Das Museum Brüx widmet ihrer berühmtesten Landsfrau eine neue Daueraustellung. Dort wird auch der wertvollste Schatz Tschechiens gezeigt.
Jiří Šlajsna klopft auf das dicke Glas. „Das ist echtes Panzerglas. Das kriegen sie nicht so schnell kaputt wie im Grünen Gewölbe. Bei den Tests war ich selbst anwesend“, sagt der Mann mit der eckigen Hornbrille und dem Vollbart voller Überzeugung. Eigentlich ist Šlajsna Historiker und Mitarbeiter des Regionalmuseums in Brüx (Most). Als dieser hat er die neue Ausstellung über Ulrike von Levetzow kuratiert, jener Frau, die als letzte Liebe Johann Wolfgang von Goethes in die Geschichte eingegangen ist.
Doch in den letzten Wochen scheint Šlajsna zum Sicherheitsfachmann mutiert. Das liegt an dem Schatz, den er zu verwalten hat, dem Hochzeitsschmuck von Amalie von Levetzow, der Mutter von Ulrike. Er besteht aus 469 leuchtend roten Granatsteinen, eingefasst in Gold und Silber. Die Granatsteine sind nicht irgendwelche, sondern große. „Als groß gilt ein Granat von mindestens 6 Millimeter. Diese sind sogar deutlich größer“, erklärt Šlajsna. Sie gelten als die größten der Welt. Gräüßer ist nur der in dem Orden des goldenen Vlieses, der glücklicherweise nicht aus dem Grünen Gewölbe gestohlen wurde.
Woher der Granat kommt
Granatsteine gehören zu den härtesten Edelsteinen und sind in dieser Größe extrem selten. Sie kommen nur an wenigen Orten der Welt vor. Einer ist das Böhmische Mittelgebirge, an dessen Fuß sich das Örtchen Trieblitz (Třebívlice) befindet, wo Ulrike von Levetzow den Großteil ihres Lebens verbrachte. In dem einstigen Vulkangebiet wurden die Granate vor langer Zeit in die höheren Erdschichten geschleudert. Sie werden bis heute abgebaut. Aber selbst der industrielle Abbau macht es nicht möglich, öfter solche großen Steine zu finden, wie sie Ulrike von Levetzow von ihrer Mutter erbte und sie inzwischen das Museum besitzt. „So einen Stein fördert man einmal im Jahr zutage. Sie bräuchten also fast 500 Jahre, um diesen Hochzeitsschmuck zusammenzustellen“, rechnet Šlajsna vor.
Entsprechend wertvoll ist der Schmuck geschützt. Früher wurde er immer nur wenige Tage gezeigt. „Wir haben ihn sogar im Ausland ausgestellt, in Brüssel in der Zeit der EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens, einmal auch in Sankt Petersburg“, erzählt der Kurator. Doch damals war ihnen der Wert des Schatzes offenbar selbst noch nicht bewusst. „Die Sicherheitsvorkehrungen waren völlig unzureichend.“ Das hat sich spätestens seit der Restaurierung der Stücke geändert. Seitdem ist auch sicher, dass alle Steine aus dem Böhmischen Mittelgebirge stammen. „Es ist also der wertvollste auf dem Staatsgebiet Tschechiens hergestellte Schmuck“, sagt Šlajsna nicht ohne Stolz. Für den Transport des Schmucks in das Prager Analyseinstitut wurde Šlajsna von einer Eliteeinheit der Polizei begleitet. Der rein materielle Wert ist mit umgerechnet rund 2 Millionen Euro versichert, 50 mal so viel wie vor der Restaurierung.
Seit November wird der Schmuck erstmals dauerhaft ausgestellt. Und zwar in einem Tresor aus Stahl, der in den Stahlträgern des Museumsgebäudes verankert ist. Auf den dicken Panzerglas ist noch eine normale Glasscheibe. Wird sie zerstört, gibt es sofort Alarm bei der Polizei. „Um das Panzerglas selbst zu durchbohren, brauchen sie 12 Stunden“, weiß Šlajsna. In den Ecken hängen Überwachungskameras. Der Stromkreis für die Sicherheitsanlagen ist unabhängig vom Haus. Und überhaupt, befindet sich der Raum im dritten Stock. „Zwei Tage nach dem Einbruch ins Grüne Gewölbe hatten wir gleich eine Sicherheitsberatung und haben die Abläufe noch einmal verschärft. Aber gleichzeitig auch festgestellt, dass unsere Vorkehrungen gut genug sind“, hofft Šlajsna, dass er von einem Raub wie in Dresden verschont bleibt.
Nicht nur Goethes Liebe
Vor allem hofft er auf viele Besucher. „Mir geht es weniger um den Schmuck, als um Ulrike von Levetzow. Aber wenn die Menschen wegen des Schmucks Ulrike entdecken, habe ich alles erreicht, was ich will“, gesteht er. „In Tschechien kennt man sie gar nicht. Und in Deutschland wird sie nur mit Goethe verbunden.“ Dessen Eheangebot hatte Ulrike abgelehnt: „Das war der Druck der Mutter, die aus eigener schmerzlicher Erfahrung keine Ehe mit einem alten Mann für ihre Tochter wollte. Aber auch Ulrike selbst sah in Goethe nur einen großväterlichen Freund.“ Eine intensive Liebesbeziehung erlebte Ulrike dagegen mit dem klassischen Philologen Johann Heinrich Schubart.
Die Ausstellung zeigt sehr gut, wer Ulrike wirklich war. „Sie verkörperte das Beste des 19. Jahrhunderts“, beschreibt es Šlajsna. Selbst evangelisch unterstützte sie die jüdische Gemeinde und die katholische Kirche, war aufgeklärte Wohltäterin und Gönnerin. Zugleich liebte sie die Kunst, aber auch die Handarbeit. „Jeden Tag setzte sie sich eine Stunde ans Spinnrad“, weiß Šlajsna. Die Ausstellung zeigt vor allem persönliche Stücke von Ulrike sowie ihr komplettes Schlafzimmer. Texte zum Weiterlesen sind auf Tafeln und Bildschirme verteilt und alle auf Deutsch.
Museum Brüx, Adresse: Čsl. armády 1360/35; Öffnungszeiten: Di.-Fr. 12-18 Uhr und Sa.-So. 10-18 Uhr