Am 29. April wurden die die Ergebnisse der Konjunkturumfrage in der Kuppel der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer vorgestellt.
Am 29. April wurden die die Ergebnisse der Konjunkturumfrage in der Kuppel der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer vorgestellt. Credit: DTIHK

Verhaltene Konjunkturaussichten, Rückgang der Investitionen und ein alarmierender Fachkräftemangel – die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) schlägt in ihrer aktuellen Konjunkturumfrage 2025 Alarm.

Wie gut kommen Unternehmen in Tschechien mit den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen zurecht? Wie schätzen sie ihre Lage und ihre Zukunft ein? Diese Fragen beantwortet jedes Jahr die sogenannte Konjunkturumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK). Die DTIHK ist ein Netzwerk von rund 650 Unternehmen, die wirtschaftlich eng mit Deutschland und Tschechien verbunden sind. In diesem Jahr nahmen 130 Unternehmen an der Umfrage teil – darunter sowohl deutsche Firmen in Tschechien, als auch tschechische Unternehmen mit engen Geschäftsbeziehungen zu Deutschland. Die Umfrage lief vom 3. bis 28. März 2025. Ziel der Konjunkturumfrage ist es, ein realistisches Bild der wirtschaftlichen Lage in Tschechien aus Sicht dieser Unternehmen zu zeichnen. Dafür werden Einschätzungen zur aktuellen Geschäftslage, zu Investitionen, Personal, Risiken und zur Standortqualität abgefragt. Die Ergebnisse helfen Wirtschaft und Politik zu verstehen, wo die größten Herausforderungen liegen und welche Entwicklungen sich abzeichnen.

So schätzen die Teilnehmer der Studie die derzeitige Wirtschaftslage in Tschechien ein. Credit: DTIHK
Die Einschätzungen der Investoren nach Haupttätigkeitsgewerbe. Credit: DTIHK

Investitionsbereitschaft bröckelt

Zwar bewerten die Unternehmen ihre aktuelle Situation etwas besser als im Vorjahr, doch die Aussichten für 2025 bleiben verhalten bis pessimistisch: Nur 17 Prozent glauben, dass sich die Wirtschaft verbessert. Knapp ein Drittel rechnet mit einer Verschlechterung. Besonders betroffen ist die Industrie: Hier wollen 43 Prozent der Unternehmen weniger investieren als im Jahr zuvor. Das ist ein alarmierendes Signal, denn  Investitionen (z. B. in Maschinen, Technik oder neue Produkte) sind ein Zeichen dafür, dass ein Unternehmen an seine Zukunft glaubt und wachsen möchte. Wenn sie ausbleiben, droht Stillstand oder Rückschritt. „Unsere Industrie steht vor der Herausforderung, sich zu transformieren und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben – beides erfordert große Investitionen“, sagt DTIHK-Präsident Milan Šlachta. Er fordert von der Politik mehr Flexibilität, zum Beispiel beim Bürokratieabbau, der Förderung von Bildung und Fachkräften sowie mehr Technologieoffenheit bei der Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr. Im Kontrast dazu zeigen sich Unternehmen im Dienstleistungssektor deutlich optimistischer – 42 Prozent von ihnen planen sogar, ihre Investitionen zu erhöhen.

Die Wirtschaftsaussichten der teilnehmenden Unternehmen für das Jahr 2025. Credit: DTIHK

Strukturwandel bringt Chancen

Trotz vieler Schwierigkeiten rechnet ein großer Teil der befragten Unternehmen mit steigenden Einnahmen im Jahr 2025. Besonders im Dienstleistungsbereich erwarten 60 Prozent ein Umsatzplus, in der Industrie immerhin 39 Prozent. Doch dieser Umsatzanstieg bedeutet nicht automatisch, dass die Industrie wieder stärker produziert. Der Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser vom Münchner ifo Institut (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.) erklärt: „Industrieunternehmen erwirtschaften zunehmend Umsätze aus hybriden Geschäftsmodellen. Industriewaren werden mit produktbegleitenden Dienstleistungen kombiniert.“ Das bedeutet, dass viele Unternehmen nicht mehr nur ein Produkt verkaufen, sondern zusätzliche Services anbieten: zum Beispiel Software, Wartungsverträge, Beratung oder Online-Plattformen. Außerdem verlagern manche Betriebe ihre Produktion ins Ausland, während sie sich in Tschechien auf Entwicklung, Marketing oder Vertrieb konzentrieren. Der wirtschaftliche Wandel sorgt also für neue Einnahmequellen – kann aber klassische Industriearbeitsplätze nicht automatisch ersetzen.

Professor Timo Wollmershäuser vom ifo-Institut München kommentiert die Konjunkturzahlen. Credit: DTIHK

Nachfrage bleibt das größte Risiko

Die größten Sorgen der Unternehmen richten sich auf die Nachfrageentwicklung (63 %), gefolgt von Arbeitskosten (49 %), Energiepreisen (46 %) und dem anhaltenden Fachkräftemangel (43 %). In den kommenden fünf Jahren werden vor allem Handelskonflikte (61 %), digitale Transformation (53 %) und Cybersicherheit (50 %) als zentrale globale Herausforderungen gesehen.

Standortvergleich: Polen vor Tschechien

Im Wettbewerb der mittelosteuropäischen Investitionsstandorte liegt Polen klar vor Tschechien, welches den zweiten Platz belegt. Ausschlaggebend dafür sind laut der Umfrage vor allem geringere Produktionskosten, bessere Infrastruktur und ein besserer Zugang zu Fachkräften in Polen. Die DTIHK-Umfrage zeigt auch: Tschechien punktet weiterhin mit der Netzqualität und der Verfügbarkeit lokaler Zulieferer. Doch bei entscheidenden Faktoren wie der Verfügbarkeit von Fachkräften, der Effizienz der öffentlichen Verwaltung und dem Berufsbildungssystem rangiert das Land am unteren Ende der Skala.

Die größten Brems-Faktoren für die Innovationskraft laut teilnehmenden Unternehmen. Credit: DTIHK

Fachkräftemangel verschärft sich – Bildungssystem überfordert

Die Ergebnisse werfen zudem ein kritisches Licht auf das tschechische Bildungs- und Ausbildungssystem. Ein Kriterium, bei dem Tschechien 2021 noch auf Platz 6 lag, nun aber auf Platz 19 abgestürzt ist. DTIHK-Geschäftsführer Bernard Bauer betont: „Nicht die Qualifikation oder die Ausbildung selbst haben sich verschlechtert, sondern die Anforderungen der Unternehmen haben sich deutlich verändert in einer Zeit rasanter Entwicklung von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Das tschechische Berufsbildungssystem hat noch keine Antwort darauf, dabei entscheidet die Qualifikation der Mitarbeiter über die Innovationskraft unseres Standorts.“ Auch die Innovationskraft leidet darunter: 61 Prozent der befragten Unternehmen sehen im Fachkräftemangel das größte Innovationshindernis – vor regulatorischen Hürden, Finanzierungshürden und hohen Energiekosten.

Hoffnung auf Impulse aus Deutschland

Rund ein Drittel des tschechischen Außenhandels entfällt auf Deutschland – die Lage der deutschen Wirtschaft ist daher von zentraler Bedeutung. Nach Einschätzung von ifo-Experte Wollmershäuser könnte Deutschland ab 2026 wieder spürbar wachsen – „vorausgesetzt, die neue Bundesregierung reagiert entschlossen auf Herausforderungen wie den demographischen Wandel, die Dekarbonisierung und geopolitische Spannungen“. Die Konjunkturumfrage 2025 zeigt ein gespaltenes Bild: Während der Dienstleistungssektor Hoffnung macht, kämpft die Industrie mit strukturellen Problemen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Tschechien steht auf dem Prüfstand – und mit ihr auch die Frage, ob Politik und Bildung den Wandel mitgestalten können.

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