Lilli Hornig half im Zweiten Weltkrieg die Plutoniumbombe zu entwickeln. Dass die Wissenschaftlerin ihre Wurzeln in Aussig hatte, ist nur wenigen bekannt. Jetzt hilft eine ungewöhnliche Installation beim Erinnern.
Das kleine Mädchen mit dem Puppenwagen an der Wand des Hauses Masarykova 70/1603 in Aussig (Ústí nad Labem) ist Lilli Hornig, damals noch Lilli Schwenk. Damals war noch nicht zu ahnen, dass sie einmal am Bau der ersten Atombombe mitwirken und sie noch später eine anerkannte Chemieprofessorin wird. Eine Mitarbeiterin der Universität in Aussig (UJEP) hat sie nun gemeinsam mit dem Stadtmuseum Ústí symbolisch „nach Hause“ geholt. Ihr Bild ziert das Haus, in dem sie die ersten vier Jahre lebte. Damals hieß die Straße noch Dresdner Straße Nummer 54. Nur die sogenannte Konskriptionsnummer ist bis heute unverändert die 1603.
1921 wurde Lilli in die jüdische Familie Schwenk geboren, die die Wohnung in der Beletage, der ersten Etage also, gemietet hatte. Später zog die Familie in eine Firmenwohnung des Aussiger Chemiewerks um, in dem ihr Vater als Chemiker arbeitete. 1929 bekam Vater Schwenk die Chance, zur Firma Schering-Kahlbaum nach Berlin zu wechseln. Diese Firma rettete der Familie vier Jahre später auch das Leben, indem sie im Angesicht der beginnenden Herrschaft der Nationalsozialisten, den Vater samt Familie in ein Tochterunternehmen nach Amerika versetzte. Das bewahrte die Familie vor dem Rassenwahn Nazis.
In den USA studierte Lilli in Havard. Über ihren Mann gelangte sie in das Team, das die Atombombe entwickeln sollte. Schnell bewies sie ihr Können und kam letztendlich bei der Entwicklung der Plutoniumbombe zum Einsatz, die später über Nagasaki abgeworfen wurde. Schockiert von einer Probeexplosion änderte sie allerdings ihre Meinung und setzte sich dafür ein, dass die Bombe nur zur Abschreckung, aber nicht als Kriegswaffe genutzt wird. Ohne Erfolg, wie wir wissen.
Per Mausklick in die Heimat
Lilli Hornig wirkte später als Chemieprofessorin am Trinity College in Connecticut und kämpfte Zeit ihres Lebens für bessere Chancen für Frauen in der Wissenschaft. Erst in den 1990er Jahren zog sie sich langsam aus dem öffentlichen Leben zurück. 2015 kam es zu einem ersten Kontakt zum Stadtmuseum in Aussig. Dem Historiker Martin Krsek gab sie per Mail ein langes Interview. Darin verriet sie, dass sie zwar nie wieder in Aussig war, aber manchmal virtuell per Google Maps an die alten Orte wie ihr Wohnhaus, die Schule oder den Hof mit Spielgeräten in der späteren Wohnung zurückgekehrt ist. 2017 starb sie 96-jährig.
Nun wird also mit ihrem Kinderporträt an sie in einer der lebendigsten Straßen von Aussig erinnert. Die Idee für die Installation hatte die Universitäts-Mitarbeiterin, Michaela Valášková. „Ich möchte die Bewohner und Gäste von Aussig auf Personen aufmerksam machen, die früher hier gelebt haben und weniger bekannt sind“, sagt sie zu ihrer Motivation für das Projekt. „Menschen wie Lilli Hornig stehen für das Schicksal aller, die vor Kriegen flüchten und eine neue Heimat in Ländern suchen müssen, die sie nicht kennen und deren Sprache sie nicht sprechen“, so Valášková weiter.
Sie plant auf diese Weise in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum an weitere Bürger aus Aussig zu erinnern. Das Bild mit Lilli Hornig soll demnach nur der Anfang für weitere Installationen sein. Das Bild erhielt der Historiker Martin Krsek übrigens von Lilli Hornigs Sohn Christopher Hornig. Der schickte vor Weihnachten einen Winter-Parka der US Armee, den Lilli Hornig bei ihrem Aufenthalt in der Atacama-Wüste zur Entwicklung der Plutoniumbombe getragen hatte.