Der Kreis hat sich geschlossen: im Januar 2001 verließ das 20-jährige tschechische Fußball-Supertalent Tomáš Rosický seinen Ausbildungsverein Sparta Prag Richtung Dortmund. 15einhalb Jahre später ist er wieder nach Hause zurückgekehrt.
Der BVB investierte seinerzeit noch auf Teufel komm raus und überwies an die Moldau die damals unglaubliche Summe von einer halben Milliarde Kronen (29 Millionen DM). Es war der bis dahin teuerste Transfer eines Bundesligaklubs. Die Bayern, mit denen Rosický und sein Manager Pavel Paska ebenfalls verhandelt hatten, waren kurz vor dem Deal der Borussen ausgestiegen. Und dürften sich im Nachhinein schwer geärgert haben.
Beidfüßig streichelte der schmächtige Bursche den Ball, wurde sofort zum Spielmacher im Westfalenstadion, bewies unerhörtes taktisches Verständnis und zudem auch Torjägerqualitäten. Die Fans waren verzückt und konnten sich nicht satt sehen an dem „kleinen Mozart“, dem der Boulevard den von ihm gehassten Spitznamen „Schnitzel“ gab, „damit er etwas zulegt“. Auch im wahren Leben mag er Schnitzel bis heute nicht sonderlich, freut sich mehr über böhmischen Lendenbraten, Gulasch oder mediterrane Salate. Anfangs in Dortmund hat ihn Mama bekocht, heute macht das Ehefrau Radka, eine einstige tschechische Vize-Miss und Wetterfee eines Prager TV-Senders.
An der Seite von Marcio Amoroso und seines Landsmanns Jan Koller holte Rosický 2002 die Meisterschaft für den BVB. Als Trainer Matthias Sammer für die Saison darauf dem aus Bremen gekommenen vergleichsweisen Malocher Torsten Frings die Mittelfeldzentrale zuwies, ließ sich der bis heute schüchterne Rosický unterbuttern. Sammer degradierte den Ausnahmespieler zum Hilfsarbeiter. Rosický protestierte nicht laut genug. Später sagte er über diese Zeit: „Ich war zu nett.“
Rosický litt in Wahrheit jedoch wie ein Hund unter Sammer, auf dem Spielfeld stagnierte er, wie ihm selbst die sonst sehr liebevolle lokale Presse in Dortmund vorwarf. „Was in den Jahren des Fast-Crashs passierte, hat mich irgendwie blockiert, obwohl ich immer das Beste wollte“, rekapitulierte Rosický. Trotzdem hat er bis heute gute Erinnerungen an seine BVB-Zeit. Er fühlte sich auch sehr geehrt, als ihn die Leser der „Ruhr-Nachrichten“ in die „BVB-Elf des Jahrhunderts“ wählten.
Der Wechsel zum Londoner FC Arsenal 2006 war dennoch folgerichtig. Arsene Wenger bekam Rosický für eine aus heutiger Sicht Spottpreis von nicht einmal zehn Millionen Euro. Bei den Gunners absolvierte er 170 Premier-League-Spiele, schoss dabei 19 Tore und gewann zweimal den FA Cup und einmal den Community Shield. Doch die Zeit an der Themse war immer wieder von schweren Verletzungen überschattet. 2015/2016 waren seine schlimmsten Jahre. Ein Knie-OP und eine Oberschenkelverletzung nervten ihn, zwangen ihn lange zum Zuschauen. Wenger nannte es dennoch voller Überzeugung „ein Privileg“, mit ihm gearbeitet zu haben. Trotzdem wurde sein Vertrag nach zehn Jahren jetzt nicht mehr verlängert. Was Wunder, Rosický zählt 35 Lenze.
Bei der EM in Frankreich ließ er noch einmal seine große Klasse aufblitzen – bis ihn erneut eine Verletzung traf. Ob er als langjähriger Kapitän der tschechischen Nationalelf noch einmal für sie die Schuhe schnüren wird, ist bislang offen. In der WM-Qualifikation könnte er mal wieder gegen die Deutschen spielen.
Doch jetzt hat Sparta Prag Vorrang, seine alte Liebe, die er über all die Jahre nie aus den Augen verloren hat. Für zunächst zwei Jahre hat „Rosa“, wie er in seiner Heimat genannt wird, auf dem Prager Letná-Hügel angeheuert, muss erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen, was ihn aber beim Blick auf sein Konto nicht sonderlich stört. Seine Mitspieler müssen sich warm anziehen. Rosický hat ihnen bei seiner Vorstellung einen zuletzt „Grottenkick“ bescheinigt: für die Qualifikation zur Champions League hat es wieder nicht gereicht, nur für die Europa League.
Rosický hat betont, dass er nicht in die Heimat gekommen sei, um „nur Fußball zu spielen“. „Ich will noch einmal Titel gewinnen! Darauf habe ich großen Appetit!“ Alle Verletzungen sind derzeit überwunden. Seit ein paarTagen trainiert Rosický bereits mit der Mannschaft. Die Sparta-Fans sind außer sich. Mit Rosickýs Rückkehr erfüllen sich ihre kühnsten Träume. Der „kleine Mozart“, der in seiner Freizeit passabel Gitarre spielt, stimmt das Instrument noch einmal neu.
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