Eine nachhaltige Vorstellung über das Aussehen des Berggeistes schuf der österreischische Maler Moritz von Schwind (um 1845). Foto: Wikimedia Commons / gemeinfrei

In den vergangenen Jahren haben wir im LandesEcho eine lange Sagenreise unternommen und haben den Schönhengstgau, das Kuhländchen, den Böhmerwald und das Erzgebirge besucht. Es bleibt eine noch eine wunderschöne Landschaft – das Riesengebirge.

Im Riesengebirge lebte der Sage nach ein mächtiger Berggeist, den alle nur Rübezahl nannten. Er war der Hüter verborgener Schätze, Beherrscher von Wind und Wetter, Machthaber über das Reich der Naturgewalten. Rübezahl war geheimnisvoll, groß und mächtig wie das Gebirge selbst.

Im Riesengebirge lebte er seit uralten Zeiten, beschützte Höhlen und Felsen, Sümpfe, Wälder und Tiere. Manchen Menschen half er in der Not, anderen spielte er derbe Streiche.

Den Armen und Gutmütigen half er stets, strafte aber die Geizigen und Hartherzigen. Darum galt und gilt auch heute noch die Warnung: „Wanderer kommst Du in jene Berge, so denke daran, der Berggeist kann überall sein.“

Und wie kam der Rübezahl zu seinem Namen?

In längst vergangenen Zeiten stieg der Geist der Berge wieder mal auf die Erdoberfläche und auf seiner Suche nach dem Leben der Menschen sah er an einem Wasserfall die liebreizende Königstochter Emma beim Baden, er beobachtete sie, verliebte sich in das Mädchen und entführte es in sein unterirdisches Reich. Weil er ihre Liebe gewinnen wollte, überschüttete er sie dort mit Aufmerksamkeiten. Aber Emma hatte große Sehnsucht nach ihren Freundinnen, ihrem Heim und ihrem Verlobten. Um Emma aufzuheitern, holte der Berggeist einige Rüben von Feld und legte sie in einen hübschen Korb. „Dies sind magische Rüben“, erklärte er der Königstochter. „Du kannst aus jeder Rübe eine Gestalt zaubern, die du bei dir haben möchtest.“ Emma zauberte zuerst ihre Freundinnen herbei und dann ihren ganzen Hofstaat. Nach einigen Tagen wurden aber die Herbeigezauberten immer schlaffer und lebloser, weil sie wie Rüben welkten. Um Emmas Wut zu lindern, versprach Rübezahl ihr, im Frühjahr neue Rüben vom Feld zu holen.

Den Winter über ersann die Königstochter einen Plan, wie sie nach Hause und zu ihrem Prinzen zurückkehren könnte. Als im Frühjahr neue Rüben wuchsen, versprach sie, Rübezahl zu heiraten, wenn ihm Folgendes gelänge: „Geh aufs Feld hinaus und zähle, wie viele Rüben dort wachsen. Gelingt dir das, so werde ich deine Frau, gelingt es nicht, musst du mich gehen lassen.“ Der Berggeist eilte hinaus aufs Feld und zählte die Rüben. Um sicher zu sein, zählte er sie gleich noch einmal, kam aber zu einem anderen Ergebnis. Also begann er wieder von vorne an zu zählen. Inzwischen verzauberte die Prinzessin eine Rübe in ein lebenslustiges Ross, das sie über die Einflussgrenze des Berggeistes hinaustrug. So floh die gefangene Königstochter zu ihrem Prinzen. Die Prinzessin und der Prinz kamen zusammen und dem Herrn der Berge blieb der Namen Rübezahl.

Heute noch wird der Berggeist sehr zornig, wenn man ihn mit diesem Spottnamen anredet, denn er bedeutet: „Der die Rüben zählt.“


Dieser Beitrag erschien zuerst in der Januar-Ausgabe 2023.

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