Bereits in der zehnten Runde befindet sich das Projekt „Atlas der deutschen Alltagssprache“ der Universitäten Lüttich und Salzburg. Seit 2003 erstellen die beiden Universitäten in enger Kooperation Umfragen zum Sprachgebrauch in Deutschland, Österreich, der deutschsprachigen Schweiz, Südtirol, Ostbelgien und Luxemburg. Dabei kommt es den Forschern nicht auf das Hochdeutsch an, sondern auf die ortsübliche Alltagssprache an fast 500 Ortspunkten, die sie vergleichen.
So können über Jahre Veränderungen und Tendenzen im Sprachgebrauch verfolgt werden. Das Projekt setzt dort an, wo das Standardwerk „Wortatlas der deutschen Umgangssprachen“ in seinen vier Bänden nicht mehr greifen kann. Erst durch die Möglichkeiten des Internet ist eine kontinuierliche Erhebung und Auswertung der Daten möglich. Jedes Jahr wird dazu ein Fragenkatalog zu Wortgebrauch und Grammatik veröffentlicht, den Interessierte direkt auf der Webseite des Projektes (www.atlas-alltagssprache.de) ausfüllen können. Die Daten der Erhebung werden dann von Studenten verarbeitet und auf Karten sichtbar gemacht. Nach der Auswertungsphase sind diese Karten mit den abgefragten sprachlich-regionalen Besonderheiten im Internet abrufbar. Damit erhalten nicht nur die Wissenschaftler und die Teilnehmer der Umfragen Einblick in die aktuellen Veränderungen der deutschen Sprache, sondern gleichsam alle Besucher der Internetseiten.
Im Abgleich der Karten mit denen des „Wortatlas der deutschen Umgangssprachen“ lassen sich so auch für Laien Rückschlüsse darauf ziehen, wie es in Zukunft um die deutsche Alltagssprache bestellt ist. Bereits jetzt ist erkennbar, dass gewisse Wortformen an Bedeutung verlieren und durch andere ersetzt werden. Wussten sie zum Beispiel, dass das Wort Karotte im deutschsprachigen Raum immer mehr an Bedeutung gewinnt und Begriffen wie Mohrrübe oder Wurzel langsam den Rang abläuft? Obwohl die Karotte nur ein Lehnwort aus dem Französischen ist, gehört der Begriff in immer mehr Haushalten zum alltäglichen Sprachgebrauch. Das wirft natürlich die Frage nach den Gründen für diese Veränderung auf. Auch damit beschäftigen sich die Forscher des Projektes intensiv. Ihren Schlussfolgerungen nach, haben beispielsweise Produktbezeichnungen auf Verpackungen starken Einfluss auf die Verbreitung von Wortformen. Mit der fast ausschließlichen Benutzung einer bestimmten Wortform in der Werbung kann so die empfundene Wertigkeit eines Wortes gesteigert werden. Dabei ist es dem Wurzelgemüse egal, ob man es nun Karotte, Möhre oder Rübli nennt. Leider führt diese Vereinheitlichung der Sprache allerdings zur Verdrängung regionaler Besonderheiten, die man vielleicht bald nur noch auf den Karten des „Atlas der deutschen Alltagssprache“ finden kann. Diese Entwicklung kann nur von denen gestoppt werden, die ihre Mundart pflegen. Vielleicht fragen auch sie sich beim nächsten Besuch des Gemüsehändlers ihres Vertrauens einfach einmal, wie wohl noch vor 100 Jahren ihr Einkauf geheißen hätte.
Den Atlas der deutschen Alltagssprache finden Sie unter: http://www.atlas-alltagssprache.de