Fast acht Quadratmeter groß ist die Krippenlandschaft in der Kirche von Nixdorf (Mikulášovice). Roman Klinger hatte viel zu tun mit dem Aufbau des Kleinods. - Foto: Steffen Neumann

Weihnachtsbaum raus, Stern von Bethlehem runter und die Plätzchen verputzt. Für viele ist Weihnachten schon wieder vorbei. Dabei dauert das Fest nach altem Brauch bis Lichtmess am 2. Februar. Deshalb wird Weihnachten immer noch gefeiert, zum Beispiel im Schluckenauer Zipfel. Dort können die großen Kirchenkrippen im typischen Stil des Böhmischen Niederlands bewundert werden. Und jetzt womöglich sogar mit mehr Muse als direkt in der Weihnachtszeit.

Sorgfältig verteilt Roman Klinger die gefärbten Sägespäne über die hügelige Landschaft. Ein Engel mit drei Hirten steht auf dem Feld. In der Mitte steht der Stall mit Maria, Josef und dem Jesuskind, der wie in den Hügel eingebaut scheint. Bis Heiligabend stand Klinger nach der Arbeit jeden Tag in der kalten Nikolaus-Kirche von Nixdorf (Mikulášovice) und baute mit Hingabe an der riesigen Kirchenkrippe.

„Das Grün ist noch nicht so, wie ich es brauche. Da muss ich noch einmal neu mischen“, sinniert der Grundschullehrer und gesteht: „Ich befinde mich immer noch in der Experimentierphase.“ Kein Wunder, er machte und macht die Arbeit zum ersten Mal. Allein das Färben der Sägespäne mit Holzbeize ist schon viel Arbeit. Sind die gefärbten Späne getrocknet, trägt sie Klinger mit einem normalen kleinen Haushaltssieb auf die Krippenlandschaft auf. Durch die Hügel führen Wege. Im Hintergrund erhebt sich die Stadt. Mauern sind aus Styrodor. Es finden sich aber auch natürliche Elemente wie Korkrinde oder Grün von Koniferen.

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Krimireife Geschichte

Der Brauch, in der Adventszeit eine Weihnachtskrippe aufzustellen, ist auch in Tschechien weit verbreitet. Doch diese Krippe in Nixdorf ist noch einmal ein besonderer Fall. Sie gehört zu den Krippen im Stil des böhmischen Niederlands, ein anderer Name für den Schluckenauer Zipfel. „Wer sich ein bisschen damit auskennt, weiß gleich, was das bedeutet – orientalische Landschaft mit Figuren in orientalischen Gewändern“, erklärt Klinger. Die Namen der Schnitzer wie Schütz und Wendler sind legendär. Die bis zu 30 Zentimeter großen Figuren in Nixdorf sind von Franz Rosche. Dann kam die Vertreibung der Deutschen und auch in Nixdorf wurde die Krippentradition jäh unterbrochen. Dass die Krippe seit letztem Jahr erstmals wieder in der Kirche zu sehen ist, nennt Klinger, der selbst zur kleinen deutschen Minderheit zählt, die nicht vertrieben wurde, den „Krippenkrimi von Nixdorf“.

Denn nach 1945 verlor sich ihre Spur. „Die Maria mit dem Jesuskind hat der letzte Pfarrer mit auf die Vertreibung genommen, das war bekannt“, erzählt Klinger. Das war verständlich, galt die Krippe den Menschen als ihr wertvollstes Gut. Nicht wenige ließen lebensnotwendige Dinge zugunsten einiger Figuren zurück.

Aber die Figuren haben nicht nur ideellen, sondern auch monetären Wert. Das erkannte offenbar ein Dachdeckermeister im Ort und nahm die Figuren einfach aus dem Pfarrhaus mit. „Das sagte öffentlich niemand, aber wusste jeder“, erzählt Klinger, der vor zehn Jahren begann, nach dem Verbleib der Krippe zu forschen. „Alle hatten Angst, etwas zu sagen, aber ich war jung und unbelastet“, sagt der 31-jährige. Der Dachdeckermeister war längst tot, doch die Krippe ging offenbar auf seine Töchter über. „Die eine hatte kein Glück, ihr Mann war Alkoholiker und hatte die Figuren nach und nach verkauft, um an Geld zu kommen“, schildert Klinger. Den Rest der Figuren verkaufte die Familie vor zwei Jahren nach Prag, zum Glück an einen großen Krippenfreund. „Dank meiner Kontakte konnte ich ihn aufsuchen und zum Verkauf der Figuren überreden.“

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Krippenbau macht süchtig

Nach dieser Rückkehr musste nun auch eine neue Landschaft her. „Die alte war völlig zerfressen und in den 1990er Jahren entsorgt worden.“ Für die neue bekam die Kirchgemeinde Unterstützung vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und vor allem den Mitgliedern des Krippenvereins in Schirgiswalde. Dort wird die Krippentradition seit Jahrzehnten besonders gepflegt. „Ich bin auch selbst Vereinsmitglied, aber ohne die Unterstützung der Schirgiswalder hätte ich die Krippe nie vollenden können.“ In über 600 Arbeitsstunden wurde eine neue Landschaft modelliert und ein neuer Hintergrund gemalt, der die perspektivische Illusion der Landschaft auf der Leinwand fortsetzt.

Schirgiswalde sorgte auch dafür, dass drei weitere Figuren der Krippe zurückkehrten. Ein Sammler von dort hatte sie vor Jahren bei einem Antiquitätenhändler in Rumburg (Rumburk) erstanden. Dorthin waren sie wohl über den Alkoholiker-Schwiegersohn gekommen. Als die Krippe von Nixdorf in Schirgiswalde neu gebaut wurde, erkannte er die Herkunft der Figuren und verkaufte sie an Klinger.

Auch einige neue Figuren sind inzwischen da. Denn in der Region hat sich mit dem Rumburger Jaroslav Blažek ein neuer Schnitzer etabliert, der seinen Vorgängern frappierend nahe kommt. Von ihm ist die neue Maria mit Kind. Und Klinger hat bei ihm schon weitere Figuren bestellt. Wenn die Krippe Heiligabend erstmals zu sehen sein ist, wird das ein großer Moment. Für Roman Klinger ist aber schon der Krippenaufbau ein Ereignis. Denn „Krippenbau ist eine Sucht“, sagt er. Nur eins bedauert er: „Schade, dass die Alten, die die Krippe früher noch erlebten, das nicht mehr sehen können.“

 

Die Niederland-Krippe

Der Schluckenauer Zipfel gehörte seit jeher zu einem der Zentren des Krippenbaus. In der frommen Gegend, die auch das böhmische Niederland genannt wurde, wurden vor 1945 rund 3000 Haus- und Kirchenkrippen gezählt. Zwei Drittel davon waren größer als zwei Quadratmeter. Typisch für die Niederland-Krippen ist der orientalische Stil mit Landschaft, die sich durch ein Hintergrundbild fortsetzte. Unterschiede gab es in der Verwendung von Natur-Materialien wie Rinde, Zapfen, Moos und Ästen oder von gefärbten Sägespänen zur Modellierung der Landschaft. Zu den bedeutendsten Schnitzern gehörten Franz Xaver Schütz, Anton Wendland und Franz Rosche. Figuren dieser Schnitzer und damit die Krippen kosteten nicht wenig Geld, das nicht jede Familie hatte. Trotzdem waren die Krippen weit verbreitet. In den Häusern gehörten sie oft zum wertvollsten, was die Menschen besaßen.

 

Besichtigung der Weihnachtskrippen

Nixdorf, Nikolauskirche

Bis 2.2. 2019 jeden Sonntag, jeweils 13.30-14.30 vor der Heiligen Messe

Extra Termin:

19./20.1., 10-18 Uhr, Krippenausstellung mit über 100 Krippen aller Art, Eintritt: 25 Kronen

 

Rumburg, Loreta

Bis 2.2. 2019 Dienstag-Samstag 9-16 Uhr (mit Eintritt in Loreta)

 

Schluckenau, Wenzelskirche

Bis 27.1. 2019 immer sonn- und feiertags, 14-16 Uhr (Eintritt frei)

 


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