In den vergangenen zwei Jahren schufen fünf zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland, Österreich, Polen und Bulgarien mit „Competendo“ eine gemeinsame Internet-Plattform für Wissensaustausch, Methodenbücher und Best Practice Beispiele im Bereich der Bürgerbeteiligung. Im Mittelpunkt steht dabei die Kompetenzentwicklung der Lernenden. Selbstbestimmte Lernbiographien und neue Ansätze bei non-formaler Bildung erklärt Competendo-Koordinator Nils Zimmermann vom MitOst-Netzwerk.

 

ifa: Was genau ist Competendo?

Nils Zimmermann: Competendo ist eine Plattform, die die Idee des kompetenzbasierten Lernens verbreiten möchte. Wir möchten die gute Praxis aus der Welt zusammenführen, erstellen Handbücher und Materialien, die Lehrern, Betreuern in Jugendarbeit, ehrenamtlich Engagierten in gesellschaftlichen Organisationen dabei helfen, mit einer zusätzlichen Bildungsperspektive ihre Arbeit besser und gewinnbringender für die Beteiligten zu gestalten. Insofern geht es uns darum Bildungsansätze zu fördern, die an den Stärken und Persönlichkeiten der Lernenden orientiert sind, damit wir am Ende eine andere Art von Lernkultur haben.

ifa: An diesem Konzept arbeiten verschiedene Beitragende, Vereine und NGOs aus mehreren Ländern mit. Was hat sie zusammengeführt?

Nils Zimmermann: Es gibt eine Vision, die uns tatsächlich gemeinsam verbindet, nämlich dass wir alle fest davon überzeugt sind, dass die Menschen, mit denen wir Bildungsprozesse gestalten, etwas lernen können. Sie sind selber in der Lage, Autorenschaft für ihre Lernbiographie zu übernehmen. Die Fähigkeiten, die sie brauchen, um sich zu entwickeln, tragen sie in sich. Wir definieren unsere Rolle dabei als diejenigen, die ihnen dabei helfen, diese Fähigkeiten an sich zu entdecken und weiter auszubauen. Dieses Verständnis verbindet uns alle und die Unterschiede liegen einfach darin, dass sich die Organisationen auf unterschiedliche Themenfelder spezialisiert haben.

ifa: Inwiefern unterscheidet sich Competendo von anderen Ansätzen? Was ist das Neue daran?

Nils Zimmermann: Es gibt eine große Lücke zwischen den sehr theoretischen Diskussionen in der Bildungslandschaft. Zum Beispiel gibt es seit den 1970er Jahren intensive Diskussionen über kompetenzbasiertes Lernen, über Kooperationen zwischen verschiedenen Lernformen. Gleichzeitig gibt es eine große autodidaktische Bewegung. Viele innovative, neue Ideen kommen von Menschen, die gar nicht aus der pädagogischen Fachdisziplin sind. Oder es sind Lehrer, die einfach etwas anderes ausprobieren wollen. Menschen, die durch Jugendarbeit einen Zugang zu Bildung gefunden haben. Zwischen diesen Rahmenmetakonzepten und der konkreten Arbeit im Feld gibt es einerseits ein gemeinsames Verständnis: Wir wollen partizipativer sein, wir wollen den Menschen einen Rahmen geben, in dem sie sich entfalten können. Gleichzeitig gibt es aber wenige, die diese Übersetzungsleistung bringen. Methoden, die im Feld erprobt sind, müssen theoretisiert werden und Kompetenzmodelle den Menschen, die die Arbeit überall in Europa machen, nahe gebracht werden. Wir versuchen diese Brücke zu bauen.

ifa: Wie funktioniert das in der Praxis?

Nils Zimmermann: Wir versuchen mit unserem Ansatz keine übertriebenen Standards zu setzen, die das denzentrale Wachstum und die positive Energie hemmen, was teilweise passiert in diesen Diskussionen über die Anerkennung non-formalen Lernens. Zu enge Strukturen beschränken die Kreativität. Ich denke, es ist eher wichtiger, dass man die guten Praktiken teilt und dass man Leute befähigt, möglichst viele Tools zu entwickeln. In der Vergangenheit wurde oft darüber nachgedacht, wie die ideale Straße zum Kompetenzerwerb aussehen soll und es wurden komplizierte Anforderungen daran gestellt. Heute geht es eher darum, die Straßen möglichst simpel zu halten. Wir sollten in möglichst vielen verschiedenen Autos auf diesen Straßen fahren, in die wir investieren und wir sollten Möglichkeiten bieten, wo die Fahrer dieser Autos zwischendurch mal anhalten können. So verstehe ich lebenslanges Lernen.

 

Das Interview führten Anna Juraschek (ifa-Regionalkoordinatorin für Polen und Tschechien) und Tomáš Randýsek (ifa-Redakteur beim LandesEcho).

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