Kathrin Freier-Maldoner ist seit Juli die neue Leiterin von Tandem. Foto: Tandem.

Seit Juli ist Kathrin Freier-Maldoner die neue Leiterin des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem. Mit LandesEcho sprach sie über ihre Pläne und Jugendaustausch in Corona-Zeiten.

LE: Frau Freier-Maldoner, woher stammt Ihr Interesse für Tschechien?

Es waren die persönlichen Begegnungen mit Menschen aus Tschechien über die Schule, den Sportverein, Freizeitaktivitäten, die sehr positiv waren und schließlich auch dazu geführt haben, mich zu fragen, warum ich eigentlich so wenig über unser Nachbarland weiß. Die Universität Regensburg mit ihrer fachlichen Ausrichtung auf Mittel- und Osteuropa und mit vielen Studierenden aus Tschechien hat mir dann den Weg geebnet. Über das Bohemicum Regensburg/Passau durfte ich Tschechisch in sehr kurzer Zeit erlernen und allein durch die Sprache öffnete sich für mich ganz nah ein neuer Raum.

LE: Die Corona-Pandemie hat den deutsch-tschechischen Schüler- und Jugendaustausch zwangsweise zum Erliegen gebracht. Wie gedenken Sie den Austausch wieder anzukurbeln und Interesse für Tandem zu wecken?

Grundvoraussetzung ist zunächst, dass ein Austausch in Präsenz erlaubt ist bzw. bleibt. Dann müssen die Hygiene- und Schutzbestimmungen des Landes eingehalten werden können. Die Planungen werden natürlich dadurch erschwert, dass die Vorgaben zum Durchführungszeitpunkt nicht vorhersehbar sind. Tandem steht in engem Kontakt mit den Trägern der nationalen und den weiteren Fach- und Förderstellen der internationalen Jugendarbeit und es wird ganz zentral sein, sich über die Erfahrungen, die Herausforderungen und Anforderungen auszutauschen und dann als koordinierende Stelle handeln zu können. Tandem unterstützt wie bisher bei der Suche nach einer geeigneten Einrichtung im Partnerland, bei der Beratung über Fördermittel oder zur Antragstellung, mit Programmangeboten und Publikationen, aber gerade auch beim Austausch unter den Zielgruppen, um sich hier gegenseitig zu stärken und zu unterstützen.

LE: Wie sieht es aktuell aus? Kehren Schüler und Jugendliche zu den Austauschprogrammen von Tandem zurück?

Im Jahr 2020 wurde soweit als möglich versucht, die ausgefallenen Maßnahmen, die in Präsenz geplant waren, online stattfinden zu lassen. Im Jahr 2021 sieht die Entwicklung eher so aus, dass die Träger zögern und auf „echte“ Begegnungen hoffen. Die Fachkräfte und die Jugendlichen scheinen bildschirmmüde zu sein. Die Beschränkungen sind derzeit gelockert, es ist Sommer, die persönliche Begegnung steht an erster Stelle. Die Befürchtung, dass es eine vierte Welle geben könnte, lässt die Verantwortlichen aber teils abwarten. Die größten Herausforderungen sind die Unsicherheit und das Risiko der Durchführbarkeit, aber auch Kosten für Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Zudem sind auch die Eltern der ungeimpften Jugendlichen bezüglich der neuen Entwicklungen mit den Virusvarianten skeptisch. Es muss viel Vertrauen wieder aufgebaut werden, nicht nur bei den Fachkräften der Jugendarbeit sowie Lehrerinnen und Lehrern, sondern gerade auch bei den Eltern.

LE: Wie profitieren junge Menschen vom deutsch-tschechischen Jugendaustausch?

Aus meiner Sicht sollte jeder junge Mensch die Möglichkeit haben, an einem internationalen Austausch teilzunehmen. Das wirkt sich auf die Persönlichkeitsbildung aus, bietet neue Perspektiven, gibt Selbstvertrauen, schafft gegenseitiges Verständnis und kann einen Lebensweg stark prägen. Es geht um das Kennenlernen von jungen Menschen im Nachbarland: sich selbst ein Bild machen von den Lebensumständen und der Lebensart, in Austausch kommen, Gemeinsamkeiten herausfinden, ein persönliches Empfinden für das Nachbarland entwickeln und einfach zusammen Zeit verbringen, Spaß haben und Freunde finden. Letztendlich profitieren nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Gesellschaften.

LE: Welche konkreten Projekte wollen Sie in den nächsten Monaten umsetzen?

Für alle, die gerne einen Austausch mit dem Nachbarland aufnehmen oder einen bereits bestehenden Austausch intensivieren und Erfahrungen austauschen möchten, bietet Tandem in der zweiten Jahreshälfte eine Reihe von Veranstaltungen an. Das reicht von Online-Angeboten wie beispielsweise einem Werkstattgespräch zum Thema „Beteiligung im Austausch“ über Präsenzveranstaltungen – sofern diese stattfinden dürfen – wie ein Austauschforum zum aktuellen Schwerpunkt zu Themen politischer Bildung im Oktober in Berlin bis hin zu einem Mediencamp für Jugendliche im Oktober in Nürnberg.

LE: Wie wollen Sie die Arbeit des Koordinierungszentrums ausrichten, um im digitalen Zeitalter möglichst viele junge Menschen anzusprechen?

Genau das ist eine Frage, die Tandem zusammen mit Jugendlichen aus beiden Ländern Ende Oktober 2021 bei einem deutsch-tschechischen Mediencamp in Nürnberg besprechen wird, sofern es die dann geltenden Hygiene- und Schutzbestimmungen zulassen. Es geht hier unter anderem um die Frage „Was für Medien wollen und brauchen junge Menschen?“, aber auch um kreative Arten der Mediennutzung. Tandem hat außerdem die „Do kapsy“-Sprachführer-App für Jugendliche entwickelt, ein Wörterbuch mit vielen Redewendungen für den Alltag und zur Landeskunde. Gemeinsam mit den anderen Fach- und Förderstellen der Internationalen Jugendarbeit wurde die Online-Begegnungsplattform „Dina.international“ geschaffen. Diese hat den großen Vorteil, dass sie datenschutzkonform, kostenfrei und klimaneutral ist. Dolmetschen ist in allen virtuellen Räumen möglich und es gibt eine ganze Reihe weiterer Anwendungen, die genutzt werden können. Und auch die Methode der Sprachanimation haben die Tandem-Sprachanimateure für den virtuellen Raum weiterentwickelt. Das Wichtigste bleibt weiterhin, jungen Menschen mit den vielfältigsten Hintergründen einen Austausch mit Tschechien zu ermöglichen.

Das Gespräch führte Jonas Klimm.


Kathrin Freier-Maldoner leitet seit Juli 2021 das Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem. Zuvor war sie bei Tandem pädagogische Mitarbeiterin im außerschulischen Arbeitsfeld und Mitarbeiterin des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in Prag. Sie studierte an der Universität Regensburg und der Masaryk-Universität in Brno (Brünn) Politikwissenschaften mit Schwerpunkt auf Mittel- und Osteuropa und Öffentliches Recht. Das Bohemicum, ein Begleitstudium der tschechischen Sprache, Geschichte, Kultur und Landeskunde, war ihr Schlüssel zur tschechischen Sprache. Ehrenamtlich engagierte sie sich als Mitglied des Deutsch-Tschechischen Jugendforums und des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums.

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