Ende April läuft das vom ehemaligen Minister für Menschenrechte und Gleichberechtigung, Jiří Dienstbier, eingeführte Programm „HateFree Culture“ aus. Ziel des Projektes war es unter anderem, Fehlinformationen in sozialen Netzwerken entgegenzuwirken und eine Diskussionskultur ohne Hass zu etablieren.
Die zu 80 Prozent aus den sogenannten „Norway Grants“ und zu 20 Prozent aus dem Staatshaushalt bezahlte Initiative hatte von Anfang an viele Gegner, die ihr unter anderem Verschwendung von Steuergeldern vorwarfen, und so endet sie nun ohne Pläne für ein Anschlussprogramm.
Das Problem der hasserfüllten und zum Teil strafrechtlich relevanten Kommentare in sozialen Netzwerken bleibt jedoch erhalten. Um Möglichkeiten eines Vorgehens gegen Hassbotschaften und Fehlinformationen, sogenannte „Fake News“, zu besprechen, besuchte Anfang März Christian Lange, Staatssekretär beim deutschen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Tschechien. Er traf sich mit Innenminister Milan Chovanec, besuchte das neugegründete Zentrum gegen Terrorismus und hybride Bedrohungen und nahm abschließend an einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) teil.
Kompetenz gefragt
Der Einladung der FES zur gemeinsamen Diskussion an der Juristischen Fakultät der Prager Karlsuniversität war auch Jiří Dienstbier gefolgt, der mit Lange über Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit neuen Medien sprach. Beide waren sich schnell einig, dass zu einer zunehmend im digitalen Raum kommunizierenden Gesellschaft notwendigerweise ein großes Maß an Medienkompetenz und digitaler Selbstständigkeit gehört. Man laufe sonst Gefahr, dass Hassbotschaften im Internet zu realen Bedrohungen werden. „Erst kommt die Hetze, dann kommt die Gewalt“, fasste Lange zusammen.
Dem könne man nicht nur durch Zensur oder Netzsperren entgegentreten. Nicht nur Juristen und Politiker, sondern die gesamte Gesellschaft sei gefragt, wenn es darum geht, Hassbotschaften abzulehnen, sagte Lange. Die Meinungsfreiheit sei zwar ein wichtiges Grundrecht, es gelte aber auch, die Schwächeren zu schützen. Hasskommentare beschäftigen in Deutschland deshalb immer öfter auch die Gerichte. Für Rechtsverstöße dieser Art wurden so bereits hohe Geldstrafen verhängt.
Weiter Weg
Jiří Dienstbier beklagte hingegen, dass die Ahndung solcher Straftaten in Tschechien noch nichtso weit sei wie in Deutschland. Dabei seien auch Konzerne wie Facebook selbst in die Pflicht zu nehmen, was aber gerade kleineren Ländern in direkten Verhandlungen mit solchen multinationalen Firmen zunehmend schwer falle. Erste Versuche, gerade Facebook davon zu überzeugen, schneller und deutlicher auf gemeldete Verstöße zu reagieren, seien sehr schleppend verlaufen. Echter Druck müsse daher gemeinsam auf europäischer und internationaler Ebene aufgebaut werden.
Rechtliche Schritte bleiben immer die Ultima Ratio, denn das Ziel sind Bürger, die zivilisiert miteinander umgehen und nicht auf der Hatz nach ein paar „gefällt mir“-Klicks ihr Gegenüber herabwürdigen oder angreifen. Gerade hier muss auch eine Medienkompetenzerziehung schon in der Schule ansetzen. Einrichtungen wie das Zentrum gegen Terrorismus und hybride Bedrohungen oder das EU-Programm „EU versus Desinformation“, die absichtlich platzierte Falschmeldungen als solche entlarven, können dabei helfen. Streitkultur und Anstand können jedoch nur erlernt und nicht erzwungen werden.
{flike}