Die Olmützer Kulturtage brachten im vergangenen Oktober zum siebten Mal deutschsprachige Kultur in die mährische Metropole.

Nach einem vollständigen Online-Festival im Vorjahr entschied man sich in diesem Jahr für eine hybride Form. Denn es hatte sich gezeigt, dass in ganz Tschechien aber auch in Deutschland das Interesse an den Olmützer Kulturtagen groß ist. So konnten einige der Veranstaltungen auch bequem von zu Hause aus verfolgt werden. Vom Vorjahr ist auch der neue Termin geblieben, nämlich der Oktober.

Am Eröffnungsabend, dem 13. Oktober, fanden sich Veranstalter sowie zahlreiche Sponsoren und Unterstützer im Kaffeehaus der Unibibliothek Coffee Library ein und bestaunten die Lichtinstallation „Es werde Licht“, die vom Goethe-Institut Prag zur Verfügung gestellt wurde.

Besuch in verschwundenen Dörfern

Das Programm war auch dieses Jahr breit gefächert: Das Künstlerkollektiv „Naturtrüb“ aus Bielefeld präsentierte seine feministische Zeitschrift zum Thema Hunger und lud zur Diskussion ein. In der Wissenschaftlichen Bibliothek wurde eine Kurzfilmschau namens „Feinkošt“ gezeigt. Eines der Online-Events war die Alumni-Nacht der Germanistik, bei der Absolventen der Olmützer Germanistik von ihrem beruflichen Werdegang erzählten.

Das Herzstück der Olmützer Kulturtage war, wie schon fast schon traditionell, der Besuch der Heimatvertriebenen aus der Liebauer Gegend und ein gemeinsamer Ausflug mit ihnen in ihre verschwundenen Heimatdörfer, die sich heute in dem fast 300 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz Libavá befinden. Teil des Ausflugs waren vier Zeitzeugen, drei aus Deutschland, die als Kinder vertrieben wurden, und eine Zeitzeugin, deren deutschsprachige Familie bleiben musste. Im Bus ging es von ehemaligem Dorf zu ehemaligem Dorf, an manchen Orten sind nicht einmal mehr Mauerreste zu sehen. Umso bemerkenswerter ist das Gedächtnis der Zeitzeugen, die sich an Bäumen und Buschwerk orientierten, um zu erklären, wo die Häuser ihrer Eltern einst standen. So schwer das Thema auch ist, überwog bei den Zeitzeugen die Freude über den Besuch in der Heimat und über die gespitzten Ohren der Zuhörer. Bis auf den letzten Platz war der Bus voll besetzt, das Interesse an dem Ausflug „mit Mehrwert“ war wie immer sehr groß.

Zeitzeugen erzählen

In diesem Jahr wurden die Zeitzeugen aber noch mehr eingespannt, denn Interesse an einer Zeitzeugendiskussion zeigten gleich zwei Olmützer Gymnasien. So besuchten Alois Wagner (aus ehem. Rudelzau) und Oskar Czerwek (aus ehem. Kriegsdorf) das Gymnasium des deutschen Ritterordens, wo sie den Schülern über ihr Leben erzählten. An den Fragen gemessen ließen sich die Schüler von dem Erzählten mitreißen. Die dritte Zeitzeugin, die 89-jährige Maria Hartig (aus ehem. Bernhau), durfte das Gymnasium in Hejčín (Hatschein) besuchen, wo sie der Direktor des Gymnasiums mit einem Blumenstrauß freudig erwartete. Die Schüler bekamen die einzigartige Gelegenheit, sich erzählen zu lassen, wie Maria Hartig die Kriegszeit in einem kleinen Dörflein erlebte. Noch viel spannender und exotischer war die Erzählung, was nach dem Kriege kam. Die Nachkriegsgeschehnisse bekommen in den letzten Jahren immer mehr Raum in der gesellschaftlichen Diskussion, doch wissen nicht viele, was nach der Vertreibung kam, wie das Ankommen der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien in Deutschland war. Darauf richteten sich viele Fragen der Schüler. Wie verwundert waren die Schüler, als die Zeitzeugen erwähnten, dass sie sich von dem Besuch in Tschechien erhoffen, ihre Cousinen und Cousins zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten. Da zeigte sich ein weiterer Aspekt, der für die Schüler sehr beeindruckend war, nämlich wie der Krieg und das, was danach passierte, jeden einzelnen traf. Manche Menschen mussten das Land verlassen, manche mussten bleiben. Die Risse gingen selbst durch Familie. Aber der Abschluss war im Fall der Zeitzeugen positiv und die Verwandtschaft traf sich doch noch nach all den Jahren.

Die Zeitzeugen Alois Wagner und Oskar Czerwek im Gymnasium des deutschen Ritterordens. Foto: Michal Urban

Die Zeitzeugen Alois Wagner und Oskar Czerwek im Gymnasium des deutschen Ritterordens. Foto: Michal Urban

Olmützer Geschichte

Die Stadt Olmütz war nicht nur Austragungsort oder etwa Kulisse, sondern selbst auch Thema einiger Veranstaltungen. Es gab Führungen durch die Altstadt mit dem Schwerpunkt auf der deutschen Geschichte. Ein ganz exklusiver Programmpunkt war die Besichtigung des Commenius Festsaales. Mit vielen besonderen Fakten wurden die Festivalbesucher im Online-Raum von Martin Hajek bereichert, der sich dem deutschen Vereinsleben und der Kommunalpolitik im Olmütz der Vorkriegszeit widmet.

Man könnte noch viele einzigartige Momente beschreiben, an dieser Stelle wäre es aber wichtig, diejenigen zu nennen, ohne die das Festival gar nicht möglich wäre. Allen voran der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, der das Festival schon seit den Anfängen unterstützt. Dank Bohemia Troppau konnte man zahlreiche Sprachanimationen an den Grundschulen unter dem Namen „Deutsch ist super“ durchführen. Diese waren so beliebt, dass man nicht einmal alle interessierten Schulen bedienen konnte. Die Vereine „Antikomplex“ und „Lubavia“ halfen mit dem Ausflug und den Zeitzeugendiskussionen. Nicht vergessen seien die Olmützer Region, die Stadt Olmütz, die Deutsche Botschaft in Prag, die Firma Miele und viele weitere. Allen Sponsoren gilt ein riesiger Dank.

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