Nachdem die Zahl der Corona-Neuinfektionen in den letzten Tagen stark angestiegen ist, führt Tschechien wieder neue Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus auf Landesebene ein, unter anderem erlebt die Maskenpflicht ein Comeback.
Ab kommendem Samstag muss bei jeglichen Veranstaltungen ab 100 Personen in geschlossenen Innenräumen wieder ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, etwa bei Konzerten und anderen Kultur- sowie Sportveranstaltungen. Ab Montag dürfen solche Veranstaltungen nur noch mit bis zu 500 Teilnehmern stattfinden, aktuell waren Veranstaltungen auf 1.000 Teilnehmer begrenzt. Allerdings darf es bei Veranstaltungen bis fünf getrennte Sektoren mit jeweils bis zu 500 Personen geben. Das verkündete der tschechische Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos, für ANO) am frühen Donnerstagabend auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. „Wir werden keine Maßnahmen einführen, die die Wirtschaft oder die Bewegungsfreiheit einschränken würden. Die getroffenen Maßnahmen basieren auf Informationen der Kreis-Gesundheitsämter nach ihren Erfahrungen mit neuen Ausbrüchen“, sagte Vojtěch.
Der Gesundheitsminister betonte, dass die neuen Maßnahmen auch für Nachtclubs gelten werden, nachdem sich vor kurzem im Prager Club „Techtle Mechtle“ 98 Personen mit dem Coronavirus infiziert hatten, darunter einige Fußballspieler bekannter Prager Fußballclubs. Gleichzeitig empfahl Vojtěch, Veranstaltungen in Innenräumen nach Möglichkeit zu meiden und wies darauf hin, dass auch schon kleine Ausbrüche das Risiko tragen, das Virus regional zu verbreiten. Trotz allem sieht Minister Vojtěch in den steigenden Fallzahlen keine Anzeichen einer zweiten Infektionswelle. Auch Premierminister Andrej Babiš (ANO) appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger und warnte davor, die Erfolge der letzten Monate zu verspielen: „Wir waren überaus diszipliniert, vielleicht am meisten auf der Welt, schließlich haben wir alle Masken genäht, das hat perfekt funktioniert und jetzt haben wir das Gefühl, dass uns nichts passieren könnte.“
Starkes Wachstum der Neuinfektionen
Die Entwicklung der Corona-Infektionen seit März in Tschechien. Rot = aktive Infektionen; Grün = Genesen; Grau = Verstorben. Aktuell (Stand: 22.07.) sind in Tschechien 5.067 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, der vorige Höhepunkt war am 11. April mit 4.694 aktiven Infektionen erreicht worden. Grafik: Ministerstvo Zdravotnictví České Republiky
Mit den neuen Maßnahmen und der Wiedereinführung der Maskenpflicht reagiert die tschechische Regierung auf ein starkes Wachstum von Corona-Neuinfektionen in den letzten Tagen. Am Dienstag kamen laut Angaben des tschechischen Gesundheitsministeriums 212 neue Fälle hinzu, am Mittwoch waren es 247. Das ist der größte Tageszuwachs seit Ende Juni. Insgesamt sind aktuell 5.067 Menschen in Tschechien mit dem Coronavirus infiziert – so viele wie noch nie seit Beginn der Epidemie. Das Infektionsgeschehen konzentriert sich vor allem auf den Kreis Mährisch-Schlesien, im dortigen Bezirk Karwin (Karviná) kommen auf 100.000 Menschen etwa 71 Infizierte. Am Freitag vor einer Woche hatte das dortige Kreis-Gesundheitsamt bereits wieder strengere Corona-Maßnahmen eingeführt, was zu Kritik und Protesten führte. Aber auch in der Aussiger Region (Ústecký kraj) sowie im Kreis Reichenberg (Liberecký kraj) gilt ab Freitag wieder eine Maskenpflicht bei Ärzten und anderen medizinischen Einrichtungen. Ebenfalls verzeichnet Gablonz (Jablonec nad Nisou) einen neuerlichen Ausbruch von Covid-19. Dennoch ist das Infektionsgeschehen regional sehr unterschiedlich ausgeprägt, einige Bezirke, wie z.B. der Bezirk Freudenthal (okres Bruntál) sind praktisch ohne Corona-Infektionen.
Innenminister Jan Hamáček (ČSSD) regte auf Twitter an, den zentralen Krisenstab zu reaktivieren, Gesundheitsminister Vojtěch lehnt das bislang ab.
Tschechien war eines der ersten Länder, die im März eine weitgehende Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes eingeführt hatten, was international für Aufsehen sorgte. Anfang Juli hatte Tschechien die Maskenpflicht größtenteils beendet.