Prag zögert mit dem Euro – für den Premier zu lange. Nur 17 Prozent der Tschechen wollen die Gemeinschaftswährung.
Für deutsche Tschechien-Touristen ist der Geldumtausch immer nervend. Man muss beim Tausch und anschließend beim Einkauf oder beim Bier zum Schweinebraten mit Knödeln ständig umrechnen. Wenn man gute Ratschläge von Kennern des Nachbarlandes in den Wind schlägt, tauscht man sein Geld bei der erstbesten Wechselstube am Prager Wenzelsplatz und merkt zu spät, dass man betrogen wurde. Auch wer die sicherste Methode wählt, an den Geldautomaten Kronen zu ziehen, läuft Gefahr, doppelt Gebühren zu zahlen. Dann nämlich, wenn er sich den gewünschten Kronenbetrag gleich noch in Euro umrechnen lässt. Hier gilt: Nur angucken, nicht anklicken!
Die Tschechen ihrerseits haben in den vergangenen drei Jahren erlebt, dass es gut sein kann, eine eigene, vom Euro unabhängige Währung zu haben. Die Nationalbank hatte die Krone künstlich gegenüber dem Euro verbilligt. Damit machte sie die Ausfuhren des Landes günstiger, was Tschechien als Exportnation gut tat. In der Folge verhalf die Intervention, dem Land zu solidem wirtschaftlichen Wachstum, einer ausgeglichenen Bilanz, einem Außenhandelsüberschuss und einer Inflation im gewünschten Maß. Die tschechischen Verbraucher bezahlten das Eingreifen der Staatsbanker mit etwas höheren Preisen für Waren aus dem Euro-Raum.
Geändert hat sich daran aber auch nach dem Ende der Intervention kaum etwas. Die Urlaubsreise in den Euro-Raum ist in diesem Sommer noch nicht günstiger, weil sie schon vorher bezahlt wurde. Erst vor Ort kommt man etwas besser weg, weil man sich zuhause zu einem etwas günstigeren Kurs Euro beschaffen konnte. Die von den Medien und Politikern geschürten Annahmen aber, dass man für einen Euro nur noch zwischen 23 und 25 Kronen statt bisher 27 Kronen zahlen müsse, haben sich bislang kaum erfüllt. Diese Woche mussten für einen Euro 26,75 Kronen bezahlt werden.
Trotzdem lehnen die Tschechen den Euro vehement ab. Der jüngsten Umfrage zufolge können sich nur 17 Prozent für die Gemeinschaftswährung erwärmen. Das hat viel mit Psychologie zu tun. Die eigene Währung stärkt das Selbstbewusstsein der Tschechen und erinnert sie an die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, als die damalige Tschechoslowakei zu den stabilsten Wirtschaftsnationen gehörte. Und für viele würde es einen erheblichen Unterschied ausmachen, ob sie 12 500 Kronen Mindestlohn im Monat erhalten oder „nur“ 500 Euro. Rentner müssten sich durchschnittlich mit noch weniger Euro zufrieden geben – „weniger“ natürlich nur wegen der Umrechnung.
Das Problem: Mit dem Beitritt zur EU hatte sich Tschechien – wie die anderen Beitrittsländer – de facto verpflichtet, den Euro zu übernehmen, wenn das Land die wirtschaftlichen Kriterien dafür erfüllt. Was also tun, um nicht wortbrüchig zu werden? Es gäbe die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung in der EU zu erstreiten, wie sie beispielsweise Dänemark hat. Doch dem müssten alle anderen EU-Länder zustimmen. Das ist ungewiss.
Die politische Führung hört auf die Umfragen. So lange es keine Mehrheit der Tschechen für den Euro gibt, soll er auch nicht eingeführt werden. Damit die ablehnende Haltung nicht bröckelt, argumentieren Politiker wie Banker damit, dass bei der Verpflichtung zum Euro-Beitritt 2004 ganz andere Regeln in der Euro-Zone gegolten hätten als heute. Marek Mora, Mitglied des Bankenrats der Nationalbank, zählte sie am Freitag in der Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ auf: „Wir müssten beispielsweise dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus beitreten und mit Dutzenden Milliarden Kronen für andere Länder garantieren. Sollte etwa ein Teil der griechischen Schulden abgeschrieben werden, müssten wir einen Teil der Kosten übernehmen.“ Genau das hat Präsident Miloš Zeman kürzlich ausgeschlossen: „Ein Beitritt von uns kommt erst in Betracht, wenn Griechenland die Eurozone verlassen hat.“
Zeman will das Volk abstimmen lassen, um sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen. Wie ein Referendum heute ausginge, sagen die erwähnten 17 Prozent aus den Umfragen.
Premier Bohumil Sobotka hat jetzt das Tabu Euro gebrochen, nach dem ersten Treffen von Angela Merkel mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron: „Es ist klar, dass Frankreich und Deutschland sich nach ihren Parlamentswahlen im Juni beziehungsweise September für eine Beschleunigung der Integration innerhalb der Eurozone einsetzen werden. Die Frage darf daher nicht sein, ob, sondern wann Tschechien ebenfalls die Gemeinschaftswährung einführt“, sagte der Sozialdemokrat vor der Wirtschaftskammer in Prag. „Sonst finden wir uns an der politischen Peripherie der EU wieder.“ Ob das die Stimmung in der skeptischen Bevölkerung ändert, bleibt abzuwarten.
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