In diesem Herbst feiert die Deutsche Schule Prag ihr 30-jähriges Bestehen. Das ist ein geeigneter Anlass, um einmal in die Vergangenheit, aber auch in die Zukunft zu blicken.
Am 3. Oktober 1990 vereinigten sich nicht nur die damalige BRD und die DDR, die Wiedervereinigung brachte auch noch weitere „Kinder“ hervor. So gab es in der tschechischen Hauptstadt plötzlich nicht mehr zwei deutsche Auslandsvertretungen, sondern nur noch eine. Folglich brauchte man natürlich auch nur noch eine Botschaftsschule. Und so läutete nur einen Tag nach der deutschen Wiedervereinigung für 26 Schülerinnen und Schüler zum ersten Mal die Schulklingel in der Deutschen Schule Prag. Damit begann nicht nur der Unterricht, sondern eine 30 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte.
Die Deutsche Schule Prag befindet sich heute im Stadtteil Jinonice. Foto: Dan Vojtěch
Erste Abiturklasse 1997
Alles begann im Vergleich zu heute noch etwas kleiner und überschaubarer in der ehemaligen Botschaftsschule der DDR im Prager Stadtteil Řepy. 1990 startete man mit 26 Schülerinnen und Schülern in den Jahrgangsstufen eins bis sieben. Nur sechs Klassen gab es am Anfang, gerade einmal zwei Schüler wurden 1990 in die erste Klasse eingeschult. Im Jahr 1991 waren elf Lehrkräfte an der Deutschen Schule beschäftigt. Doch die Schule wuchs rasant: Im Schuljahr 1992/93 drückten inzwischen schon zwischen 120 und 140 Schülerinnen und Schüler die Schulbank in der neuen Schule. Schnell wurde klar, dass die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichen, um dem wachsenden Bedarf standzuhalten. 1993 erfolgte daher ein Umbau des Schulgebäudes. Ein wichtiger Schritt war im Jahr darauf die Anerkennung als offizielle deutsche Auslandsschule.
1997 war es dann so weit, zum ersten Mal legte ein Jahrgang mit insgesamt elf Schülerinnen und Schülern das Abitur ab. Antje Spieker, die heute im deutschen Oldenburg lebt, war eine von ihnen. „Die Schulzeit habe ich als ganz toll in Erinnerung. Wir waren kleine Klassen, deshalb hatten wir auch Kontakt zu den Jüngeren und waren da sehr zusammengeschweißt. Auch zu den Lehrern hatten wir ein gutes Verhältnis. Die Schule war so klein, da musste man ja gut miteinander auskommen können“, erinnert sich die 42-jährige Ärztin. Mit ihren ehemaligen Mitschülern steht sie auch heute noch in einem guten, engen Kontakt. Vor drei Jahren trafen sich einige zum 20-jährigen Klassentreffen in Prag.
Neubau in Jinonice
Doch die Schule, an die sich Antje Spieker zurückerinnert, ist im engeren Sinne nicht mehr die von damals. Für das weiterhin ungebrochene Wachstum der Schülerzahlen gab es nur eine Lösung: Ein neues Schulgebäude musste her. Im Jahr 2002 begann mit dem symbolischen Spatenstich durch den damaligen deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau und den tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel die Errichtung eines Neubaus, in den die Schule schließlich zwei Jahre später einziehen konnte. „Ich glaube sicher, dass diese Schule, auch wenn sie vielleicht hinsichtlich ihrer Schülerzahl nicht groß ist im Vergleich zur Größe unserer Völker, dass sie dennoch einmal eine Art Kristallisationskern der guten Beziehungen zwischen unseren Gesellschaften, unseren Völkern, unseren Staaten werden kann und werden wird“, sagte Havel bei der Grundsteinlegung und machte darauf aufmerksam, welche wichtige Rolle die Schule für die deutsch-tschechischen Beziehungen spielt, die auch nach 1990 nicht immer einfach waren.
Johannes Rau und Václav Havel beim gemeinsamen Spatenstich für den Neubau 2002. Foto: ČTK/Třeštík Jan
Das Gymnasium bekam aber nicht nur ein neues Gebäude, schon im Jahr 2000 wurde es in eine „Begegnungsschule“ umgewandelt und in das tschechische Schulsystem aufgenommen: Seitdem besuchen die Schülerinnen und Schüler entweder einen deutsch- oder tschechischsprachigen Zweig, die bis zur zehnten Klasse zunehmend integriert werden. In der zwölften Klasse gibt es dann die Möglichkeit, auch das tschechische Abitur abzulegen.
„Quantität allein ist kein Ziel“
Im Jahr 2009 erreichte die Schule einen weiteren Meilenstein und erhielt das Gütesiegel „Exzellente Deutsche Auslandsschule“. Seit 2017 ist sie außerdem UNESCO-Schule. Heute besuchen sie etwa 500 Kinder, 53 Lehrerinnen und Lehrer sind an ihr beschäftigt. Außerdem ist der Schule auch noch ein Kindergarten mit 55 Kindern angeschlossen. Und die Schule wächst weiter. „Das Gebäude ist heute schon wieder sehr eng, unsere Klassen sind voll, uns fehlen Klassenräume, sodass es jetzt eine Diskussion gibt, inwieweit wir Möglichkeiten finden, das Gebäude ein bisschen zu erweitern, um wieder mehr Platz zu gewinnen“, berichtet Clemens Rother, der die Schule seit etwas mehr als zwei Jahren leitet. „Quantität allein ist aber kein Ziel, damit muss gleichzeitig natürlich auch eine Weiterentwicklung der Schulqualität einhergehen“, fügt Rother hinzu.
Clemens Rother leitet die Deutsche Schule Prag seit 2018. Foto: Tobias Barthel
Schule als Begegnung
Doch was unterscheidet eigentlich eine deutsche Schule im Ausland von einer deutschen Schule in Deutschland? Der zentrale Punkt ist hierbei wahrscheinlich die stark ausgeprägte Internationalität. „Bei uns lernen Schülerinnen und Schüler aus über 20 Nationen. Es wird Deutsch gesprochen, es wird Tschechisch gesprochen, in den Pausen hört man teilweise auch Englisch und ich glaube, das ist ganz besonders, dass hier verschiedene Kulturen und Nationalitäten aufeinandertreffen, miteinander leben und sich begegnen. Wir versuchen das durch verschiedene pädagogische Konzepte zu unterstützen“, erklärt Rother. Dabei wird die Idee einer „Begegnungsschule“ im wahrsten Sinne des Wortes gelebt: Wenn die Schülerinnen und Schüler des tschechischsprachigen Zweigs in der sechsten Klasse eingeschult werden, gibt es eine gemeinsame „Begegnungsfahrt“ mit den Schülerinnen und Schülern des deutschsprachigen Zweigs. „Wir legen großen Wert darauf, dass die Schüler zusammenkommen, sich kennenlernen und miteinander arbeiten können“, so Rother. Nach der zehnten Klasse „verschmelzen“ dann die beiden Zweige. Die tschechischsprachigen Schülerinnen und Schüler beherrschen die deutsche Sprache dann auf einem so hohen Niveau, dass sie anspruchsvolle, klassische deutsche Literatur, wie etwa Goethes Faust, ohne große Probleme lesen können. „Das ist schon eine sehr beeindruckende Leistung“, sagt Rother dazu. Viele Schülerinnen und Schüler schlagen nach dem Abitur einen internationalen Werdegang ein, nicht wenige entscheiden sich für ein Hochschulstudium in Deutschland.
Eine weitere Besonderheit an einer deutschen Auslandsschule ist natürlich auch die hohe Fluktuation unter den Schülerinnen und Schülern. Viele der Eltern sind sog. „Expats“, sodass bei vielen Kindern klar ist, dass sie nur für eine begrenzte Zeit in Prag zur Schule gehen werden. Das ist für junge Menschen natürlich oft eine Herausforderung, aber dadurch lernen sie auch, andere zu integrieren. Die Heranwachsenden werden bei diesen Prozessen seit diesem Jahr aber auch von einer Sozialarbeiterin unterstützt.
Die Deutsche Schule in Zeiten von Corona
Sozial mit seinen Mitmenschen zu interagieren ist neben dem „harten“ Wissen aus Lehrplänen eine der wichtigen Fähigkeiten, die junge Menschen an einer Schule lernen können. In diesem Jahr gestaltet sich das aufgrund der Corona-Pandemie aber schwieriger als gewohnt. Im März musste die Deutsche Schule – so wie alle Schulen in Tschechien – bis zum Frühsommer ihre Türen schließen. Im Herbst verschlechterte sich die Corona-Lage in Tschechien wieder, sodass sich die tschechische Regierung entschloss, die Schulen erneut zu schließen. Der Unterricht kann seitdem nur digital stattfinden. Dabei hatte die Deutsche Schule Prag aber Glück im Unglück: „Also wir hatten das Glück, dass wir in diesem Schuljahr ein eigenes Lern-Management-System entwickelt haben, sodass wir sofort am Tag nach der Schulschließung Aufgaben digital zur Verfügung stellen konnten. Da waren wir, ohne dass uns das so bewusst war, ein Stück weit vorbereitet“, erzählt Rother.
Zunächst sei man den Weg gegangen, die Inhalte aus dem Unterricht digital als Aufgaben verfügbar zu machen. Rother gesteht, dass das am Anfang nicht der optimale Weg war. Für Schülerinnen und Schüler wie auch für die Lehrenden sei das eine große Herausforderung und Umstellung gewesen. Inzwischen betrage der Anteil an Videokonferenzen etwa 50 Prozent, wobei es da auch deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Unterrichtsfächern gebe. Während sich der Unterricht in Fächern wie Sozial- oder Erdkunde gut über Projekte realisieren lässt, ist besonders für den Sprachunterricht der persönliche Austausch unverzichtbar, daher ist dort auch der Anteil an Videokonferenzen höher.
Fit für die digitale Zukunft
Letztendlich beschleunigt die Corona-Pandemie die Digitalisierung im Bildungsbereich und setzt althergebrachte Lernkonzepte auf den Prüfstand. Was funktioniert auch digital? In welchen Bereichen klappt das weniger gut? „Wir müssen die Schülerinnen und Schüler fit machen für die digitale Zukunft“, ist sich Schulleiter Rother sicher, denn die jungen Leute von heute werden in ihrem Berufsleben voraussichtlich viel mit digitalen Medien arbeiten. Um sie darauf vorzubereiten, hat die Deutsche Schule in der zehnten Jahrgangsstufe als ein Pilotprojekt iPad-Klassen eingerichtet. Dort werden also Tablets zunehmend im Unterricht eingesetzt und dieser stark auf digitale Medien ausgerichtet. Mit dem Blick auf die Schulchronik ist auch das ein Meilenstein. 1992, als die Deutsche Schule den ersten Computer erhielt, konnte man sich wohl kaum vorstellen, in welchem Ausmaß sich das Lernen und Unterrichten durch digitale Medien ändern würde.
Laut Rother falle es durch den Einsatz digitaler Medien und digitaler Medieninhalte leichter, auf die unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu reagieren. Es lassen sich individuell verschiedene Aufgaben bereitstellen und auch verschiedene Lernwege eröffnen. Schulleiter Clemens Rother ist sich sicher, dass das Pilotprojekt erfolgreich sein und man in Zukunft noch viel mehr auf digitale Medien setzen wird. Dabei müsse man aber auch kritisch hinschauen und in jedem Fall abwägen, inwiefern der Einsatz digitaler Medien ein Plus bringe oder ob bewährte Methoden am Ende effektiver seien. „Die Mischung wird es am Ende ausmachen“, denkt Rother.
Festwoche als „Adventskalender“
Eine Herausforderung in Sachen Digitalisierung bringt letzten Endes auch das 30-jährige Jubiläum der Deutschen Schule, denn anders als geplant muss auch die Festwoche ins Internet verlegt werden. Im Zeitraum vom 9. bis 17. November, was natürlich ganz bewusst gewählte Daten sind, will die Deutsche Schule 30 digitale Angebote senden. Geplant sind unter anderem zwei von Schülerinnen und Schülern moderierte Diskussionen zu den deutsch-tschechischen Beziehungen mit den Botschaftern der beiden Länder sowie mit Politikwissenschaftlern, die Präsentation einer von Schülerinnen und Schülern komponierten Schul-Hymne, die Vorstellung von Filmprojekten, ein Rückblick auf den Wettbewerb „Jugend musiziert 2019“ sowie ein Schulrundgang „mit den Augen der Schüler“. Für interessierte Eltern, die ihre Kinder an der Deutschen Schule anmelden möchten, sind digitale Sprechstunden geplant. „Man kann sich das vorstellen wie eine Art Adventskalender, bei dem man an den einzelnen Tagen immer wieder Türchen öffnen kann“, freut sich Rother, dass es gelungen ist, trotz Corona-Pandemie ein buntes Programm zum Geburtstag der Schule anbieten zu können.
Die Termine für die einzelnen Veranstaltungen werden zeitnah auf der Webseite der Deutschen Schule Prag veröffentlicht: www.dsp-praha.org.