Mit 28.469 neuen Fällen verzeichnete die Tschechische Republik den bisher höchsten Wert an Neuinfektionen pro Tag. Die von der Vorgängerregierung beschlossene Impfpflicht für Menschen über 60 Jahren und bestimmte Berufsgruppen macht das Kabinett Fiala wieder rückgängig und setzt weiter auf Eigenverantwortung.
Die Tschechische Republik vermeldete einen traurigen Rekord. Mit 28.469 Infizierten wurde der höchste Wert der täglichen Neuinfektionen seit Pandemiebeginn gemeldet. Experten gehen allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus, da die Testkapazitäten begrenzt und überlastet sind. „In zehn Tagen werden wir wissen, ob Omikron die Krankenhäuser überschwemmt“, sagte Ladislav Dušek, Direktor des Instituts für Gesundheitsinformation und –statistik (ÚZIS) in einem Interview mit Televize Seznam. Die Prognosen des ÚZIS zeigen, dass es bis Ende Januar zu 50.000 gemeldeten Neuinfektionen pro Tag kommen könnte.
Der drastische Anstieg ist auch in den Inzidenzwerten zu beobachten. Dieser liegt in der Tschechischen Republik laut dem Gesundheitsministerium am 19.01.2022 bei 950 bestätigten Fällen in den letzten sieben Tagen pro 100.000 Einwohner. Besonders drastisch ist die Lage in Prag, hier liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 1671. Bisher verstarben in Tschechien 36.937 Menschen einer Infektion mit Covid-19. 63 Prozent der Tschechen sind vollständig geimpft, eine Booster-Impfung erhielten 31,1 Prozent.
Regierung kippt Impfpflicht und setzt auf Eigenverantwortung sowie Testpflicht
Der Premierminister Petr Fiala (ODS) erklärte hingegen, dass die Forderung nach Eigenverantwortung in der Pandemie funktioniert hätte. Die ergriffenen Maßnahmen würden wirken, erklärte der tschechische Regierungschef. Dabei setzt sein Kabinett vor allem auf die Testpflicht. Diese gilt momentan für Unternehmen und Schulen, alleine die Unternehmen meldeten am vergangenen Montag und Dienstag 9.098 positive Schnelltests. Die Firmen müssen nur die positiven Testergebnisse melden, diese schlagen sich nicht in der Statistik der Neuinfizierten nieder. Bei einem positiven Antigen-Testergebnis muss der Mitarbeiter für fünf Tage in Quarantäne. Diese kann durch einen negativen PCR-Test vorzeitig beendet werden.
Die Regierung um Petr Fiala beschloss am Mittwoch außerdem, die von der Vorgängerregierung aus ANO und Sozialdemokraten beschlossene Impfpflicht in bestimmten Berufsgruppen und für Menschen über 60 Jahren wieder zurückzunehmen. Diese sollten bis zum 1. März ihre Impfung vollständig abgeschlossen haben. Zunächst war eine mögliche Lockerung der Impfpflicht im Gespräch, nun fällt diese ganz. Premier Fiala begründete die Entscheidung mit dem Bemühen, „die Gräben in der Gesellschaft nicht zu vertiefen“, sowie damit, dass in den Berufen, für die die Impfpflicht gelten sollte, die Impfquote bei rund 90 Prozent liege. Gleichzeitig rief Fiala aber alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich impfen zu lassen. Gesundheitsminister Vlastimil Válek (TOP 09) betonte, die dritte Dosis schütze „praktisch zu hundert Prozent vor einem schweren Verlauf“. Der Gesundheitsminister vertritt die Ansicht, dass Tschechien bei ausreichender Impfquote die aktuelle Omikron-Welle „ohne große Verluste“ überstehen werde.
Impfgegner werden lauter, Hana Horká stirbt nach absichtlicher Infektion
Auch in der Tschechischen Republik kommt es inzwischen zu regelmäßigen Demonstrationen von Impfgegnern, Verschwörungsideologen und Gegnern der Corona-Maßnahmen. Alleine für diese Woche wurden Kundgebungen in neun Städten angekündigt. Organisiert werden diese in der ganzen Republik von der Initiative „Chcípl PES – Otevřeme Česko“ (wörtl.: „verreckter Hund – öffnet Tschechien“*). Bereits im Wahlkampf im vergangenen Jahr präsentierte sich die Gruppe als offen antidemokratisch und verbreitete Verschwörungsideologien sowie Hetze gegen Minderheiten. Unter dem Slogan „Es wird normal“ forderten sie nicht nur ein Tschechien ohne Impfung und Corona-Maßnahmen, sondern auch ohne demokratische Parteien, ohne Homosexuelle, ohne Migranten und ohne die EU.
Zudem verstarb eine bekannte Tschechische Musikerin und Impfgegnerin an einer absichtlichen Infektion. Hana Horká war eine tschechische Folk-Musikerin und Sängerin der Band Asonance. Ihrem Sohn zufolge habe sie sich bewusst dem Virus ausgesetzt, um so eine Impfung zu umgehen. Ihr geimpfter Mann und ihr geimpfter Sohn waren an dem Virus erkrankt, woraufhin sie beschloss, sich bei ihnen anzustecken. Der Sohn gibt den lokalen Aktivisten der Impfgegner-Bewegung die Schuld an ihrem Tod. „Sie haben Blut an ihren Händen“, erklärte er gegenüber dem Radiosender iRozhlas.cz. Am Ende habe sie den fremden Impfgegnern mehr geglaubt als ihrer Familie, so ihr Sohn.
* „Hund“ (tsch. pes) bezieht sich auf das inzwischen nicht mehr aktive Anti-Corona-System „PES“, nach welchem sich Verschärfungen und Lockerungen der Corona-Maßnahmen richteten.
