Am 3. September 2024 wurde in Prag eine neue Straße in einer feierlichen Zeremonie nach Sir Nicholas Winton benannt, dem Retter von Hunderten jüdischen Kindern. Unter den Gästen befanden sich auch einige der Personen, die Winton 1939 durch Transporte von Prag nach Großbritannien vor dem Holocaust bewahrt hatte.

Die neu eröffnete Nicholas-Winton-Straße, die offiziell den tschechischen Namen „Nicholase Wintona“ trägt, verbindet die Prager Stadtteile Letná und Holešovice. Bislang steht sie Fußgängern und Radfahrern zur Verfügung. Sie ist jedoch nicht nur eine wichtige Verkehrsanbindung, sondern auch ein Symbol für die Rettungsaktionen während des Holocausts. Die Eröffnung markiert einen bedeutenden Meilenstein im Gedenken an Sir Nicholas Winton und die von ihm geretteten Kinder. Die Straße wurde im Rahmen eines größeren Modernisierungsprojekts der Eisenbahn in Bubny gebaut. Jan Čižinský, Bürgermeister des siebten Prager Bezirks, erläuterte bei der Zeremonie, dass die Straße zukünftig auch für den motorisierten Verkehr geöffnet werden soll.

Ein besonders symbolträchtiger Ort, den die Straße passiert, ist der Bahnhof Praha-Bubny. Von hier aus wurden während des Zweiten Weltkriegs zehntausende jüdische Familien in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Das Datum der Eröffnungsfeier wurde bewusst gewählt: Am 1. September 1939, genau 85 Jahre zuvor, verließ der letzte von Nicholas Winton organisierte Zug Prag in Richtung Großbritannien. Aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs erreichte dieser Zug jedoch nie sein Ziel.

Nicholas Wintons Rettungsaktion

Nicholas Winton, der aus einer jüdischen Familie stammte, entschloss sich 1938 nach seinem Aufenthalt in Prag, Kinder jüdischer Abstammung aus der damaligen Tschechoslowakei zu retten. Mit Unterstützung von Helfern in Prag und Großbritannien gelang es ihm, Züge zu organisieren, die die Kinder aus der Tschechoslowakei nach Großbritannien brachten. Für viele von ihnen bedeutete dies die Rettung vor dem Holocaust.

Um an Wintons Mut und seine Rettungstaten zu erinnern, wurde an den Mauern des Bahnuntergangs entlang der neuen Straße ein großformatiges Wandgemälde angefertigt. Das Kunstwerk stammt von dem Künstler Toy Box und zeigt ein Porträt Wintons sowie Szenen, die seine Rettungsmission dokumentieren.

Eindrucksvolle Worte von geretteten Winton-Kindern

Unter den zahlreichen Gästen der Eröffnungszeremonie befanden sich auch Mitglieder der „Association of Jewish Refugees“ aus London, darunter vier der geretteten Winton-Kinder. Eine von ihnen, Lady Milena Grenfell-Baines, reiste als neunjähriges Mädchen gemeinsam mit ihrer Schwester Eva in einem der Winton-Züge nach Großbritannien. Sie äußerte während der Feier, wie unglaublich es sei, 85 Jahre später wieder in Prag zu sein und mit Wintons Kindern an dem Ort zu stehen, an dem ihre Schicksale einst getrennt wurden.

Zusammenarbeit mehrerer Organisationen

Die Realisierung des Projekts erfolgte in Zusammenarbeit zwischen dem Bezirk Prag 7, dem Silence Memorial (Památník ticha) und dem Verband jüdischer Gemeinden der Tschechischen Republik (Federace židovských obcí v ČR). Petr Papoušek, Vorsitzender der Federation of Jewish Communities, betonte bei der Zeremonie die Bedeutung des Gedenkens: „Die Benennung dieser Straße ehrt nicht nur Sir Nicholas Wintons Vermächtnis, sondern erinnert uns auch daran, Werte wie Mitgefühl, Mut und Gerechtigkeit aktiv zu fördern.“

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