Die Online-Zeitung Seznam Zprávy kürte die beiden Orte Beraun (Beroun) und Ritschan (Říčany) zu den lebenswertesten Städten Tschechiens. Doch was macht diese beiden Kleinode zu der Idylle, nach der sich Tschechien sehnt, und welche Schattenseiten gibt es im Vorstadtparadies?
Man merke sofort, dass Beraun eine Stadt sei, in der jeder leben wolle, schrieb die Zeitung Seznam Zprávy Anfang Juli. Sie begab sich auf die Suche nach der Stadt, in der man in Tschechien im Moment am besten leben kann, und fand dabei zwei Orte in der direkten Umgebung Prags.
Viel Natur und gute Infrastruktur
Die 20.000 Einwohner-Stadt Beraun in der Nähe Prags ist jung, wächst und bietet viel Freiraum und Natur zur Erholung. Es ist vor allem das Bildungsbürgertum, das in die kleinen Städte mit viel und großzügigem Wohnraum zieht. Nach dem Studium bekamen man dort für den Preis einer Prager Wohnung ein ganzes Haus. Viele fühlen sich wohl und gründen dort Familien, immer mehr Wohlhabende kommen in die Stadt. Inzwischen stiegen dadurch die Immobilienpreise, zugleich steigen die Einnahmen der Gemeinden.
Viele Einwohner arbeiten in Prag und verdienen gut. Durch ihren Wohnsitz in der Prager Peripherie bringen sie einiges an Geld in die Orte. Einnahmen, die die Gemeinden gut gebrauchen können und für den Aufbau ihrer Städte nutzen. Schulen, weiterer Wohnraum, gepflegte Altstädte und Naherholungsgebiete profitieren von dem zusätzlichen Geld und steigern weiter die Lebensqualität in den Orten.
Von der schmutzigen Stadt zum Paradies
Eine Entwicklung, die nach der politischen Wende noch nicht ersichtlich war. Die Stadt war grau und verlassen, Asche und Staub aus der Eisenhütte und dem Zementwerk prägten das Bild des Ortes. Während des Staatssozialismus sollte die historische Altstadt Plattenbauten weichen, dies konnte von den Bewohnern teilweise verhindert werden. Die Stadt konnte sich allerdings nach der Wende erholen, die einst „schmutzige“ Stadt liegt nun in neuer alter Pracht idyllisch zwischen den Flüssen Beraun (Berounka) und Littawa (Litavka). Ein regelrechtes Paradies, das seznam zpravy da gefunden zu haben scheint.
Die erste Blüte hatte der Ort ab 1295 als befestigte königliche Stadt. Unter den Bewohnern waren auch viele deutsche Kaufleute, seit der Eroberung durch hussitische Truppen in der Mitte des 15. Jahrhunderts ist die Stadt überwiegend tschechisch, nach dem Dreißigjährigen Krieg versank sie in der Bedeutungslosigkeit. Nun zieht es die Tschechen zurück in den wiederauferstandenen Ort mit seinem königlichen Altstadtkern, der Statue von Jan Hus und Überresten der Stadtmauer. Tausende Menschen strömen zu den Töpfermärkten auf dem großen Platz von Beraun.
Explosives Wachstum, teure Schulen und fehlende Arbeitskräfte
In der Analyse der Online-Zeitung klingen jedoch auch Schattenseiten der Vorstadtidyllen durch, die gerade so beliebt sind. Manchen wachsen die Städte zu schnell und sie versuchen, den Bauaufschwung ein wenig zu bremsen. Zugleich sprechen manche Bürgermeister von fehlenden Arbeitskräften vor Ort. Eine Infrastruktur braucht Arbeiter, die sie am Leben erhält und auf einen gewissen Standard bringt. Wenn alle nach Prag pendeln, wird dies zum Problem.
Mit dem Wohlstand verschärfte sich aber auch die Exklusivität solcher Orte, vielen bleibt der Zugang zur Idylle verwehrt. Neben den steigenden Immobilienpreisen ist auch die Zahl der Privatschulen ein Indikator hierfür. In Beraun gibt es beispielsweise bereits drei davon, die jährlichen Schulgebühren liegen zwischen 80.000 Kronen (ca. 3290 Euro) und 150.000 Kronen (ca. 6160 Euro), Aspekte, auf die seznam nur am Rande eingeht. In den Kategorien, nach denen die Online-Zeitung die Städte bewertete, wurden solche Dinge erst gar nicht berücksichtigt. Als positiv bewertete sie das Bevölkerungswachstum, eine große Zahl an Familiengründungen, ein junges Bevölkerungsalter, große Wohnungen und ein wachsendes Wohnungsangebot sowie genügend Natur in der Umgebung.
Die Leerstellen in ihrer Statistik sind offenkundig, so wurden die Immobilienpreise, Lebenshaltungskosten oder soziale und ökonomische Durchlässigkeit schlicht nicht betrachtet. Eine jünger werdende Bevölkerung alleine sagt auch wenig über die Lebensqualität im Allgemeinen aus, wie es den älteren Menschen dort geht und wie diese mit den wahrscheinlich steigenden Preisen umgehen, fällt hintüber.