Tschechien hat sich im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen deutlich verbessert. Innerhalb eines Jahres sprang die Republik von Platz 40 auf Platz 20. Journalisten sehen die Medienfreiheit allerdings weiterhin durch den Einfluss von Andrej Babiš bedroht.

Tschechien sprang im Ranking der Medienfreiheit um zwanzig Plätze nach oben. In Zeiten, in denen die internationale Tendenz eher in die andere Richtung zeigt und die Pressefreiheit in immer mehr Staaten beschnitten wird, ist dies eine gute Nachricht für die tschechische Öffentlichkeit, Demokratie und Presse. Grund zur Entwarnung gibt es allerdings nicht, denn es gibt noch viele offene Baustellen und der ehemalige Premier Andrej Babiš stellt sich auf absurde Art und Weise quer.

Pressefreiheit steigt auf Grund des Regierungswechsels

Die größte politische Änderung im letzten Jahr war die Abwahl von Andrej Babiš (ANO) als Premier und die Wahl von Petr Fiala (ODS) zum neuen Regierungschef. Mit diesem Machtwechsel änderte sich auch die politische Kultur und der Umgang mit der Presse. Am Dienstag bedankte sich der neue Premier und Professor für Politikwissenschaften bei den Journalisten für ihren Beitrag für die Gesellschaft. Der Premierminister und die Regierung seien davon überzeugt, dass eine demokratische Gesellschaft ohne unabhängige Journalisten und freie Medien nicht funktionieren könne, zitiert das Tschechische Fernsehen (Česká televize) den Premierminister aus einer Pressemeldung.

Petr Fiala sparte auch nicht mit Kritik an dem Vorgehen der Vorgängerregierung mit der Presse und bedankte sich bei allen, die ihre Bedenken zur Lage der Pressefreiheit in Tschechien äußerten. „Ihre Bemühungen haben dazu beigetragen, die Zerstörung freier und unabhängiger Medien in unserem Land zu verhindern. Die Praktiken der Beschränkung der Teilnahme an Pressekonferenzen, der Einschränkung des Zugangs zu Informationen und der selektiven Platzierung staatlicher Werbung sind mir grundsätzlich fremd“, so Fiala.

Presse bedroht durch Berlusconi-Strategie von Andrej Babiš

Dennoch bleibt dem Premier und der Gesellschaft noch ein Berg an Herausforderungen zu bewältigen, um die Pressefreiheit in Tschechien vollumfänglich wiederherzustellen. So kritisierte der Journalist Karel Hvížďala im Tschechischen Fernsehen, dass Andrej Babiš noch immer einen großen Einfluss auf die Medien und Zeitungen habe, die durch seinen Treuhandfonds verwaltet werden. Zu ihnen gehören große Medienhäuser. Der Unternehmer kaufte vor der Wahl 2013 unter anderem die beiden größten Tageszeitungen und den größten privaten Rundfunksender. Nachdem er gewählt wurde, übergab er sie in treuhänderische Verwaltung, wobei er Experten zu Folge de facto aber weiterhin die Kontrolle darüber behielt.

Im Tschechischen Fernsehen hob der Journalist Hvížďala den Einfluss des Politikers auf seine Medien noch einmal hervor: „Als er Premierminister war und einen Minister absetzen wollte, haben sie dort Artikel darüber platziert, wie schlecht er sei oder was er falsch mache, jetzt ist es dasselbe mit seinen Gegnern, die im Präsidentschaftswahlkampf als Kandidaten antreten.“ Andrej Babiš tritt zur Präsidentschaftswahl an und gilt als aussichtsreicher Kandidat, das Regierungsbündnis konnte sich noch nicht auf einen Gegenkandidaten einigen. Gute Chancen werden auch dem Gewerkschaftsvorsitzenden Josef Středula zugeschrieben, der seine Kandidatur zwar noch nicht offiziell bekannt gab, sie aber erwägt.

Babiš versucht die Parlamentsdebatte zu Interessenskonflikten zu verhindern

Seit der Übernahme vieler einflussreicher Medien durch den Unternehmer haben sich allerdings auch neue Zeitungen gegründet, teilweise von ehemaligen Redakteuren, die wegen Babiš ihre Medienhäuser verlassen mussten. Dadurch etablierten sich in den letzten Jahren wieder diverse unabhängige Medien in Tschechien. „Es ist ein Beweis dafür, dass es viele Leute in den Medien gab, die den Bürgern dienen wollten“, so Hvížďala.

Bevor der ehemalige Premier im großen Stil tschechische Medien aufkaufte, lag Tschechien auf Platz 15 der Medien- und Pressefreiheit. Der Zustand ist also noch lange nicht auf dem einstigen Niveau. Momentan soll im Parlament über eine Änderung des Interessenkonfliktgesetzes debattiert werden, die vorsieht, Beamten den Besitz von Medien zu verbieten. Diese Debatte kam allerdings bisher noch nicht zu Stande. Babiš zögert durch lange Redebeiträge die aktuelle Sitzung hinaus, welche verhindern, dass die Gesetzesänderung im Parlament behandelt wird. So las er in seiner mehrstündigen Rede beispielsweise aus einem Prospekt zur Prostatakrebsvorsorge vor, was von den Regierungsparteien als strategisches Geschwafel eingeordnet wurde.

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