Hier wird schon lange nicht mehr telefoniert. Knihobudka (Buchzelle) in Prag. Foto: Stephanie Bergwinkl

Schon oft wurde das Ende der Telefonzelle in Tschechien angekündigt. Nun sind die öffentlichen Fernsprecher tatsächlich Geschichte. Die letzte ihrer Art wurde in einem Dorf in Mittelböhmen entsorgt.

Erheblichen Auflauf sogar von wildfremden Menschen gab es dieser Tage in dem mittelböhmischen 150-Seelen-Dörfchen Hlubyně. Alle diese Leute hatten ihre Handys gezückt und knipsten aus Nostalgie wie wild, als binnen 20 Minuten ein Relikt aus grauer Vorzeit „gefällt“ wurde: Tschechiens allerletzte öffentliche Telefonzelle.

1.150 gab es zuletzt noch im ganzen Land. Damals hatte der Betreiber O2 zugesichert, dass die öffentlichen Telefonzellen oder -automaten in Orten mit weniger als 200 Einwohnern erst einmal noch bleiben sollen.

Nun ging doch alles schneller als gedacht. Da der Staat die Subventionierung der blauen Zellen einstellte, entschied O2, dem Verlustgeschäft ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Verdienen konnte die Telefongesellschaft in der Tat nichts mehr mit den Buden. Im Jahr wurde im Durchschnitt jede der letzten 1.150 ganze zwei Minuten genutzt.

Die Geburt der Telefonzellen geht auf das Jahr 1911 zurück. Prag war seinerzeit noch eine Provinzstadt in der österreichisch-ungarischen Monarchie. 2001 überstieg die Zahl der Häuschen die Grenze von 30.000. Von jedem dieser Standorte wurde im Durchschnitt im Jahr 6.300 Minuten telefoniert. Man konnte von dort aus auch entlegene Teile der ganzen Welt erreichen. So man reichlich Münzen vorrätig hatte. Leichter war es dann schon mit Telefonkarte.

Nicht alle der Telefonhäuschen werden übrigens entsorgt. Manche dienen jetzt einem anderen Zweck: man kann dort Bücher ausleihen.

Das letztlich rasche Ende der Zellen wurde durch die Entwicklung der Mobiltelefone eingeleitet. Dass vom „Fall“ der letzten Telefonzelle in Böhmen nun ausgerechnet mit Handys Fotos gemacht wurden, den Totengräbern der Häuschen, ist die Ironie der Geschichte. Von den Einwohnern aus Hlubyně, die dem Abschied beiwohnten, konnte sich übrigens niemand mehr so richtig daran erinnern, wann er das letzte Mal das Telefonhäuschen benutzt hatte.

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.