Die Schönhengster Volkstanzgruppe auf dem Sudetendeutschen Tag, Foto: Steffen Neumann

Daran hat auch die deutsche Minderheit in Tschechien Anteil, die in Regensburg stark vertreten war.

Libor Schröpfer staunt: „Da komme ich zum Sudetendeutschen Tag und lande ausgerechnet am tschechischen Tisch“, sagt er zu seinen Tischgenossen. Der Bürgermeister des kleinen Städtchens Holleischen (Holýšov) südwestlich von Pilsen (Plzeň) ist das erste Mal beim großen Pfingsttreffen der Sudetendeutschen. Er war erst wenige Monate Bürgermeister, als eines Tages die Einladung aus München auf seinem Tisch landete. Wieso er eingeladen wurde, weiß er nicht. „Vielleicht hat die Sudetendeutsche Landsmannschaft die Adressen aller Bürgermeister in den Sudeten und lädt alle ein“, mutmaßt er. Jedenfalls sagte er kurzentschlossen zu. Nicht nur wegen seines Namens, den er von seinem deutschen Großvater hat. Die deutsch-tschechischen Beziehungen sind ihm wichtig. Immerhin ist eine Mercedes-Tochter größter Arbeitgeber in Holleischen. Und Schröpfer persönlich pflegte schon lange vor der politischen Wende 1989 rege Beziehungen in die damalige DDR. Seinem passablen Deutsch hört man es an.

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Ganz so groß war der Zufall, an einem nur von tschechischen Landsleuten besetzten Tisch zu landen, allerdings nicht. Denn es kamen viele Tschechen zum 70. Sudetendeutschen Tag, der unter dem Motto: „Ja zur Heimat im Herzen Europas“ stand. Besonders freute die Veranstalter die Anwesenheit des früheren Vizepremiers der tschechischen Regierung und heutigen Parlamentsabgeordneten Pavel Bělobrádek. Der frühere Kulturminister und Vorsitzende des tschechischen Ackermann-Gemeinden-Vereins Daniel Herman hielt eine bemerkenswerte Festrede. Ergänzt wurde die Reihe prominenter Tschechen durch weitere aktuelle und ehemalige Politiker wie die frühere Ministerin Michaela Marksová und der frühere Senator Edvard Outrata. Dass es sich größtenteils um keine aktiven Politiker handelt, zeigt den Stellenwert, den die aktuelle tschechische Regierung dem Sudetendeutschen Tag einräumt.

Erstmals spricht der Botschafter

Umso mehr herrschte bis zuletzt Spannung um den Botschafter Tomáš Jan Podivínský. Vor einem Jahr war er bereits mit einem Grußwort angekündigt, zog dann aber zurück. Diesmal nun lief der Sudetendeutsche Tag im Vorfeld etwas geräuschloser ab. Podivínský trat am Sonntag auf und war damit der erste tschechische Botschafter in Deutschland, der dies tat. Prompt lobte er die deutsch-tschechischen Beziehungen, die eben zu einem guten Teil sudetendeutsch-tschechische Beziehungen sind. Podivínský nannte seine Rede in Anspielung an seinen Titel eine „gute Botschaft“ und die Versöhnungsleistung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen „ein Vorbild für Europa und die europäische Einigung“. Beiden sagte er eine „gute gemeinsame Zukunft in Europa“ voraus.

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Auch dieser Auftritt ist ein weiterer Meilenstein und passte ins Bild des Jubiläums-Tages. Erstmals war Regensburg Gastgeber. Die Stadt an der Donau ist seit 1951 Patenstadt der Sudetendeutschen und mit ihrer Geschichte eigentlich prädestiniert für einen Sudetendeutschen Tag. Von hier aus wurde Böhmen christianisiert, eine Entwicklung, die 845 in der Taufe 14 böhmischer Fürsten gipfelte. Aber auch heute spielt die Stadt eine tragende Rolle in den deutsch-tschechischen Beziehungen. Die Universität wird für ihren Tschechisch-Schwerpunkt geschätzt und mit der Jugendorganisation Tandem hat hier neben Pilsen eine der wichtigsten Organisationen im deutsch-tschechischen Verhältnis ihren Sitz.

Dass die Wahl ausgerechnet beim 70. Sudetendeutschen Tag auf Regensburg fiel, hatte wohl auch pragmatische Gründe. Insgesamt war alles etwas kleiner, fast schon gedrängt. In der Aktionshalle wurde vor allem am traditionell besucherstärksten Pfingstsonntag eng zwischen den Ständen. Die Landesversammlung war gleich mit acht Ständen sehr stark vertreten. Und es gab kaum eine Minute, an denen die Standbetreuer mal Pause hatten. Die meisten tragen traditionelle Trachten, präsentieren Bücher, Broschüren, hier und da auch was feines zu Essen und zu Trinken.

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„Wir wollen zeigen, dass wir Egerländer noch nicht ausgestorben sind“, erklärt Ernst Franke, der Leiter des Begegnungszentrums in Eger (Cheb), warum der Bund der Deutschen – Landschaft Egerland mit einem eigenen Stand vertreten ist. Das gilt wohl für alle. Doch, dass sie in der Menge der Sudetendeutschen untergehen, müssen die in der Heimat Verbliebenen nicht mehr fürchten. Sie sind auch beim Einzug der Trachtengruppen am Sonntag dabei und nehmen sogar am Großen Volkstumsabend teil, wie die Schönhengstgauer Tanzgruppe des Begegnungszentrums in Mährisch Trübau (Moravská Třebová). Neben den Begegnungszentren in Eger und Mährisch Trübau präsentierten sich auch die Zentren in Mährisch Schönberg (Šumperk), Brünn (Brno), Pilsen und Hultschin (Hlučín) sowie der Bund der Deutschen in Böhmen aus Netschetin (Nečtiny).

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Aber auch der Kulturverband war mit einem eigenen Stand dabei. Und auch an den vielen anderen Ständen von Heimatkreisen, Sudetendeutscher Landsmannschaft stehen nicht nur Sudetendeutsche, sondern auch vermehrt Tschechen wie in Teplitz.

„Der Anteil der tschechischen Besucher hat spürbar zugenommen“, bestätigt Tomáš Okurka vom Collegium Bohemicum (CB) in Aussig (Ústí nad Labem), welches die Geschichte und Kultur der Deutschen in Böhmen und Mähren erforscht und eine Dauerausstellung dazu vorbereitet. Laut Okurka sind es vor allem Vereine und Gemeinden aus dem Grenzgebiet, die sich sehr für die Geschichte der einst deutsch besiedelten Gebiete interessieren. Das CB selbst ist zum dritten Mal mit einem eigenen Stand dabei, der ebenfalls zu den sehr gut besuchten Ständen gehört. „Für uns ist es wichtig, uns hier zu präsentieren. Es gab ja einen Leitungswechsel, da war es uns wichtig zu erklären, dass wir an der Konzeption für die geplante Dauerausstellung festhalten“, sagt Okurka.

In das Bild passt, dass mit dem früheren Leiter des Gebietsmuseums von Komotau (Chomutov) ein Tscheche den Sudetendeutschen Volkstumspreis für sein jahrelanges Engagement für die Pflege und den Erhalt der Spuren deutschen Lebens nicht nur in Nordböhmen erhielt. Und ein gemeinsames deutsch-tschechisches Musical einer deutschen und einer tschechischen Schule gehörte zu den am meisten beachteten Veranstaltungen an diesem Wochenende. Musikalisch umrahmt wurde der Pfingssamstag von dem Westböhmischen Symphonieorchester Marienbad (Mariánské lázně).

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Ein Sudetendeutscher Tag in Tschechien?

„Wir haben viel erreicht“, bewertete das sudetendeutsch-tschechische Verhältnis denn auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Er war es, der als bayerischer Ministerpräsident entscheidend an dem Tauwetter in den sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen mitgewirkt hat, indem er 2010 Prag den ersten offiziellen Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten abstattete, wie sein Nachfolger Markus Söder in seiner Ansprache am Sonntag würdigte. Doch Seehofer äußerte auch noch einen Wunsch: „So richtig rund wird die Geschichte erst, wenn wir einen Sudetendeutschen Tag in Tschechien begehen. Das möchte ich noch erleben.“ Das Thema ist nicht neu, es wurde trotzdem heiß diskutiert. Schon nächstes Jahr? Oder in drei Jahren? Für Landsmannschaftssprecher Bernd Posselt ergibt sich die Sache von selbst, sobald „ein Oberbürgermeister anruft und uns einlädt, den Sudetendeutschen Tag in seiner Stadt auszurichten.“ Für Libor Schröpfer aus Holleischen wäre das eine Nummer zu groß. Aber vielleicht ist das ja die Erklärung, dass ausgerechnet er eingeladen wurde.

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Ziemlich sicher dürfte der nächste Sudetendeutsche Tag aber noch in Bayern stattfinden. 2020 wird ohnehin ein besonderes Jahr. Im jahrelangen Fernwettkampf, wer zuerst ein Museum für die Sudetendeutschen eröffnet, dürfte es auf ein Patt hinauslaufen. Wie mehrfach betont, soll das Sudetendeutsche Museum in München definitiv im nächsten Jahr starten. Das plant auch die Dauerausstellung über die Geschichte und Kultur der Deutschen in Böhmen und Mähren, die ebenfalls im kommenden Jahr in Aussig eröffnen soll. Für Zeiten, in denen immer weniger Deutsche noch vor 1945 in den Sudeten geboren sind, ist das ein wichtiges Signal.


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