lassen, wenn auch tatsächlich gerade gedreht und nicht nur recherchiert werde. Und falle spontan etwas an, so müsse man eben notfalls schnell etwas mieten oder eben einfach nur eine Skype-Konferenz auflegen. Überhaupt habe das Internet viele Technik unnötig gemacht und so sei auch schon längst die überdimensionierte Parabolantenne überflüssig geworden. 

Die deutsche Stimme Prags

Danko Handrick leitet das Prager ARD-Studio nun seit fünf Jahren. Man könnte sagen, dass er die deutsche Stimme Prags ist, aber dass wollen wir lieber nicht zu laut tun, denn ansonsten könnte der unsterbliche Karel Gott, der einen ähnlichen Ehrentitel trägt, erbost reagieren. Unbestritten kommen aber die meisten Informationen, die man in Deutschland über Tschechien zu Ohren bekommt, aus Handricks Munde. Der letzte „journalistische Großkampftag“ war das 25-jährige Jubiläum der Balkonrede Genschers, während der er die Genehmigung der Ausreiseanträge mehrerer tausend DDR-Bürger, die in der westdeutschen Botschaft in Prag festsaßen, bekanntgab (die LZ berichtete: hier). Doch nur selten diktieren solche Anlässe oder das aktuelle Tagesgeschehen die Themenwahl – zu ruhig ist es in den böhmischen Ländern. Meist bleibt es Handrick und seinem Team überlassen, über was sie berichten wollen. Schaut man sich ihre Beiträge an, kann man erkennen, wie sie dabei vorgehen. Viele kleine Geschichten werden erzählt und Handrick glaubt, dass man kleine Geschichten nur an kleinen Menschen festmachen könne. Knutschende Pärchen im Park sind dabei ebenso interessant wie unbekannte Berühmtheiten, wie die Ansagenstimme aus der Prager Metro.

Man begegnet kleinen Helden des Alltags, wie dem Prager, der dutzende DDR-Flüchtlinge selbstlos bei sich aufnahm, und man sieht kleine Tragödien, wie die Opfer der wiederkehrenden Flutkatastrophen. Handrick trifft damit den Nerv seiner deutschen Zuschauer, die Einschaltquoten belegen das. Die Deutschen hören gerne diese kleinen Geschichten aus dem gemütlichen und fröhlichen Böhmen. Die Journalistenpflicht lässt Handrick aber gegebenenfalls auch über zweifelhafte Praktiken berichten. Thematisiert wurden auch die Kastration von Sexualstraftätern oder der ehemals vollzogene Penistest bei schwulen Asylbewerbern. Derart kritische Beiträge kommen in Deutschland jedoch weniger gut an, im Internet hagelt es dann polemische Kommentare, wer lässt sich schon gerne das paradiesische Bild des Lieblingsnachbarn trüben. Doch die Sorge ist unnötig – trotz einiger kritischer Beiträge – Tschechien ist und bleibt beliebt: Böhmerwald, Riesengebirge und Karlsbrücke empfangen jedes Jahr weit über eine Million Deutsche zu Besuch und wo man gerne hinfährt, da will man auch wissen, was vor sich geht.

Dies aber wird uns demnächst nicht mehr Danko Handrick, sondern Jürgen Osterhage berichten, denn turnusmäßig wechseln die Auslandskorrespondenten der ARD ihre Plätze. Den ehemaligen Indienredakteur verschlägt es nun nach Tschechien und Handrick darf wieder in die Heimat. Was er besonders vermissen werde, wenn er zurück in Sachsen sei? Es sind nicht Knödel und Gulasch und nicht das tschechische Bier – es ist das böhmische Lebensgefühl – die unwiderstehliche Leichtigkeit des Seins. 

Dieser Artikel erschien zunächst in zwei Teilen auf ManSprichtDeutsch.cz.

 

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