Seit Mitte August läuft in den tschechischen Kinos ein Film über die heldenhafte Redaktion des tschechoslowakischen Rundfunks während des Prager Frühlings. Unter der Regie von Jiří Mádl porträtiert Vlny (Waves) die Journalistengruppe der Auslandsredaktion in den Monaten vor und während der dramatischen Entwicklungen bis August 1968.

Der große Saal des Kinos Světozor im Prager Zentrum ist bis auf den letzten Platz gefüllt, das Publikum eher jung. Der tschechische Regisseur und Drehbuchautor Jiří Mádl scheint mit seinem neuen Film Vlny, 56 Jahre nach der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings, einen Nerv getroffen zu haben. Einige Stimmen handeln Mádl’s dritten Film als Regisseur sogar als tschechischen Film des Jahres.

In intensiven 130 Minuten durchlebt man als Zuschauer den Zeitraum von Oktober 1967 bis August 1968 – also das Vorfeld und die Zeit des Prager Frühlings – aus der Perspektive des jungen Prager Radiotechnikers Tomáš. Im Zentrum steht das Auslandsbüro des Tschechoslowakischen Rundfunks, das heißt die Redaktion „Internationales Leben“. Dabei gibt es in dem Film nicht unbedingt einen Hauptdarsteller, sondern eher kollektive Helden.

Film über reale Personen

Vlny porträtiert somit eine charismatische Gruppe von Radiojournalisten und arbeitet dabei, neben fiktiven Charakteren wie Tomáš und seinem in der Studentenbewegung aktiven Bruder Pavel, mit den realen Namen und Personen der ehemaligen Redaktionsmitarbeiter, wie Milan Weiner, Jiří Dienstbier und Věra Štovíčková. Das ist vermutlich die Stärke und Schwäche des Films zugleich. Denn einerseits schafft es Mádl durch seinen farbenfrohen, emotions- und effektstarken Film, gerade auch ein junges Publikum für die jüngere Geschichte des Landes und den beeindruckenden gesellschaftlichen Einsatz des Rundfunks zu gewinnen. Andererseits kann er trotz jahrelanger Recherchearbeit im Vorfeld des Films einem historisch-kritischen Anspruch in der Darstellung der Ereignisse nicht gerecht werden, weil er Vereinfachungen in Kauf nehmen muss. Dies wird zum Beispiel an der Figur Milan Weiners deutlich. Die bewegende Biografie des Redaktionsleiters, der 1945 noch in die Kommunistische Partei eintrat und Propagandabücher über den chinesischen Kommunismus schrieb, findet keine Erwähnung.

Bedeutung des Prager Frühlings heute

Dennoch handelt es sich bei Vlny um einen ästhetisch anspruchsvollen Film, der mit authentischen Kostümen, einem Wechselspiel aus Spannung und Ruhe in der Erzählung sowie eindrücklichen, gemischten Episoden aus Film- und Archivmaterial die Bedeutung der außergewöhnlichen Geschichte des Prager Frühlings den Zuschauern auch im Jahr 2024 nahebringt. Der Mut der kleinen Redaktionsgruppe, die der staatlichen Zensur und den Schikanen durch den Geheimdienst trotzte und so der Bevölkerung unabhängige Nachrichten übermittelte, berührt auch heute und stimmt nachdenklich. An der einen oder anderen Stelle leidet der Film an einem etwas übertriebenen Pathos und einem hinausgezögerten, harmonisierenden Ende. Trotzdem ist Vlny ein tolles Kinoerlebnis, das auch dazu einlädt, sich im Nachgang tiefer mit den historischen Begebenheiten des Prager Frühlings zu beschäftigen.

Der Politthriller der tschechisch-slowakischen Koproduktion hatte seine Premiere beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary Anfang Juli 2024 und läuft seit Mitte August in den tschechischen Kinos. Auf dem Filmfestival erhielt das Drama den Právo-Publikumspreis. In Prag ist der Film auch mit englischen Untertiteln noch bis Ende September unter anderem im Kino Světozor, Aero Cinema oder im Kino Bio Oko zu sehen.

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