Am Samstag feierte die deutsche Minderheit in Polen ihr bereits sechstes großes Kulturfestival in der Breslauer (Wrocław) Jahrhunderthalle. Alle drei Jahre kommen dafür die Deutschen aus dem ganzen Land zusammen.
Im großen Saal der Halle gab es den ganzen Tag über ein Bühnenprogramm, bei dem mit talentshowerfahrenen Akkordeon-Spielern über gemischte Chöre bis zu Rosamunde-Karaoke für fast jeden Geschmack etwas geboten wurde. Vor dem Saal informierten die einzelnen Organisationen der Deutschen aus ganz Polen über ihre Arbeit, boten Selbstgebackes an und zeigten ihre neuesten Publikationen.
Mit dabei waren zudem Kulturmittlerorganisationen wie das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und das Goethe-Institut aus Krakau (Kraków). Mit dem ifa und zwei Berliner Musikern konnte man bei eine Workshop beispielsweise das Beatboxen erlernen.
Archiv der erzählten Geschichte
Zum Rahmenprogramm gehörte aber auch ein Gespräch mit Zeitzeugen, die sich am Projekt „Archiv der erzählten Geschichte“ des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit beteiligen. In mittlerweile über 500 Interviews wurden dabei Erinnerungen von Schlesiern gesammelt, die sonst in Vergessen zu geraten drohten. Die Gespräche mit den Zeitzeugen führen dabei Jugendliche, die so ganz neue Seiten der Geschichte ihrer Region kennenlernen. Bernard Gaida, seit 2009 Vorsitzender des „Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen“ (VdG), lobte das Projekt als Mittel der Kulturbewahrung und sprach den Jugendlichen großen Dank aus.
Das Thema der Diskussionsrunde beim Kulturfestival lautete „1945 – unsere Geschichte“. Über ihre Erfahrungen am Ende des Zweiten Weltkriegs erzählte unter anderem Renata Zajączkowska, die seit vielen Jahren die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Breslau leitet. Sie schilderte die Ankunft der Roten Armee und die Verschleppung von Zivilisten zur Zwangsarbeit in Russland, von der nur etwa ein Drittel der Verschleppten zurückkehrte. „In meinen Träumen taucht es heute noch auf,“ beschrieb sie das Trauma, das die Geschehnisse, die sie als damals 11-Jährige miterlebte, hinterließen.
Einen großen Einschnitt im Leben der jüngeren Deutschen in den Polen zugeschlagenen Gebieten stellte die Polonisierung ihrer Heimat dar. Die deutsche Sprache war im öffentlichen Raum verboten, in den Schulen sprach man nur noch Polnisch und auch die Namen wurden ins Polnische übertragen. So wurde aus Richard plötzlich Ryszard. Nach den Ereignissen der letzten Kriegsmonate war dies ein neuerlich belastendes Erlebnis. „Unsere Generation hatte keine Kindheit oder Jugend, sondern musste sofort erwachsen sein,“ sagte Renata Zajączkowska.
Abschluss mit Gaststar
Den großen Abschluss des Kulturfestivals bildete ein Konzert mit Gaststar Stefanie Hertel. Musik von Volkslied bis Schlager ließ das Publikum in der zwischen 1911 und 1913 nach Plänen des Architekten Max Berg errichteten Jahrhunderthalle noch einmal mitsingen und mitschunkeln. Das nächste große Kulturfestival ist für 2021 geplant.
Viele weitere Eindrücke und Bilder vom Kulturfestival der Deutschen 2018 finden Sie bei unseren Kollegen von Wochenblatt.pl: hier.