Die Neysseburg in Gablonz war eines der wenigen Gebäude der humoristischen Herrengesellschaft Schlaraffia. Nun wurde sie abgerissen. Ein jahrelanger Kampf ist verloren und ein wichtiges Zeugnis der Schlaraffia in Böhmen und deutschböhmischer Geschichte überhaupt verschwunden.
Mit der illegalen Zerstörung des Turms der „Neysseburg“, des ehemaligen Sitzes der humoristischen Schlaraffia-Herrengesellschaft in Gablonz (Jablonec nad Nisou), hatte im Mai das letzte Kapitel des Gezerres um dieses deutsch-böhmische Kleinod begonnen. Mit dem legal gewordenen Abriss des restlichen Gebäudes endete im November nun der jahrelange Streit um seinen kulturellen Wert.
Im Mai war noch die Polizei eingeschritten und hatte den Nacht-und-Nebel-Abriss gestoppt. Der damalige Gablonzer Oberbürgermeister Milan Kroupa wollte sich persönlich für den Erhalt dieses einzigartigen Kulturbaus einsetzen. Dann kam aber alles anders und die Firma Malina Safety, der die „Neysseburg“ gehörte, bekam das, was sie seit Jahren wollte: ein leeres Grundstück zur Erweiterung ihres angrenzenden Betriebs.
Auch zwei Versuche, die „Neysseburg“ als Denkmal einstufen zu lassen, scheiterten. Schon beim ersten Einstufungsverfahren hatten Denkmalschützer auf den schlechten Zustand des Objekts verwiesen und den Titel ‚Denkmal‘ verweigert – noch vor dem Abriss des Turms. Die ursprüngliche Absichtserklärung von Malina Safety, die Burg in seinen Gebäudekomplex integrieren zu wollen, war da schon längst Geschichte. Auch eher dubiose Pläne, die Burg abzutragen und andernorts wieder aufzubauen, stellten sich als Luftschlösser heraus.
Nach Protesten schritt der damalige Kulturminister Daniel Herman ein und veranlasste eine erneute Überprüfung der Denkmalwürdigkeit. Das im Mai noch schwebende zweite Verfahren des Kulturministeriums endete nach dem Abriss des Turms aber schnell, da eine Restaurierung des Objekts nun nicht länger machbar war.
Zudem wurde Milan Kroupa Mitte September wegen eines Interessenkonflikts in Verbindung mit dem Betrieb des städtischen Kamera-Systems der Oberbürgermeisterposten entzogen. Die Koalition an der Spitze der Stadt zerbrach und wurde durch eine neue ersetzt. Der „Neysseburg“ kam in dieser Situation keine Priorität zu.
Spurlos verschwunden
Ohne den Status eines Denkmals konnte auch das Gablonzer Bauamt nicht umhin und erteilte die Abrissgenehmigung. „Dagegen konnte die Stadtverwaltung nichts unternehmen,“ sagte dazu gegenüber LandesEcho Jana Fričová, die Pressesprecherin der Stadt. In der zweiten Novemberhälfte fiel also der Gablonzer Sitz der Schlaraffen, die einst in Prag gegründet wurden und noch heute in aller Welt aktiv sind. Jahrelange Bemühungen von Bürgern, Politikern und Initiativen zur Rettung der Burg waren damit endgültig gescheitert.
Dabei hatte gerade erst zwischen Juni und September die Ausstellung „In Arte Voluptas – Tajemná Schlaraffia“ (In der Kunst liegt das Vergnügen – Geheimnisvolle Schlaraffia) in der Städtischen Galerie (Městská galerie MY) die Geschichte der Schlaraffen in Gablonz gewürdigt. Zur Vernissage wurden gar Schlaraffen-Lieder vorgetragen. Eine Erinnerung an die „Neysseburg“ an ihrem ehemaligen Standort in unmittelbarer Nähe des Gablonzer Busbahnhofs wird es aber laut Jana Fričová nicht geben. Da weder die Burg noch das Grundstück in städtischem Besitz sind, gibt es nicht einmal die Aussicht auf eine Gedenktafel.
Da nun vollendete Tatsachen geschaffen wurden, ist auch nicht klar, wie das Verfahren wegen des ursprünglich illegalen Abrisses des Turms verlaufen wird. Malina Safety hatte im Mai ohne Genehmigung des Bauamts gehandelt. Das hätte eigentlich ein Bußgeld nach sich ziehen müssen, die Firma legte jedoch gegen die Beamten Beschwerde wegen Voreingenommenheit ein. Das Verfahren wurde daraufhin dem Bezirksamt übergeben. Die Entscheidung dort steht noch aus.
Während in Gablonz noch um die Neuanschaffung der Roland-Statue gestritten wird, ist damit ein noch vor Kurzem realistisch rettbares Stück deutsch-böhmischer Geschichte unwiederbringlich verloren gegangen.
Die Neysseburg wurde 1910 als Sitz des erst 1911 zum Reych erhobenen Vereins der Gablonzer Schlaraffen gebaut. Die in Prag gegründeten Schlaraffen wurden durch die Nationalsozialisten verboten. Seit der Vertreibung des Großteils der deutschen Bevölkerung sind sie nicht mehr in ihrem Stammland vertreten. Während nach 1990 viele Reyche in Ostdeutschland wiedergegründet wurden, gelang eine Rückkehr nach Tschechien bisher nicht. Die Allschlaraffia hat ihren Sitz heute in der Schweiz.