Erlebnisse im Porzellanikon an der deutsch-tschechischen Porzellanstraße

Porzellan – das „Weiße Gold“ – verbindet Westböhmen und Oberfranken schon seit Langem: mit ungeheurer Wirtschaftskraft vieler Fertigungsstätten und renommierten Marken aus Karlsbad und Umgebung wie Thun 1794 a.s. oder Hutschenreuther vom bayerischeren Nachbarn. Die Entwicklung dieses Industriezweiges kann man heute wunderbar beiderseits der Landesgrenzen verfolgen, zum Beispiel entlang der touristischen internationalen „Porzellanstraße“ von Klösterle an der Eger (Klasterec n.O.) via Schlackenwerth (Ostrov n.O.) bis Coburg und Schlüsselfeld bei Bamberg.

Immer wieder ist man von Neuem erstaunt über die Vielfalt der Porzellankunst. Höhepunkt der Reise ist dabei das „Porzellanikon“ mit seinen Ausstellungen in Hohenberg an der Eger und Selb-Plößberg – hier sogar gar mit Bahn-Halt direkt vor der Tür zur bequemen Anreise aus dem böhmischen Eger (Cheb).

Tauchgang in die Porzellanproduktion

Und das kommt nicht von ungefähr: Bei der Gründung 1866 trug die Fabrik in Selb-Plößberg auch den Bahnhof im Namen. Hierher kamen Kohle aus dem nahen Revier Falkenau (Sokolov) sowie das im Egerland bis heute gewonnene Kaolin an – auf kürzestem Weg also. Im industriehistorischen Erlebniszentrum Porzellanikon wird dem heutigen Besucher deutlich vor Augen geführt, wie weitblickend die Unternehmer schon damals agierten. Besonders im Bereich der Infrastruktur.

Porzellan muss nicht immer nur auf dem Tisch stehen. / Foto: Hans-Jürgen BarteldDer klassische Rundgang im Porzellanikon folgt dem Produktionslauf des „Weißen Goldes“: von der Massemühle mit den Grundstoffen Feldspat, Quarz und Kaolin über die Energieerzeugung und Transmissionsantrieb bis hin zu den technologischen Schritten Modellieren, Drehen, Gießen, Kapseldrehen, Glasieren und Brennen. In Aktion vorgeführt werden jeweils vollen Stunde Trommelmühlen und Dampfmaschine, das Eindrehen von Bechern sowie das Hohlgeschirr-Gießen. Selbstverständlich sind es erfahrene Facharbeiter*innen, die den Laien mit ihren geübten und geschickten Händen besonders beeindrucken. Dabei ist den sogenannten Porzellinern, den Arbeitern im Dienste des „Weißen Goldes“ keine Frage zu viel. Sie freuen sich sichtlich über das Interesse.

An den einzelnen Stationen ist ein in der Region immer seltener werdendes Gewerbe zu sehen, an einigen kann man sich auch selbst ausprobieren. Nicht nur für Kinder wird es somit nicht nur nie langweilig, sondern auch die Erwachsenen tauchen so tief in die Porzellanwelt ein, dass sich mancher bald selbst als Porzelliner fühlen dürfte. Der Spannungsbogen der Ausstellung führt dann auch bald hin zum Neuzeit-Thema „Keramik in Höchstform“ mit modernen Anwendungen, der Fortschreibung der einst mit Isolatoren begonnenen Gebrauchskeramik bis hin zu heutigen künstlichen Gelenken.

Leben für das Porzellan

Von Leben und Arbeitsbedingungen der Porzelliner in Europa berichtet eine Dauerausstellung. Eine zweite zeigt die besten Design-Produkte aus 25 Produktionsjahren. Gekrönt wird die Gesamtschau in Selb-Plößberg mit der neuesten Abteilung „Rosenthal – Ein Mythos. Zwei Männer schreiben Gesichte“. Gemeint sind hier Gründer Philipp Rosenthal, der 1880 nach Selb kam, und sein Junior, der 2016 verstorbene Visionär, Unternehmer und Sozialdemokrat, der seine Firma mit hervorragenden Fachleuten mit der Weltmarke Rosenthal zum Marktführer im Pozellandesign ausbaute und damit die gesamte Branche prägte. Eine seiner Losungen lautete: „Hinaus in die Welt!“ Und das gelang ihm – mit dem Export seiner Keramik und dem Engagement immer neuer Künstler.

Eine weitere Rosenthal-Maxime lautete: „Vorwärts schauen – was vorbei ist, ändert niemand mehr!“ Den Niedergang der traditionellen Porzellanindustrie in Oberfranken und Westböhmen konnte dennoch keiner aufhalten. Rosenthal gestaltete jedoch zu einem gewissen Grad den Umbruch, legte Grundsteine für Neues. Nacherleben kann dies der geneigte Besucher in der Porzellanikon-Schau, wenn er nur genügend Zeit mitbringt.


Porzellanikon Selb

Werner-Schürer-Platz 1

95100 Selb

Öffnungszeiten:

Dienstags bis sonntags sowie feiertags: 10 bis 17 Uhr

Eintritt:

5,00 € / 4,00 € ermäßigt

Sonntags nur 1,00 €

Kinder bis 18 Jahre immer kostenlos

www.porzellanikon.org


Das könnte Sie auch interessieren:

Eine halb sanierte Grenzbrücke zu Tschechien wird zur Posse. Wer nach den Gründen fragt, wundert sich.

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.